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rutscht Mmist.

Illustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen.
—2-
Lentral-Grgan deutscher Kunst- und Künstler-Vereine.
2llle 14 Tage erscheint eine Nummer
Preis vierteljährlich 2.80 Mark.
Postzeitungsliste Nr. 1174.


Uv. 2. 16. Oktober 189?. II. Jahrgang.


Herausgegeben von
Georg MalkowMy.
Schristteitung und Verwaltung Berlin W.57, SkeinmeWr. 26.

Wilhelm Leibl.

Bon Mranz Hermann Meißner.

ifine Liebhaber-Aufnahme liegt vor mir. Lin halbdunkles
fl Zimmer in einem Lauern- oder Försierhaus mit Ge-
weihen an den Wänden und einem für die Landes-
gewohnheiten ungewöhnlich großen Fenster, von welchem
her das Licht müh-
selig im Kampf mit


Nun ziehe ich aus meiner Bibliothek ein Buch heraus und
fuche nach einer kleinen, sehr schlechten, sehr verwischten Zink-
ätzung darin. Wan mag gar nicht glauben, daß die hell-
getünchte Außenseite des Bauernhauses mit der kleinen Reihe
niedriger Fenster da-
rin und dem üppigen


w. Leibl. Bauernjägers Einkehr.

Weinlaub darüber im
Zusammenhang mit
der obigen nüchternen
Malerwerkstatt steht,
— daß der Mann
auf der Holzbank in
der Lodenjoppe, den
Wasserstiefeln, dem
breiten Filzhut, mit
der kurzen pfeife im
Munde derselbe ist,
dessen kehrseitige Be-
kanntschaft uns die
erste Abbildung be-
reits vermittelt. Und
doch ist's so. Und
ich glaube, man
brauchte nur in die
Augendesrauchenden
Bauern aufderHaus-
bank zu blicken, um
zu stutzen, — denn
da ist in dem nerven-
ruhigen Beobachten
von irgend Etwas
ein Kulturbewußtsein,
das der listigste Bauer
nicht hat.
Das ist das Drum
und Dran von Wilhelm Leibl's Menschendasein seit 25 Jahren
ungefähr, — das ist das äußere Bild eines modernen Künstler-
eremiten, der dem großen Franzosen Mittet und seiner Einsiedelei
zu Barbizon obenhin verwandt scheint. Und doch sind tief-
greifende Unterschiede zwischen Beiden. Lis auf das Schlag-
wort: „freiwilliges Vauernleben" — haben sie wenig gemein,
so oft sie aus Aeußerlichem auch mit einander verglichen werden.
Mittet war ein spät in die Kunst gekommener Bauernsohn, — ein
Emporkömmling des Landes, der in dem pariser Giftbauch aus

der Dunkelheit sich
drängt, ist zu sehen.
Es stellt eine Maler-
werkstatt vor. Im
Hintergrund sitzt auf
einem Holzgerüst in
der possirlichen „Ver-
zauberung" des Ge-
maltwerdens eine Ge-
stalt mit scharfge-
schnittenem und cha-
rakteristischem Gesicht,
nämlich kommerzien-
rath Seeger aus
Berlin, der bekannte
Dekorateur undkunst-
sammler mit dem
behenden und sicheren
Spürsinn für die vor-
nehmste Kunst. Von
dem Maler an der
Staffelei vor ihm
sieht man nur die
Rückenparthie des
kolossalen Oberkör-
pers, den kurz gescho-
renen, runden und
mächtigen Kopf mit
den sehr kräftig aus-
gebildeten Ohren, welche ihrer Art nach auf große Thatkraft schließen
lassen. Line breite fleischige Hand führt den pinsel. Der Rock
verdankt sein Entstehen augenscheinlich einem ländlich-ehrsamen
Schneidermeister. Mehr ist nicht zu erkennen. Man glaubt nur
aus bestimmten kleinen Zeichen schließen zu dürfen, daß der
Handlungsort dieses durch die Personen merkwürdigen, sonst aber
alltäglichen Vorgangs auf dem Lande zu suchen ist, — weit
draußen irgendwo in der weiten Welt, in jener Abgeschiedenheit,
wo nur der Mensch noch, nicht seine Manier Geltung hat.
 
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