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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 16.1995

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Oehlke, Horst: Darstellung des Nichtdarstellbaren
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https://doi.org/10.11588/diglit.31840#0161

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Horst Oehlke

Darstellung des
Nichtdarstellbaren

lch muß zugeben, daß mein Beitrag einen
eher essayistischen Charakter hat, als einen
wissenschaftlichen mit gehöriger Stringenz,
denn ich nähere mich den Phänomenen mehr
als Verständnis suchender Gestalter, denn als
Analysierender mit terminologisch abgesi-
chertem Rüstzeug, und das Ganze ist durch-
aus fragmentarisch angelegt. /I/ 121
lch versuche damit einen kleinen Kontra-
punkt zum thematischen Hauptstrom unse-
res Kolloqiums zu setzen.

Ich könnte auch sagen, ich will über „das
dünne Eis des Sichtbaren" reden, auf dem wir
uns als Gestalter zuweilen tummeln.

Mir geht es darum, Abhängigkeiten und
Grenzen zu zeigen, nicht unbedingt dingfest
zu machen, die im Strudel des Designens
heutzutage meist nicht mehr gesehen wer-
den und nicht bewußt sind.

Das berührt aber meiner Meinung nach spe-
zifisch gestalterische Fragen in ihrem Kern,
selbst wenn ich hier darauf verzichte, Paral-
lelen an Design-beispielen detailliert aufzu-
zeigen.

Die Fragen und Behauptungen meines The-
mas berühren außerdem die Möglichkeiten
der Darstellung von strukturellen Phänome-
nen mit Hilfe des Computers, weshalb sie hier
vielleicht nicht ganz unangebracht sind.

Bei der fälschlich sogenannten Kommunika-
tion zwischen Computer und Benutzer, sagen
wir daher besser, bei der Arbeit mit dem Com-
puter, liegt in der Herstellung von Analogie
oder Kongruenz oder überhaupt eines Zu-
sammenhanges von „Text" und „Bild", Be-
griff und Zeichen, doch wohl eine wesentli-
che Aufgabe gerade auch für das Design.

Zweifellos werden die von mir aufgeführten
Sachverhalte bzw. Phänomene und meine
Interpretation dazu nicht immer auf der glei-
chen Ebene der Abstraktion und im gleichen
Feld der Deutungsmöglichkeiten liegen.

Was sie zusammenführt, ist der Hinweis auf
die Offenheit, auch Widersprüchlichkeit von
Wahrnehmungsinhalten und begrifflicher
Substanz bzw. sprachlicher Fassung.

Das zeigt einerseits die bekannten Grenzen
der sinnlichen Wahrnehmung, worüber man
nicht reden müßte, aber sicher auch die Gren-
zen für Spekulationen zu ihrer Überwindung,
sagen wir einmal mit der „Hinterslicht-
führung" von Wahrnehmung im Sinne einer
sogenannten Virtuellen Realität (virtual
reality).

Es kommt darauf an, dieses Problem im Hin-
blickauf Realistik und Humanitätzu überden-
ken, einerseits. /3/

Zum anderen aber auch im Hinblick auf die
Konsequenzen für gestalterische Handlungs-
und Realisierungsmöglichkeiten im planen-
den, konzipierenden und entwerfenden Vor-
gehen.

Der Streit um Materielles und sogenanntes
Immaterielles, wohl eher Stoffliches und
Nichtstoffliches, kann hier beiseite gelassen
werden, da es für die aufgeworfene Frage
nicht so wesentlich ist, wie „immateriell" die
ihr zugrunde liegende Technologie verfaßt
ist.

Da wird kurzerhand etwas nicht mit Masse
Behaftetes gieich als immateriell verkauft,
weil es nicht in der dritten Dimension und
mit Volumen und Gewicht daherkommt, son-
dern nur in der zweiten aber sich dabei para-
sitär auf nur einen beschränkten Teil von Sinn-
lichkeit bezieht und menschlicher Existenz
iegt, den Visuellen.

Rein materiell Existierendes gibt es für die
menschliche Wahrnehmung ohnehin nicht.
Jegliche Wahrnehmung, Gegenstände, die
historisch überkommen sind , wie natürlich
auch aktuelle, existieren nicht ohne ideelle
Kontexte. Wenn der ursprüngliche zerstört
oder verloren gegangen ist, bildet sich ein
anderer oder er wird neu geschaffen in der
ständigen Dialektik von Bewahren, Vergehen
und Entstehen von Neuem.

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