Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 16.1995

DOI Artikel:
Nees, Georg: Der nackte und der modulare Mensch - Virtualität intra Realität
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31840#0138

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1.5 Insorption, Virtualität, Immersion

Was am Tage nicht gewußt
oder nicht bedacht,
durch das Labyrinth der Brust
wandelt in der Nacht.

Johann Wolfgang von Goethe

Wenn ich also wirklich bin, weil ich irgend-
wo weile, anderen begegnet bin, begegne,
oder begegnen werde, so bleibt doch eine
Variable noch unbestimmt: Wie, in welcher
Weise bin ich präsent? Ich kann z.B. träumen,
berauscht, hypnotisiert sein. Betrachten wir
zuerst den Traum!

Träumt der Mensch, so weilt er imTraumreich,
"im Labyrinth der Brust", wie Goethe sagte.
Man begegnet dort Bekannten, die längst
verstorben sind, spricht mit berühmten Men-
schen, die man nur aus der Zeitung kennt,
erfindet Traum-Partner völlig neu. Der
Mensch wirkt dort, tötet vielleicht. Er baut
Paläste und wohnt in ihnen. Für ihn gilt
Platons Wirklichkeitsbegriff. Sein Bewegungs-
spielraum hat natürlich besonderen Charak-
ter, er ist ein Unterraum des Gesamtraums der
Realität.

Wir bezeichnen den Traum als einen Modus
des Weilens, des Gegenwärtigseins, der Prä-
senz. Hier stoßen wir nun zum ersten Mal auf
die Möglichkeit, uns mit dem Zustand der
Virtualität, wie man ihn heute versteht, als
einem Modus der Präsenz bekanntzumachen.
Virtualität kann man ebenfalls als Teilraum
im Achsenschema verstehen, wie es in Abbil-
dung 4ja auch eingezeichnet ist. Betrachten
wir jedoch zunächst eine vereinfachte Vor-
stufe dieser Virtualität, nämlich Erlebnisse
durch die am Personalcomputer durchführ-
baren Abenteuerspiele, z.B. das bekannte
Spiel MYST. 17 Viele Charakteristika des
Träumens können durchaus auch der Versun-
kenheit zugeschrieben werden, in den der
engagierte Computerspieler leicht gerät.

Gelegentlich wird man im Traum gewahr, daß
man träumt. Im Normalfall aber, besonders
unter dem Alpdrücken, ist man vom Traum
regelrecht eingesogen. 18 Wer Spieler am Com-
puter beobachtet, oder besser selber gespielt
hat, wird die Ähnlichkeit der Versunkenheit
in die Spielwelt mit Traumerfahrungen be-
stätigen können. Diese Zustände unbefragten
Weilens bezeichnen wir als Insorption: Man

Das Phänomen der Insorption
Von e1was(z.B. SheriockHolmes) insorbiertd.h. qefesselt sein

Abb. 5. Virtualität intra Realität

136
 
Annotationen