rutscht Dunst.
Keiblatt: Has Atelier.
Zllustrirte Zeitschrift für das gesummte deutsche Kunstschaffen.
Central-Organ deutscher Kunst- und Künstler-Vereine.
Alle 14 Tage erscheint eine Nummer.
Preis vierteljährlich 2.80 Mark.
Postzeitungsliste Nr. 1174.
Herausgegeben von
Georg MalkowMp.
Schriflleikuug und Verwaltung Berlin 57, Sieinmrhstr. 26.
puhlikationsorgan des Deutschen Kunstvereins in Berlin, des Schlesischen Kunstvereins in Breslau, des Kunstvereins für das Großherzogthurn Hessen in Darmstadt, des Anhaltischen Kunst-
vereins in Dessau, des Württembergschen Kunstvereins in Stuttgart, des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins in kiel, der Kunstvereine in München, Dldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Görlitz, Danzig, Königsberg, Stettin u. a.
Ur. 12.
24. Marx 1898.
N. Jahrgang.
Die Dachauer.
F. F. v. Uhde, Alter Alaun.
Ausdrucksmittel der Nlalerkunst beruhen auf Gegensätzen; wenn man
genau zusieht, sogar nur auf zweien: hell, dunkel und kalt, warm. Der
'Äs' Gegensatz zwischen spitzer und breiter Behandlung oder scharfer und weicher
! liegt nicht ursprünglich im Wesen der Malerei, sondern in der Hand des
jeweiligen Künstlers.
Die fünf Maler, die jetzt zum ersten Male vereinigt als „Dachauer" an die
Oessentlichkeit treten, bedienen sich fast ausschließlich des Mediums kalt-warm; sie
haben die Endpunkte ihrer Valeurskala zwischen hell und dunkel sehr nahe zusammen-
gerückt, die Skala selbst auf ein Minimum eingeschränkt. Die Skala der Farbwerthe
zwischen kalt und warm haben sie um so reicher ausgebaut.
Das Resultat ist eine Malerei, die eminent viel Stil hat.
Cs gehört augenblicklich Charakter dazu, in Deutschland eine Arbeit heraus-
znstellen, die sich bewußt von jedem Liebäugeln mit „Naivetät" fernhält. Cs ist
sehr „modern" und seines Erfolges beinahe ganz sicher, sich den Anschein zu geben,
als ob man eigentlich kaum zeichnen und malen gelernt habe. Nietzsche hat das
Wort vom „Bildungsphilister" in die Welt gesetzt; nun, es giebt auch Kunst-
Bildungsphilister (die ungefährlicheren unter ihnen schreiben wenigstens nicht). Diese
Spezies von komo 8upien8 urtheilt nun augenblicklich, daß, wenn ein Künstler so
recht ungeschickt sich zeigt und dann gar noch anspruchslose ländliche Motive malt
— ja, da muß das doch tief, tief drinnen bei ihm sitzen! Man giebt sich so gern
den Anschein, als ob man bis in die innerste Seöle erregt werde durch ein Kunstwerk.
Daher die heilige Verehrung, wo man diese tief innerliche Naivetät zu wittern glaubt,
die uns Allen abgeht, unserer geistigen Entwicklung nach abgehen muß. Bezeichnend
für die innerliche Unwahrheit dieser Bewegung ist, daß ihre Anhänger kühnlichst die
großen Fontainebleauer auch zu den Naiven rechnen, sie, die alle Schulen durchlaufen
hatten, ehe sie dazu kamen, sich ihren Stil, voll Raffinement und komplizirtem
Empfinden, bewußt zu bilden.
Die fünf „Dachauer" sind in ihrer Kunst raffinirt bis zum Aeußersten; echte
Söhne ihrer Zeit, die nicht in Nirgendsheim ein beschauliches Cinsiedlerdasein führen,
sondern mit allen Fasern im Kämpfen, in der Entwicklung stehen. Bewußt suchen
sie Kunst, das heißt: Ausdruck ihres persönlichen Empfindens in einer Form, die
ihnen „die schöne" ist. Sie suchen diese Form zu höchster Vollendung zu steigern
und sie so zum prägnantesten Ausdrucksmittel für ihr Empfinden zu erheben. Sie
Alle haben die eben vorübergegangene Zeit des Ringens, den Naturalismus, schon
als reife Arbeiter, nicht als Lehrlinge mitgemacht. Die Kunstformel, die sie sich jetzt
bewußt zur Richtschnur gemacht haben, lag schon vor in allen 8rLnk3pc1 ^ople8 der
Alten. Auf der Unterdrückung der Tonwerthe und der reichen Differenzirung der
Farbwerthe beruht die gewaltige Dekorationswirkung, die uns in allen Galerien
alter Kunst in Bande schlägt. Die Anwendung dieser Formel auf modernes Kunst-
schaffen geschieht bei den Dachauern gleichzeitig mit den Führenden in allen Kunst-
ländern (Whistler, die Schotten, Brangwyn, Amman-Jean, Earriere). Die Anwendung
der Formel auf das durch den impressionistischen Naturalismus und die Einflüsse
der japanischen Kunst Errungene bringt den Stil der „Dachauer" zu Stande.
Keiblatt: Has Atelier.
Zllustrirte Zeitschrift für das gesummte deutsche Kunstschaffen.
Central-Organ deutscher Kunst- und Künstler-Vereine.
Alle 14 Tage erscheint eine Nummer.
Preis vierteljährlich 2.80 Mark.
Postzeitungsliste Nr. 1174.
Herausgegeben von
Georg MalkowMp.
Schriflleikuug und Verwaltung Berlin 57, Sieinmrhstr. 26.
puhlikationsorgan des Deutschen Kunstvereins in Berlin, des Schlesischen Kunstvereins in Breslau, des Kunstvereins für das Großherzogthurn Hessen in Darmstadt, des Anhaltischen Kunst-
vereins in Dessau, des Württembergschen Kunstvereins in Stuttgart, des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins in kiel, der Kunstvereine in München, Dldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Görlitz, Danzig, Königsberg, Stettin u. a.
Ur. 12.
24. Marx 1898.
N. Jahrgang.
Die Dachauer.
F. F. v. Uhde, Alter Alaun.
Ausdrucksmittel der Nlalerkunst beruhen auf Gegensätzen; wenn man
genau zusieht, sogar nur auf zweien: hell, dunkel und kalt, warm. Der
'Äs' Gegensatz zwischen spitzer und breiter Behandlung oder scharfer und weicher
! liegt nicht ursprünglich im Wesen der Malerei, sondern in der Hand des
jeweiligen Künstlers.
Die fünf Maler, die jetzt zum ersten Male vereinigt als „Dachauer" an die
Oessentlichkeit treten, bedienen sich fast ausschließlich des Mediums kalt-warm; sie
haben die Endpunkte ihrer Valeurskala zwischen hell und dunkel sehr nahe zusammen-
gerückt, die Skala selbst auf ein Minimum eingeschränkt. Die Skala der Farbwerthe
zwischen kalt und warm haben sie um so reicher ausgebaut.
Das Resultat ist eine Malerei, die eminent viel Stil hat.
Cs gehört augenblicklich Charakter dazu, in Deutschland eine Arbeit heraus-
znstellen, die sich bewußt von jedem Liebäugeln mit „Naivetät" fernhält. Cs ist
sehr „modern" und seines Erfolges beinahe ganz sicher, sich den Anschein zu geben,
als ob man eigentlich kaum zeichnen und malen gelernt habe. Nietzsche hat das
Wort vom „Bildungsphilister" in die Welt gesetzt; nun, es giebt auch Kunst-
Bildungsphilister (die ungefährlicheren unter ihnen schreiben wenigstens nicht). Diese
Spezies von komo 8upien8 urtheilt nun augenblicklich, daß, wenn ein Künstler so
recht ungeschickt sich zeigt und dann gar noch anspruchslose ländliche Motive malt
— ja, da muß das doch tief, tief drinnen bei ihm sitzen! Man giebt sich so gern
den Anschein, als ob man bis in die innerste Seöle erregt werde durch ein Kunstwerk.
Daher die heilige Verehrung, wo man diese tief innerliche Naivetät zu wittern glaubt,
die uns Allen abgeht, unserer geistigen Entwicklung nach abgehen muß. Bezeichnend
für die innerliche Unwahrheit dieser Bewegung ist, daß ihre Anhänger kühnlichst die
großen Fontainebleauer auch zu den Naiven rechnen, sie, die alle Schulen durchlaufen
hatten, ehe sie dazu kamen, sich ihren Stil, voll Raffinement und komplizirtem
Empfinden, bewußt zu bilden.
Die fünf „Dachauer" sind in ihrer Kunst raffinirt bis zum Aeußersten; echte
Söhne ihrer Zeit, die nicht in Nirgendsheim ein beschauliches Cinsiedlerdasein führen,
sondern mit allen Fasern im Kämpfen, in der Entwicklung stehen. Bewußt suchen
sie Kunst, das heißt: Ausdruck ihres persönlichen Empfindens in einer Form, die
ihnen „die schöne" ist. Sie suchen diese Form zu höchster Vollendung zu steigern
und sie so zum prägnantesten Ausdrucksmittel für ihr Empfinden zu erheben. Sie
Alle haben die eben vorübergegangene Zeit des Ringens, den Naturalismus, schon
als reife Arbeiter, nicht als Lehrlinge mitgemacht. Die Kunstformel, die sie sich jetzt
bewußt zur Richtschnur gemacht haben, lag schon vor in allen 8rLnk3pc1 ^ople8 der
Alten. Auf der Unterdrückung der Tonwerthe und der reichen Differenzirung der
Farbwerthe beruht die gewaltige Dekorationswirkung, die uns in allen Galerien
alter Kunst in Bande schlägt. Die Anwendung dieser Formel auf modernes Kunst-
schaffen geschieht bei den Dachauern gleichzeitig mit den Führenden in allen Kunst-
ländern (Whistler, die Schotten, Brangwyn, Amman-Jean, Earriere). Die Anwendung
der Formel auf das durch den impressionistischen Naturalismus und die Einflüsse
der japanischen Kunst Errungene bringt den Stil der „Dachauer" zu Stande.