Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
kulsrhr Hliilst.

Kriblatt: Kas Atelier.

Pllustrirte Zeitschrift für das gesummte deutsche Kunstschaffen.
Lentral-Grgan deutscher Kunst- und KünstlerMereine.

Alle 14 Tage erscheint eine Nummer.
Preis vierteljährlich 2.80 Mark.
Postzeitungsliste Nr. U74.

Herausgegeben von
Georg MalkowMp.
Schriflleilung und Verwaltung Berlin Vä.57, Steinmehstr. 26.

Inserate: 40 Pfennige für die 4ge-

Ur. AI

15. Angrrst 1898

II. Jahrgang

Publikationsorgan des Deutschen Knnstvercins in Berlin, des Schlesischen üunstvereins in Breslau, des Kunstvereins für das Groszhcrzogthum kessen in Darmstadt, des Anhaltischen Kunst-
vereins in Dessau, des würltembergijchen Kunstvereins in Stuttgart, des Schleswig-Holsteinischen Knnstvereins in kiel, der Kunstvereine in München, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Llberfeld, Barmen, Bielefeld, Görlitz, Danzig, Königsberg, Stettin u. a.

Josef Rösl.

Bon Mvitz Stahl.

WmDUan kann die jungen Maler, die sich seit einiger Zeit
auf das Kunstgewerbe gestürzt haben, und das
Publikum, das dieser modernen Bewegung verblüfft
und rathlos gegenübersteht, nicht besser belehren als
wenn man ihnen von Josef Rösl und seinem Schaffen spricht.
Worauf es eigentlich bei diesen Dingen ankommt, welche Anlagen
und welche Vorbereitungen einen Künstler befähigen, überhaupt
hier mitzuthun, das wird da an dem bestimmten Beispiel viel
klarer als durch jedes Theoretisiren.
Die Modernen rechnen ihn nicht zu den Ihrigen. Und sie
haben recht, wenn auch in anderem Ginne als sie meinen. Sie
rechnen ihn nicht zu den Ihrigen, weil er sich in anderen Formen
bewegt als denen, die ihnen als die allein seligmachenden gelten,
den anglisirenden. Er gehört nicht zu ihnen, weil er in einem
ganz anderen Geiste schafft. Die Diskussion über die Formen
hat Zeit; sie ist schließlich so unfruchtbar. Daß sie in dieser
modernen Bewegung eine große Rolle spielt, erweckt für deren
Zukunft keine freundlichen Hoffnungen. Suchen wir uns also
den Geist seines Schaffens klar zu machen!
Am unmittelbarsten fühlt man ihn, wenn man in dem
lieben kleinen Landhause weilt, das sich der Künstler auf der
Martinshöhe bei Ammerland erbaut hat, und in dem er seit
vielen Jahren den Sommer über verweilt. Für sich, und nicht
zur Repräsentation, sondern zum Gebrauch, hat er dieses sein
erstes Werk geschaffen. Hier lebt er in fortwährender Fühlung
mit der Ratur, in einem fortwährenden Studium ihrer Linzel-
formen bis in's Mikroskopische hinein; Garten und Wald sind
seine einzige Bibliothek, sein einziger Motivenschatz.
Da sind gleich zwei hauptsächliche Vorzüge seines Schaffens
angedeutet.
Was sind das für Leute, die heute, wenige Ausnahmen
zugegeben, uns eine neue Art zu wohnen geben wollen? Junge
Männer, meist aus kleinbürgerlichen Kreisen, die erst in einem be-
scheidenen oder gar ärmlichen Hause, dann als Akademiker in
dem üblichen möblirten Zimmer und in einem etwas gschnas-
mäßig aufgeputzten Atelier gelebt haben. Woher sollen sie den
Begriff der komfortablen Wohnlichkeit haben? Go etwas schöpft
man nicht aus der Tiefe des Gemüths. Besteller, die ihnen diesen
Mangel an Erfahrung, der sie ja durchaus nicht schändet, ersetzen
könnten, giebt es zunächst kaum, und sie sind gezwungen, für
die Ausstellung zu arbeiten. In diesem Jahr fand ich im
Katalog der Münchener Sezession folgende Nummer: Wolfers,

Brüssel, Sonnenaufgang: „Kanne und Waschbecken in krystall
und Silber". Daraus spricht, freilich in's Absurde gesteigert,
dieselbe Anschauung, derselbe Mangel an Sachlichkeit, der diesen
Künstlern eigen ist. Rösl ist im Gegensatz dazu der Hausvater,
der durch glückliche Verhältnisse weiß, was ein bequemes und
trauliches Heim verlangt, dem das Ausgehen vom Bedürfnis;
und das Streben nach Einfachheit, von denen die Anderen immer
reden und die ihnen künstlich konstruirte Prinzipien sind, deshalb
vom ersten Anfang an selbstverständlich und allein möglich war.
Er schuf zuerst für sich und die Seinen, er brauchte ans nichts
zu sinnen, was neu und auffällig sei und reizen könne. Und
als er später begann, für andere zu arbeiten, da war ihm diese
Gesinnung schon in INeisch und Blut übergegangen.
Wie von den eben erwähnten Prinzipien, so sprechen die
Modernen gern von dem Studium der Natur. Wie steht es
aber in Wahrheit damit? Man muß sich nur zuerst klar machen,
daß das Wort für den Kunstgewerbler einen ganz anderen Sinn
hat als für den Maler, vielleicht gerade den entgegengesetzten.
Cs ist kein Zufall, daß das Kunsthandwerk, wie die Geschichte
lehrt, nur so lange von der hohen Malerei befruchtet wurde, wie
diese mehr auf das Einzelne ging, und nicht mehr, als sie mehr
die Gesammterscheinung in's Auge faßte. Das Studium der
Natur, wie es unsere Maler treiben, befähigt durchaus nicht zu
einer dekorativen Verwendung der Formen. Die Blume, die sie
als Farbenfleck sehen, muß vom Kunstgewerbler als Orga-
nismus, als Individuum gesehen werden. Und weil die Wenigsten
den Muth haben, diesen langen Weg zu gehen, deshalb ist trotz
des äußeren Bruchs mit den alten Formen alles beim Alten ge-
blieben; es sind nur andere Bände der Bibliothek, die die
Modernen benutzen, statt der europäischen die japanischen Vorbild-
sammlungen. Man muß dem gegenüber einmal Rösl's Skizzen-
bücher angesehen haben, die eine stattliche Sammlung ausmachen.
Cs wäre richtiger, Studienbücher zu sagen, denn jedes Blatt ist
durchgeführt und fertig. Blumen und Blätter, Käfer und
Schmetterlinge, Vögel und Fische, alles ist bis in's kleinste be-
obachtet, und gerade dieses Detail ist es ja, worin man die
Prinzipien der Natur, das Mysterium des Organischen findet.
Jahr für Jahr, Tag für Tag zeichnet der Künstler so, auch sein
bevorzugtes Motiv, die Distel, studiert er an immer neuen
Exemplaren. Erst wenn man dieses Material gesehen hat, be-
greift man, woher das immer Lebendige und Fä-eie seiner Orna-
mente stammt und warum er niemals trocken ist. Und man
 
Annotationen