Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 16.1995

DOI Artikel:
Richard, Birgit: Schöne neue Welt - intelligente Ambiente, Super-Computer und künstliches Leben - Stichworte zu globalen Design-Entwürfen und -Fiktionen für ein zukünftiges Leben im Netz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31840#0175

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Birgit Richard

Schöne neue Welt.

Intelligente Ambiente,
Super-Computer und
künstliches Leben.

Stichworte zu globalen Design-
Entwürfen und -Fiktionen für
ein zukünftiges Leben im Netz

Eine Beschäftigung mit dem beschleunigten
Prozeß des Einzugs der Mikroelektronik in
alle Bereiche des alltäglichen Lebens wirft für
das Design folgende wichtige Fragestellun-
gen auf: 1. Welches Design könnte ein Com-
puter- Superhirn der Zukunft haben und 2.
Welche Rolle wird dem Designer bei der Ge-
staltung von „intelligentem Ambiente", wie
es z.B. das japanische Tron- Haus- Projekt dar-
stellt, und der Gestaltung künstlichen Lebens,
das im Rechner entsteht, zukommen?

Zuerst soll die konkrete Verwirklichung von
Träumen, die sich nur auf der Basis mikro-
elektronischen Fortschritts realisieren lassen,
in Form des in Tokio als Probehaus existie-
renden Tron Hauses kritisch in Augenschein
genommen werden.

Das Tronhaus (1988- 1993) ist eine durch Mi-
kroprozessoren gesteuerte Architektur, die
von „intelligent objects" bevölkert wird. (Eine
detaillierte Beschreibung des Projekts findet
man bei Sakamura 1994, 131- 137.) Dies ist
keine Bezeichnung für die Bewohner des
Hauses, sondern charakterisiert diverse Ge-
genstände mit implantierten Chips, die Pro-
grammierbarkeit und Vernetzungsmöglich-
keit zu den wichtigsten Eigenschaften der
Gegenstände machen. Die Prozessoren erlau-
ben es den Gegenständen, untereinander
Informationen auszutauschen, ganz im Sin-
ne von Adornos „objektiver Kommmu-
nikation", die dieser natürlich ursprünglich
den Kunstwerken zuspricht. Es entsteht ein
hermetischer Zirkel zwischen den Gegenstän-
den, die der Mensch nur durch seinen direk-
ten Eingriff in das Programm unterbrechen
kann. Das Haus, was zur Beschreibung dieses
Projektes schon fast notwendigerweise per-

sonifiziert werden muß, öffnet Fenster, Tü-
ren, Jalousien selbsttätig, reguliert je nach
Wunsch und Stimmung die Beleuchtungskör-
per und Hintergrundmusik im Haus und sorgt
für die Bewässerung der Pflanzen. Die Toi-
lette führt Urinanalysen durch, die Küche ist
vollautomatisiert und produziert prozessor-
gesteuerte Speisen, für die der Computer die
Menge der zu benutzenden Kräuter errech-
net hat. Der Besitzer und Bewohner des Hau-
ses wird zum User, zum geduldeten Benutzer
des Hauses. Er kann zwar eingreifen, indem
er z.B. das Fenster mit der Hand öffnet, das
Computernetz arbeitet aber nach Festlegung
bestimmter Parameter autonom, was ver-
hängnisvolie Folgen haben kann, wenn man
sich den Absturz bei einem Airbus Probeflug
zum Test des Autopiloten in Extremsitua-
tionen, in Erinnerung ruft. DasTron- Haus und
Gegenstände sind mit 1000 Computersyste-
men ausgestattet, die unterschiedlichste
Funktionen programmierbar machen. Das
Tron-Haus- Projekt, als Umsetzung einer voll
automatisierten Architektur, die auf äußere
Umweltfaktoren direkt reagieren, und zu ei-
ner vernetzten Tron- Stadt ausgebaut werden
kann, postuliert vor allem die Benutzer-
freundlichkeit und die individuelle Pro-
grammiermöglichkeit des Hauses, das auf ei-
nen speziellen Benutzer ausgerichtet werden
kann. Da die elektrifizierten Gegenständen
des alltäglichen Gebrauchs den Menschen
schon genug Schwierigkeiten bereiten, die
Tücke der Objekte (Sturm) manchen Ablauf
im Haushalt unterbricht, gehört nicht viel
Phantasie dazu, sich vorzustellen, welche
furchtbaren Auswirkungen ein Fehler im Pro-
gramm auf das gesamte Netz und somit auf
den Haushalt haben kann. Beim Tronhaus tre-
ten die Architektur und ihre Materialität in
den Hintergrund, Architektur und Raum wer-
den zur programmierbaren Matrix, zu Soft-
ware- Angelegenheiten.

Zur Steuerung und Verwaltung dieser künst-
lichen Ambiente und der in ihnen lebenden
Menschen werden große Rechnerkapazitäten
benötigt. Die Existenz besonders leistungsfä-
higer Computer ist auch die wesentliche Vor-
aussetzung für die Entstehung von „artificial
life". Das Design dieser Superhirne soll den
qualitativen Sprung zum Massenprodukt PC,
das meist durch das Prinzip „black box- Kos-
metik" - man denke an Colanis Gestaltung
für Highscreen- charakterisiert wird, verdeut-

173
 
Annotationen