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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 16.1995

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Kolbe, Peter: Das Bindungsmodell virtueller Gegenständlichkeit - ein Beitrag zur Gestaltung von virtuellen 3D-Szenarien und Interaktionsräumen
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https://doi.org/10.11588/diglit.31840#0101

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5.3. Metaphern und virtuelle Gegenständlich-
keit

Das Bindungsmodell virtueller Gegenständ-
lichkeit soll durch eine ganzheitliche Über-
tragung mentaler Merkmalsklassen auf kor-
respondierende Eigenschaftsklassen einen
effizienten Umgang mit den 'virtuellen Ge-
genständen' einer virtuellen Welt erwirken.
Virtuelle Gegenständlichkeit bedeutet somit
keine zwanghafte Kopie von Realität, son-
dern Sicherung eines realitätsadäquaten
Handlungspotentials auf der Grundlage zu-
geordneter Merkmalsklassen.

Eine derartige Übertragung vollzieht sich of-
fensichtlich auch bei der Nutzung von Meta-
phern auf rein mentaler Ebene. „Metaphern
bestehen nach dem Alltagsverständnis zu-
nächst in einer verbalen Übertragung von
Sachverhalten, Zusammenhängen oder Be-
griffen in einen anderen Kontext, wobei eine
gewisse semantische Beziehung .. hergestellt
wird. .. Metaphern haben daher eine enge
Beziehung zu Analogien." Zugleich wird
unter Verweis auf Lakoff deutlich darauf
hingewiesen, daß „metaphorische Übertra-
gungen insbesondere in solchen Bereichen
stattfinden, die keine hinreichend eigene
Strukturierung und ein entsprechendes
Begriffsystem auffweisen. Hierunter fällt zum
Beispiel das Gebiet der Computer- und
Softwaretechnologie."[Kemke92, S.28f]

Auf die generelle Bedeutung der Metaphern-
Nutzung innerhalb des Denkens verweist ein
interessanter Diskussionsbeitrag von Helm.
„Eine Methapher ermöglicht es uns oft (üb-
rigens genau wie eine Analogie oder ein
Gleichnis) Wissen oder Erfahrungen aus ei-
nem Bereich (derQuelle) heranzuziehen, um
es in einem anderen Bereich (dem Ziel) nutz-
bar zu machen."

Im Zusammenhang mit der Fundierung des
Bindungsmodells virtueller Gegenständlich-
keit erscheint vor allem auch der Hinweis auf
die körperlich-gegenständliche Ausgangsba-
sis des Wissenserwerbs des Menschen wich-
tig, „... die Erfahrung seiner eigenen Körper-
lichkeit in einer physischen Welt. .. Noch be-
vor der Mensch beginnt zu denken, lernt er
im Spiel, sich und seine physische Umwelt zu
begreifen. Die in den ersten Lebensmonaten
gemachten Erfahrungen bilden damitdie (si-
cherlich oft kaum mehr wahrnehmbare) Ba-
sis aller intelligenten Prozesse. Begriffe der

räumlichen Orientierung stehen somit viel-
leicht am Anfang des (metaphorisch struktu-
rierten) Begriffsapparates. „[Helm 93, S. 74f],
Auf eine derartige 'Umweltverankerung'
unseres Begriffsapparates auf der elementa-
ren Ebene verweist auch Wrobel [Wrob91],
Die Metaphernbildung erscheint somit geeig-
net, neue abstrakte Wissensbereiche auf der
Grundlage einer virtuell-gegenständlichen
Analogiebildungen und mit Hilfe der Merk-
malsbindungen im Objektbegriff zu erschlie-
ßen. Sie erscheint somit geeignet als Verfah-
ren'für den Aufbau virtueller Werkzeuge und
Szenarien.

6. Informationelle Produkte - eine qualitati-
ve Beschreibung

Auf der Grundlage der Merkmalsklassifi-
zierung des Objektbegriffs sollen die Eigen-
schaften informationeller Produkte beschrie-
ben und ihre Unterschiede zu materiellen
Produkten analysiert werden.

6.1. Die Unterschiede auf funktionaler Ebene

Mit der Entwicklung dertraditionellen Werk-
zeuge von passiven, handgeführten Werk-
zeugen hin zu aktiven, handgesteuerten
Atomaten verändert sich die Funktionalität
der Werkzeuge grundlegend.

Mit der „Externalisierung von Funktionalität"
und der Schaffung von eigenständigem
'Verhalten' von künstlichen Produkten und
Systemen, verändert sich die Arbeits(auf)-
teilung zwischen Mensch und Werkzeug.
Diese 'gesplittete' Funktionalität bedingt eine
neue Qualität der Interaktion und Kommu-
nikation und damit zugleich eine neue Qua-
lität der Funktionskodierung mit Hilfe des
Erscheinungs- und Handlungspotentials. Diese
Art der Arbeitsaufteilung findet man bereits
bei traditionellen (materiellen) Automaten.
Bedingt durch die Trennung von Materialität
und Information kann - auf informationeller
Ebene - der 'Automatisierungsgrad' jedoch
ein solches Ausmaß erreichen, daß komplexe
Verhaltensweisen erreichbar werden. Damit
sind prinzipiell autonome Systeme realisier-
bar, die sich in virtuellen Umgebungen flexi-
bel 'verhalten' können.

Hier geht der 'Gebrauch' von Werkzeugen'
in eine 'Zusammenarbeit' über. Anstelle ei-
ner vorwiegend strukturellen, materiellen

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