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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 16.1995

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Richard, Birgit: Schöne neue Welt - intelligente Ambiente, Super-Computer und künstliches Leben - Stichworte zu globalen Design-Entwürfen und -Fiktionen für ein zukünftiges Leben im Netz
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https://doi.org/10.11588/diglit.31840#0176

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lichen. Sowohl am Design eines seriellen, se-
quentiellen Super- Computers wie dem Cray,
dessen Hardwaresegmente schneckenartig
gestaffelt sind und mit Materialien wie Kup-
fer verkleidet sind, als auch bei parallelen
Supercomputern wie den Connection Mach-
ines - deren Rechnerarchitektur durch die
parallele, nicht hierarchische Verarbeitung
von Daten, die eine erheblich höhere Rechen-
leistung als bei einem seriellen Computer mit
CPU ergibt-, charakterisiert ist, läßt sich die
besondere Ausdrucksfunktion des Designs
ablesen. Es wird deutlich, daß es sich um eine
spezielle Maschine handelt. Das Design ver-
sucht der Idee eines elektronischen Super-
hirns Form zu geben. Vor allem die Connec-
tion Machines demonstrieren eine andere
Herangehensweise an Hardware- Design:
1986 entwickelt Tamiko Thiel für Daniel Hillis
Herstellerfirma Thinking Machines Corpora-
tion ein spezielles Design für die Connection
Machine CM-1, deren parallele Verarbeitung
in der gleichzeitigen Bearbeitung einer Auf-
gabe durch alle Chips liegt; 1987 erstellt Thiel
das Design für die Connection Machine CM-
2, bei der alle Chips zeitgleich an verschiede-
nen Aufgaben zur Lösung eines Gesamt-
problems arbeiten. Thiel setzt sich vom Com-
puter- Design der 80er, wo ein Computer eher
einem Kühlschrank oder einem Heizlüfter
gleicht und die äußere Hülle nichts über sei-
ne internen Vorgänge vermittelt, ab. Zur
Leitfrage für die Gestaltung der Hardware
eines Supercomputers wird, wie man die
wesentlichen Funktionen des Computers ver-
gegenständlichen kann. Das Design soll auf
die Erstellung eines „image as an electronic
brain" (Thiel) hinauslaufen. Beim Connection
Machine- Design geht es weder ausdrück-
lich um Benutzerfreundlichkeit noch wird
Sullivan's zu Tode gequältes Theorem „form
follows function" ein weiteres Mal strapa-
ziert.

Das Hardware- Netzwerk der beiden Connec-
tion Machines materialisiert sich in einem 12-
dimensionalen Hypercube, (Würfel mit 2 hoch
12 Ecken, jede Ecke steht für die Funktion
eines Chip). Jeder Chip ist mit 12 anderen
verknüpft, sodaß zwei Chips nach spätestens
12 Schritten miteinander kommunizieren
können. Das Design der CM- 1 und -2 stellt
die Visualisierung der wechselseitigen Kom-
munikation zwischen den Chips in den Vor-
dergrund. Die äußere Form soll einer Enthül-

lung der physikalischen Struktur des Compu-
ters entsprechen, den Fluß der Elektrizität
darstellen und eine visuelie Verbindung zwi-
schen der harten, physikalischen Verkablung
und den „fuzzy software connections" (Thiel)
herstellen. Die Connection Machines CM-1
und CM- 2 sind schwarze kubische Schreine
(zusammengesetzt aus jeweils 8 Kuben) von
1,5 m Höhe. Sie sind durch Kabel mit Data
Drives und mit Workstations verbunden, die
die Prozessoren mit Informationen speisen.
Der Rechner ist mit transparenten Türen aus
schwarz getöntem Glas verkleidet, die einen
direkten Einblick in die elektronische Rech-
nerarchitektur erlauben. Dahinter pulsieren
rote Leuchtdioden, die „status iights of
processor chips", die die gleichzeitige Tätig-
keit vieler Prozessoren und ihre kurzfristigen
Verbindungen anzeigen und so das Charak-
teristikum eines Parallelrechners visualisieren.
Die Leuchtdioden scheinen die immaterielle
Tätigkeit der Prozessoren und das Versenden
elektronischer Botschaften, also die Kommu-
nikation in der Maschine sichtbar zu machen,
sie sind symbolische Repräsentation von En-
ergie.

Die geometrische Form verändert sich beim
der 1991 entstandenen CM- 5 vom Kubus zum
Quader, das visuelle Konzept mit den
Leuchtdioden bleibt erhalten. CM- 5 ist ein
mattschwarzer 2 Meter hoher rechteckiger
Monolith mit 32 Prozessoren, die aufgrund
des Baukastensystems bis auf 252 erweiter-
bar sind. Für die Los Alamos National
Laboratories verkoppelt Thinking Machine
Corporatione vier CM- 5 mit 1024 Prozesso-
ren. Es entsteht eine Rechnerarchitektur, die
wie eine um 90 Grad gekippte Treppe anmu-
tet. Während die CM- 2 zehn Milliarden (10
GigaFlop) Rechenaktionen in der Sekunde
bewältigt, kann die CM- 5 bei Ausschöpfung
ihres Baukastensystems an den TeraFlop- Be-
reich mit einer Billion Rechenschritte pro Se-
kunde heranreichen.

Auch die CM- 5 verdeutlicht durch Monumen-
talität ihre unglaublichen Rechenleistungen.
Bei allen Connection Machines entsteht der
visuelle Eindruck eines ständig fluktuieren-
den Stroms von Energie durch ein überdimen-
sionales elektronisches Gehirn. Das Design ist
ein Ausdruck der Begeisterung für ein vom
Menschen geschaffenes, ihn aber von seiner
formal- logischen Leistungen weit hinter sich
lassenden Superhirnes.

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