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282

Deutsche Kunst.

kosungen; das Männchen kommt dazu, reißt sich mit dem Schnabel
die Brust auf und läßt auf die todten Jungen fein Blut nieder-
fließen, das sie wieder belebt. Im vridankes Bescheidenheit
S. 145 findet sich folgende Stelle als klare, christlich symbolische
Modifikation jenes alten naturgefchichtlichen Märchens:

„kdn vogei beiLSl psllicanos,
Oer Nuder 8io ju^en 8us:
Lin üerrekluol er in Zil
kirren unr er ror Zelir

Oer 8elbs Vo^ei geliLÜrsr isr
O5 cien ^nasäiAen Kri8t,
Oer oncfi den binsrn ror Isir
Onreb 8inen kinr,di6Üri8renk6ir."

sinnbildlicht. Auf ersterem stehen ein Jude und eine Jüdin neben
einer Sau, an deren Luter ein kleinerer Israelit wie ein Ferkel
saugt, auf letzterem erblicken wir zwei Bunde, die einen Hasen
verfolgen (die Heiden als Lhristenverfolger), einen Raubvogel,
der eine Taube in den krallen trägt (die Todtschläger), einen
Affen, der zur Inedel singt (Sinnbild des Teufels, Versuchers,
oder Zauberers), und endlich als Symbol der Hurerei ein
nacktes Frauenzimmer, welches auf einem Bocke reitet.
Wiederholungen finden wir unter den Skulpturen des Domes

Häufig, auch noch
in Darstellungen der
Renaissance und des
Barockstils wie über
einem Thore des
Dresdener Residenz-
schlosses, wird das
Nest des Pelikans
identifizirt mit der
Dornenkrone des Ge-
kreuzigten. Dem Pe-
likane im Magdebur-
ger Dome gegenüber
erscheint der Phönix
in seinem Neste, aus
welchem Flammen
hervorbrechen. Das
Symbol, welches mit
dem Vogel, der aus
seiner Asche schöner
erstanden ist, auf die
Auferstehung hin-
weist, trägt dieUeber-
schrift tenix umcu.
Beide Vorstellungen
kehren wieder als ka-
pitellverziernngen in
der Lrnestinischen Ka-
pelle des Domes; der
Pelikan allein ist
außerdem noch an-
gebracht auf dem
Epitaphium des
Domherrn Johann
L. Bothmar, der zur
Erbauung der noch
stehenden Kanzel 500
Goldgulden vermacht
hat. —
Endlich sehen wir
als drittes Symbol
an der Doppelthüre
die zweimalige Dar-
stellung eines Löwen,
der drei unter ihm
liegende Junge zu be-
schützen scheint. Will
man den Vers aus
Vridankes Beschei-
denheit
„Din leven lot ir üim AsbirN
Von de8 vMer Znime er lebende -vvirr.^
auf dieses Gebilde beziehen, so hätte man unter dem Löwen
den Erlöser zu verstehen, der die Seinen durch sein Wort zur
Wiedergeburt erweckt. Die drei angeführten Sinnbilder, Pelikan,
Phönix und Löwe, finden sich auch am Hauptportale der Lorenz-
kirche zu Nürnberg vor. Auch an den beiden südlichen Halb-
pfeilern der vom Schiff durch ein schmiedeeisernes Gitter getrennten
Vorhalle selbst, in die man durch das Hauptportal zunächst tritt,
sind die Kapitelle mit Bildwerken versehen, deren eines das
Iudenthum, das andere das Heidenthum mit seinen Lastern ver-

nicht selten. So be-
gegnen wir dem Peli-
kan noch einmal auf
einem Schlußsteine
des nördlichen Seiten-
schiffes, der heilige
Mauritius kehrt in
zwei Darstellungen
hinter dem Liturgie-
oder Iohannis-Altare
als Fahnenträger in
Alabaster gemeißelt
und in der Apsis an
den Pfeilern des Bi-
schofsganges als
Streiter mit gezücktem
Schwert wieder. An
den fünf Seiten des
Lhorschlusses endlich
stehen in kleinen Ni-
schen nochmals die
fünf klugen und die
fünf thörichten Jung-
frauen. Neben dem
heiligen Mauritius
befinden sich im Bi-
schofsgange noch süd-
lich von ihm der hei-
lige Innocentius, der
Fahnenträger in der
thebäischen Legion
und Nebenpatron der
Domkirche, nach Nor-
den zu auf der östlich
ausbuchtenden ge-
brochenen Linie einer
Aehneckshälfte Jo-
hannes der Täufer,
der vor der Brust
das Lamm Gottes
trägt, Petrus mit zwei
Schlüsseln, Paulus
mit dem Schwerte
und Anöreas, dessen
kreuz fast ganz fehlt.
Von Marienbildern
sind drei zu erwäh-
nen, von denen zwei
an den beiden Ost-
wänden des Ouer-
schiffes, das dritte an dem Pfeiler der Kanzel steht. Das älteste
von ihnen im südlichen Arme des Ouerschiffes ist diesmal auch
das beste und zudem eine rnurev mir-uculosu, d. h. eine
wunderthätige Mutter Gottes. Sie heilte nicht nur von Gicht
und Podagra, sondern auch von Dummheit. So befähigte sie
den Domschüler Udo, dem das Lernen recht schwer fiel, auf sein
inständiges Flehen, daß er bald seine Mitschüler überflügelte und
es bis zum Erzbischof von Magdeburg brachte. Udo soll sich
aber auch der Gunst einer irdischen Frau, der Aebtissin des
Klosters Lilienthal bei Buckau, erfreut haben und darum als
Verbrecher gegen das Gelübde der Keuschheit im Lhore des Domes


Der Lhor des Domes zu Magdeburg.
 
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