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mische Knick.

Keiblatt: Dss Melier.

ZUustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen.
(Lentral-Organ deutscher Kunst- und Künstler Vereine.
preis vierteljährlich 2.80 Mark.
Postzeitungsliste Nr. 1174.


Herausgegeben von
Georg MMrcüuMp.
SchrMeikrmg und Verwaltung Berlin UV. 57, SieinmeWr. 26.

Uv. 15

15. Mar 1898.

II. Jahrgang


vom Dom zu Magdeburg.
Lin Beitrag zur christlichen Symbolik.
Von Haus Marshall.
II.

Z^^^on den übrigen vier Portalen ist namentlich die in den
nördlichen kreuzarm führende Paradiesthür mit großem
(L) Fleiße ausgeschmückt. Ihre allem Anscheine nach erst nach-
träglich angebaute Vorhalle, die zum Aufenthalte der
Lxkommunizirten während des Gottesdienstes bestimmt war, ent-
hält eine Reihe bemerkenswerther Statuen. Vorn zu beiden Seiten
des Eingangs stellt eine im Mittelalter sehr beliebte Symbolik,
die sich auch am Straßburger Münster Vorfindest die Personifika-
tion der christlichen Kirche dar, eine edle, rechts vom Lintretenden
stehende Frau mit Krone und Kelch, die der jüdischen Synagoge
gegenüber eine ,Frau mit verbundenen Augen, deren Aronstab
gebrochen ist, und deren linker Hand die Bücher des alten
Bundes entgleiten. Näher der Paradiesesthür stehen die fünf
klugen und die fünf thörichten Jungfrauen, jene weinend mit
leeren Lampen, diese freudig lachend mit brennenden Leuchten.
Trotz einiger anatomischer und proportionaler Mängel sind die
Figuren, die ihrem Stil und ihrer Bemalung nach dem 14. Jahr-
hundert angehören, geschickt gearbeitet und ihre Gewänder mit
Geschmack drapirt. Weitere Darstellungen des bekannten Gleich-
nisses (Matth. 24, 1—13), die man bereits in den Katakomben
findet, sind zu sehen am Portale des Domes zu Erfurt, der
Laurentiuskirche zu Trier, des Münsters zu Straßburg, der Se-
balduskirche zu Nürnberg u. a. m. In der Vogenfüllung über
der Thür ist eine ältere, in Sandstein zum Theil ganz erhaben
gearbeitete Skulptur angebracht, „die Himmelfahrt Mariae".
Engel tragen auf einer Bahre den Leib der Jungfrau empor
dem verklärten Sohne zu, daß er ihn wieder vereine mit der
Seele, die als eine kleine weibliche Gestalt mit betend zusammen-
gelegten Händen vom Heiland gehalten wird. Unten stehen um
ein Fvuerbecken und ein Räucherfaß, das die Gebete der Heiligen
symbolisirt (Off. Ioh. 5, 8), die Apostel, von denen durch ihre
Attribute kenntlich gemacht sind: links vom Anschauer aus Petrus
mit zwei Schlüsseln, Andreas mit dem kreuz, Jakobus der
Aeltere mit einer Pilgermuschel als Mantelspange, rechts Paulus
mit dem Schwerte, Johannes mit einem Palmenzweig, den er nach
dem aus dem vierten Jahrhundert stammenden Buche „Vom
Hingang Mariae" bei der Grablegung der Mutter Jesu voran-
getragen hat, Bartholomäus mit dem Messer und eine Gestalt,
vielleicht Judas Thaddäus, die in der einen Hand eine Tasche,
in der andern eine Keule trägt. Als Hauptperson tritt aus dieser
Gruppe nach der Mitte zu etwas vor Thomas, der den Gürtel

der unbefleckten Jungfrau in Händen hält. Der Skeptiker be-
zweifelte nicht nur die Jungfrauschast der Maria, sondern auch
ihre leibliche Auferstehung. Da fiel vom Himmel der Gürtel der
Jungfrau über seinen Arm und fortan glaubte er. Daher trägt
auf unserer Darstellung Thomas den Gürtel anstatt seiner
sonstigen Attribute, Lanze oder Winkelmaß. Die auf der Nord-
seile in das Rebenschiff führende Thür ist nur mit den Figuren
der beiden Schutzheiligen, Mauritius und Katharina, geschmückt,
während die ihr auf der Südseite entsprechende kleinere Thür
überhaupt keinen ^Ftgurenschmuck aufweist.
Reich und zuweilen von hohem, ja höchstem künstlerischen
Werthe ebenso als von kulturellem Interesse ist die plastische Aus-
schmückung des Dominnern. Zunächst haben zu ihrer sinnbild-
lichen Vertiefung die Kapitelle, die in den älteren Bautheilen
die romanischen Uebergangsformen aufweisen, einem grüblerischen
Schaffenstrieb übergenug Gelegenheit gegeben, so daß Säulen
und Pfeiler eine üppige Blüthenlese von religiös deutsamen
Lilderräthseln und Hieroglyphen tragen. Menschliche Köpfe und Ge-
stalten und Thierfiguren reden die geheimnißvolle Bildersprache des
christlichen Spiritualismus in einer Mannigfaltigkeit, die dafür
spricht, daß jedes Kapitell einen eigenen Meister zum mehr oder we-
niger selbstständigen Verfertiger gehabt habe. Ls sprudelt hier der
lebendige Springquell der Phantasie in verschiedenartigen Gebilden,
die sich, ohne von einem gemeinsamen Grundgedanken getragen zu
sein, nicht zu einem zusammenhängenden, allegorischen Bilde zu ver-
einigen vermögen. Dort kämpstn Vögel, dort bringen phantastische
Drachen, als Sinnbilder des mit sich selbst zerfallenen, gegen sich
selbst wüthenden Reiches der Finsterniß, dem eigenen Leib tödtliche
Wunden bei; dort reitet der Leibhaftige selbst, der ein Menschen-
haupt emporhölt, auf einein rnoristruin irFornre, iriAeris,
cui Irimen uclerriptum, und hier streitet ein Mann wider einem
Wolf, das Symbol der Ketzerei. Reineren Sinn als diese Dar-
stellungen des Unbeiligen hegen zwei Kapitellgebilde, von denen
das eine ein Bild der Verkündigung ist, das andere als Symbol
der christlichen Streiter, die sich von der Klugheit leiten lassen,
einen Llephanten zeigst der auf seinem Rücken einen Thurm mit
geharnischten Männern trägt. Am Hauptportale sieht man unter
dem Sturz der rechten Thür den Vogel Pelikan, der schon den
Kirchenvätern als Symbol für den Gpfertod des Heilandes am
kreuze gegolten hat. Rach 6p>ip>kuriiu8, 8 tödtet
nämlich das Pelikanweibchen seine Jungen durch seine Lieb-
 
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