mischt Dunst.
Kriblatt: Has Atelier.
Zllustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen.
Zentral-Grgan deutscher Kunst- und Künstler Vereine.
preis vierteljährlich 2.80 Mark.
Postzeitungsliste Nr. 1174.
Herausgegeben von
Georg MalkowMp.
Schriftleikung und Verwaltung Berlin V/.57, Skeinmehstr. 26.
Publikationsorgan des Deutschen Kunstvereins in Berlin, des Schlesischen kunstvereins "in Breslau, des kunstvereins für das Grohherzogthuni Hessen in Darmstadt, des Anhaltischen Kunst-
vereins in Dessau, des würtlembergijchen kunstvereins in Stuttgart, des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins in Kiel, der Knustvereine in München, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Uv. 17.
20. Jinrr 1898.
II. Jahrgang.
Franz Skarbina.
Von Georg Nalkowsky.
HIMmer dereinstige Geschichtsschreiber der Kunst unserer Zeit
steht einer schwierigeren Aufgabe gegenüber als der
früherer Epochen. Die Gruppen innerhalb der künstler-
O-d schäft erscheinen nicht mehr schulmäßig lokal begrenzt,
sie bilden sich in freier Wahl unabhängig von Ort und Zeit,
feine, kaum erkennbare Fäden führen von der einen zur anderen
hinüber, und Persönlichkeiten, die für den ersten Blick allein und
ohne gegenseitige Fühlung " dastehen, rücken bei näherer Be-
trachtung in gemeinsamem Streben nahe zusammen.
Cs giebt keine Menzelschule, wie es keine Böcklinfchule
giebt, und beide Meister würden sich gewiß mit der ihnen
eigenen Energie dagegen sträuben, wenn man ihnen auch nur
den geringsten Theil modernen Kunstschaffens, wie etwa ein
Stückchen Naturalismus oder Symbolismus in die Schuhe
schieben wollte. Und doch ist der Einfluß überall bemerkbar.
Nicht ihre persönliche Einwirkung, sondern ihre Art zu sehen
und darzustellen hat nachhaltig angeregt und gefördert.
von den Berliner Künstlern gehören Fritz Werner und
Franz Gkarbina in die malerische Gefolgschaft AdolfMenzel's.
Beide selbstständig in ihrer Eigenart, können sie doch in ihren
Anfängen wie in ihrer späteren Entwickelung die Herkunft einer
Künstlerschaft nicht verleugnen, die sich bei Werner nord-
deutsch-berlinerisch begrenzt, bei Skarbina international aus-
weitet.
Skarbina's Werdegang ist ein überaus interessanter, weil
er als ein stetes Ringen nach neuen Ausdrucksmitteln für die
Darstellung der gestimmten Außenwelt erscheint. Historie, Land-
schaft, Architektur, Genre, Kultur- und Sittenbild, alle Gebiete
malerischen Schaffens hat er sich nach und nach erobert und auf
jedem eine eigene malerische Entwickelung durchgemacht.
Skarbina's Persönlichkeit ist von seinen Werken nicht zu
trennen. In sich gefestet, nimmt sie Alles in sich auf, um es
eigenartig zu verarbeiten. Man kann eine Menzeleske, eine
niederländische, eine französische Epoche in seinem Schaffen unter-
scheiden, und das ist um so leichter, weil jede mit dem längeren
und wiederholten Aufenthalte in Berlin, Belgien-Holland und
Paris zusammenfällt, aber mit solchen Aeußerlichkeiten ist für
die Betrachtung seines könnens wenig gewonnen, es kommt
darauf an, aus diesen Zufälligkeiten den stabilen Kern seines
Wesens herauszuschälen.
Cs ist für Skarbina's Kunst charakteristisch, daß sie inner-
halb dreier Dezennien trotz aller Wandelungen des Geschmacks
stets modern geblieben ist, nicht bewußt sich anbequemend und
den Modelaunen folgend, sondern immer im werden begriffen,
von dem Neuen das Gute ausnehmend und verwerthend. Der
beinahe Fünfzigjährige hat es noch heute zu keiner „Manier"
gebracht und ringt mit gleicher Frische der Natur ihre malerischen
Reize ab wie der Dreißigjährige, der dem Publikum seinen ersten
Erfolg mit dem sensationellen Motiv „Das Erwachen in der
Anatomie" Ende der siebziger Jahre abzwang. Das Bild war
scheußlich schön. Im kalten Morgenlicht auf einer sich ab-
schrägenden Fläche ausgestreckte Leichen, aus deren Mitte sich mit
schreckhaft geöffneten Augen der Leib eines Gcheintodten erhebt.
Das Gemälde war, wenn ich mich recht erinnere, bezeichnender-
weise in Lastan's Panoptikum ausgestellt, erregte angenehmes
Gruseln, fand den Beifall Gustav Richter's und weckte in mir,
der ich nach Beendigung meines kunstwissenschaftlichen Studiums
noch ganz unter dem Einfluß ästhetistrender Bilderbetrachtung
stand, aufrichtiges Entsetzen, wie konnte man so etwas malen!
Schade um das schöne Verständniß des menschlichen Körpers,
schade um die kunstvollen Verkürzungen, schade vor Allem um
die virtuose Behandlung des kühlen, gleichmäßig einfallenden
Lichtes! Skarbina hatte sich als zukünftigen Lehrer der Akademie
in der Anatomie angekündigt.
Ein längerer Studienaufenthalt in England ließ mich den
Künstler aus den Augen verlieren. Nach meiner Rückkehr im
Anfänge der achtziger Jahre fand ich ihn als einen Anderen
wieder. Unter dem Einfluß Adolf Menzel's war er zum histo-
rischen Sittenschilderer des Endes des vorigen Jahrhunderts ge-
worden. Die Zeit Friedrich's des Großen, Directoire und Em-
pire bildeten sein Stoffgebiet. Mit den Motiven hatte er die Technik
gewechselt. Noch ein wenig schwer im Kolorit, wenn es sich um
die Friederizianische Epoche handelte, wurde sein Farbenauftrag unter
dem Einfluß der Motive aus dem Ende des 18. Jahrhunderts leichter
und flüssiger. Die zart abgetönten Stoffe des Directoire und
Empire, die Hellen Interieurtöne dieser Zeitabschnitte hatten es
ihm angethan. Auch sein Empfinden hatte unter dem Einflüsse
des neuen Stoffgebietes eine Wandlung erfahren. Der Maler
der„Anatomie" hatte einen eigenthümlich sinnigen, fast sentimentalen
Zug angenommen. Das Liebesleben unserer Großeltern wurde
empfindsam geschildert, wie sie sich in einer „Lauserie intime"
kennen lernen, wie sie sich im „Seelenaustausch" finden, wie sie
ein „ernstes Wort" der Entscheidung sprechen, wie sie bei „Sonnen-
untergang" von einander scheiden. koloristisch genommen
Kriblatt: Has Atelier.
Zllustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen.
Zentral-Grgan deutscher Kunst- und Künstler Vereine.
preis vierteljährlich 2.80 Mark.
Postzeitungsliste Nr. 1174.
Herausgegeben von
Georg MalkowMp.
Schriftleikung und Verwaltung Berlin V/.57, Skeinmehstr. 26.
Publikationsorgan des Deutschen Kunstvereins in Berlin, des Schlesischen kunstvereins "in Breslau, des kunstvereins für das Grohherzogthuni Hessen in Darmstadt, des Anhaltischen Kunst-
vereins in Dessau, des würtlembergijchen kunstvereins in Stuttgart, des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins in Kiel, der Knustvereine in München, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Uv. 17.
20. Jinrr 1898.
II. Jahrgang.
Franz Skarbina.
Von Georg Nalkowsky.
HIMmer dereinstige Geschichtsschreiber der Kunst unserer Zeit
steht einer schwierigeren Aufgabe gegenüber als der
früherer Epochen. Die Gruppen innerhalb der künstler-
O-d schäft erscheinen nicht mehr schulmäßig lokal begrenzt,
sie bilden sich in freier Wahl unabhängig von Ort und Zeit,
feine, kaum erkennbare Fäden führen von der einen zur anderen
hinüber, und Persönlichkeiten, die für den ersten Blick allein und
ohne gegenseitige Fühlung " dastehen, rücken bei näherer Be-
trachtung in gemeinsamem Streben nahe zusammen.
Cs giebt keine Menzelschule, wie es keine Böcklinfchule
giebt, und beide Meister würden sich gewiß mit der ihnen
eigenen Energie dagegen sträuben, wenn man ihnen auch nur
den geringsten Theil modernen Kunstschaffens, wie etwa ein
Stückchen Naturalismus oder Symbolismus in die Schuhe
schieben wollte. Und doch ist der Einfluß überall bemerkbar.
Nicht ihre persönliche Einwirkung, sondern ihre Art zu sehen
und darzustellen hat nachhaltig angeregt und gefördert.
von den Berliner Künstlern gehören Fritz Werner und
Franz Gkarbina in die malerische Gefolgschaft AdolfMenzel's.
Beide selbstständig in ihrer Eigenart, können sie doch in ihren
Anfängen wie in ihrer späteren Entwickelung die Herkunft einer
Künstlerschaft nicht verleugnen, die sich bei Werner nord-
deutsch-berlinerisch begrenzt, bei Skarbina international aus-
weitet.
Skarbina's Werdegang ist ein überaus interessanter, weil
er als ein stetes Ringen nach neuen Ausdrucksmitteln für die
Darstellung der gestimmten Außenwelt erscheint. Historie, Land-
schaft, Architektur, Genre, Kultur- und Sittenbild, alle Gebiete
malerischen Schaffens hat er sich nach und nach erobert und auf
jedem eine eigene malerische Entwickelung durchgemacht.
Skarbina's Persönlichkeit ist von seinen Werken nicht zu
trennen. In sich gefestet, nimmt sie Alles in sich auf, um es
eigenartig zu verarbeiten. Man kann eine Menzeleske, eine
niederländische, eine französische Epoche in seinem Schaffen unter-
scheiden, und das ist um so leichter, weil jede mit dem längeren
und wiederholten Aufenthalte in Berlin, Belgien-Holland und
Paris zusammenfällt, aber mit solchen Aeußerlichkeiten ist für
die Betrachtung seines könnens wenig gewonnen, es kommt
darauf an, aus diesen Zufälligkeiten den stabilen Kern seines
Wesens herauszuschälen.
Cs ist für Skarbina's Kunst charakteristisch, daß sie inner-
halb dreier Dezennien trotz aller Wandelungen des Geschmacks
stets modern geblieben ist, nicht bewußt sich anbequemend und
den Modelaunen folgend, sondern immer im werden begriffen,
von dem Neuen das Gute ausnehmend und verwerthend. Der
beinahe Fünfzigjährige hat es noch heute zu keiner „Manier"
gebracht und ringt mit gleicher Frische der Natur ihre malerischen
Reize ab wie der Dreißigjährige, der dem Publikum seinen ersten
Erfolg mit dem sensationellen Motiv „Das Erwachen in der
Anatomie" Ende der siebziger Jahre abzwang. Das Bild war
scheußlich schön. Im kalten Morgenlicht auf einer sich ab-
schrägenden Fläche ausgestreckte Leichen, aus deren Mitte sich mit
schreckhaft geöffneten Augen der Leib eines Gcheintodten erhebt.
Das Gemälde war, wenn ich mich recht erinnere, bezeichnender-
weise in Lastan's Panoptikum ausgestellt, erregte angenehmes
Gruseln, fand den Beifall Gustav Richter's und weckte in mir,
der ich nach Beendigung meines kunstwissenschaftlichen Studiums
noch ganz unter dem Einfluß ästhetistrender Bilderbetrachtung
stand, aufrichtiges Entsetzen, wie konnte man so etwas malen!
Schade um das schöne Verständniß des menschlichen Körpers,
schade um die kunstvollen Verkürzungen, schade vor Allem um
die virtuose Behandlung des kühlen, gleichmäßig einfallenden
Lichtes! Skarbina hatte sich als zukünftigen Lehrer der Akademie
in der Anatomie angekündigt.
Ein längerer Studienaufenthalt in England ließ mich den
Künstler aus den Augen verlieren. Nach meiner Rückkehr im
Anfänge der achtziger Jahre fand ich ihn als einen Anderen
wieder. Unter dem Einfluß Adolf Menzel's war er zum histo-
rischen Sittenschilderer des Endes des vorigen Jahrhunderts ge-
worden. Die Zeit Friedrich's des Großen, Directoire und Em-
pire bildeten sein Stoffgebiet. Mit den Motiven hatte er die Technik
gewechselt. Noch ein wenig schwer im Kolorit, wenn es sich um
die Friederizianische Epoche handelte, wurde sein Farbenauftrag unter
dem Einfluß der Motive aus dem Ende des 18. Jahrhunderts leichter
und flüssiger. Die zart abgetönten Stoffe des Directoire und
Empire, die Hellen Interieurtöne dieser Zeitabschnitte hatten es
ihm angethan. Auch sein Empfinden hatte unter dem Einflüsse
des neuen Stoffgebietes eine Wandlung erfahren. Der Maler
der„Anatomie" hatte einen eigenthümlich sinnigen, fast sentimentalen
Zug angenommen. Das Liebesleben unserer Großeltern wurde
empfindsam geschildert, wie sie sich in einer „Lauserie intime"
kennen lernen, wie sie sich im „Seelenaustausch" finden, wie sie
ein „ernstes Wort" der Entscheidung sprechen, wie sie bei „Sonnen-
untergang" von einander scheiden. koloristisch genommen