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mischt Kunst.

Beiblatt: Has Melier.

Zllustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen.
(Lentral-Organ deutscher Kunst- und Künstler Vereine.

Alle 14 Tage erscheint eine Nummer.
Preis vierteljährlich 2.80 Mark.
Postzeitungsliste Nr. 1174.

Herausgegsben von
Georg MalkowMy.
Schriftleilung und Verwaltung Berlin ^V.S7, Bkrinmehstr. 26.

Alle 14 Tage erscheint eine Nummer.
Inserate: 40 Pfennige für die ge-
spaltene Nonpareille-Zeile.


Uv. 16.

1. Juni 1898.

II. Jahrgang.

Germann Rüdisühli.
Bon Rsrl Nvummschev.

M^?ss hat seine eigene Bewandtnis mit den Schülern eines
großen Meisters, welcher mit seinem reichen Gefühls-
und Geistesleben die Mehrzahl seiner Zeitgenossen thurm-
hoch überragt, und nach dem Maßstab seiner Schaffens-
kraft in die höchsten Kulturaufgaben mit eingreift. Mag sich
ein solches Lehr- und Abhängigkeitsverhältniß noch so frei und
ideell gestalten, man wird meistens die Thatsache beobachten, daß
ein wirkliches Genie auf ein Talent zweiten Ranges innerhalb
seines Wirkungskreises nicht befruchtend, sondern erstickend wirkt.
Die großen Einsamen, wie sie Nietzsche nennt, haben genug mit
sich selbst zu schaffen, sie haben kein Interesse, zu den schwächeren
Individualitäten herab zu steigen, die Erfüllung ihrer großen
Mission läßt ihnen keine Zeit übrig, die Art jener verstehen zu
lernen, ihnen aus dem Schatze allgemein giltiger Erfahrungen
etwas mitzutheilen. Selten besitzen solche Künstlerheroen den Ehr-
geiz, junge Kräfte in ihrem Geiste heranzubilden; sie wissen,
wie problematisch es überhaupt im Künstlerberufe ist, einem
Andern etwas Positives beizubringen, es sei denn die große
Ehrfurcht vor der Natur, die ihnen allein als Richtschnur gedient
hat. Aber die Schaar abgöttischer Verehrer, Nachahmer und
Schüler, die jedes Wort aus dem Munde des Meisters wie eine
(Offenbarung nehmen, ist nicht fern zu halten. Cs liegt etwas
Berauschendes in dem Wesen jener Ausnahmemenschen, das auf
die Dauer vergiftend wirkt; an der Genialität des Stärkeren
gehen die meisten dieser schwächeren Nacheiferer thatsächlich zu
Grunde, nachdem sie in sklavischem Personenkultus ihr bestes
Ligenthum verschleudert haben und selbst der Natur, die sie nur
durch Vermittelung kennen lernen, mit Geringschätzung begegnen.
Um so mehr sind jene Wenigen anzuerkennen, denen das Vorbild
ihres Meisters nur ein Sporn zur Arbeit ist, um ihre Pulse zu
beschleunigen und eine beständige Anregung und Lrmuthigung,
der Natur noch beherzter, freier entgegenzutreten.
Von einem Böcklinschüler Rüdisühli haben wir in Deutsch-
land noch wenig gehört. In der Schweiz hat der Name des
Künstlers, der seine Ausbildung in Deutschland genoß, später
aber wieder nach seiner Heimath übersiedelte, einen guten klang.
Auf größeren deutschen Ausstellungen war er, so viel uns bekannt,
nicht vertreten; ausgenommen in der Münchener Internationalen
Ausstellung 1888, die er noch nicht als Anhänger Böcklin's
beschickte. Zur Zeit ist ein ganzer Lyklus seiner Arbeiten in dem
Berliner Gemäldesalon von C. Zaeslein ausgestellt. Das all-
gemeine Interesse, welches Künstler und Kunstfreunde an den
Werken Rüdisühlis nehmen, rechtfertigt es, wenn wir uns mit

dem typischen Schweizer und seinem Lntwtckelungsgang eingehend
beschäftigen.
Hermann Rüdisühli wurde 1862 in Lenzburg in der
Schweiz geboren. Seine ersten künstlerischen Eindrücke empfing
er im Llternhause durch seinen Vater, den Landschaftsmaler-
Lorenz Rüdisühli, dessen intim behandelte sonnige walöbilder in
allen Schweizer Museen Eingang gefunden, wandte sich aber zum
eigentlichen Studium nach Karlsruhe, wo er unter Leitung von
Ferd. Keller und Brünner arbeitete. Nachdem er 1888 zum ersten
Male in München ausgestellt und sich auf den verschiedensten
Gebieten versucht hatte, pflegte er ausschließlich die Landschafts-
malerei und gründete 1889 in Stuttgart eine Malschule, die all-
gemeinen Anklang fand. Nach einigen Jahren trieb es ihn jedoch
wieder in seine Heimath, und er wählte Basel zu seinem bleibenden
Aufenthalt, wo er mehr und mehr unter dem Einflüsse Vöcklins
zu schaffen begann, d. h. nicht als dessen eigentlicher Schüler,
denn Böcklin hatte schon seinen Wohnsitz nach Zürich verlegt,
sondern durch die vielen (Original-Schöpfungen des Meisters in
Privatbesitz und der Kunsthalle angeregt, zuletzt auch von der
Böcklin-Begeisterung der dort ansässigen früheren Schüler Sand-
reuter und Preiswerk mit fortgerissen, welche in der Basler Künstler-
schaft die führende Stellung einnahmen.
Die Gemälde, welche uns in Zaeslein's Kunstsalon vor-
geführt werden, stammen aus den verschiedenen Perioden seines
Schaffens und sind ebenso verschieden in der Behandlung wie in
der Güte. Noch unberührt von dem Geiste seines großen Lands-
mannes, sucht er in seinen früheren Bildern die schlichte Natur-
erscheinung festzuhalten. Diese Landschaften, mit feiner Natur-
beobachtung gesehen und wieöergegeben, wirken in ihren bescheidenen
vornehmen Reizen recht ansprechend. Eine blumige Wiese mit
verschleiertem Himmel, ein Buchenwald mit den schlanken, vom
Sonnenlicht gestreiften Baumstämmen, eine Gommerlandschaft mit
einem reifenden Kornfelde und dunklem Gebüsch sind für diese
Anschauung charakteristisch und lassen einen poetischen, zartbesaiteten
Künstler erkennen, der, durchaus selbstständig in seinem Empfinden
sich doch in gewissen Grenzen bewegt und nicht nach gewagteren
himmelstürmenden Problemen trachtet. Anders in seinen späteren
Schöpfungen, wo der Genius Böcklin's es ihm angethan hat, wo
er von seiner Phantasie — und nicht einer nachschreibenden,
nachempfindenden — den ausgiebigsten Gebrauch macht und seine
Nlärchenöichtungen und stilisirten Natureindrücke, die im Gegensatz
zu Böcklin nicht auf italienischem, sondern auf schweizerischem
Boden wurzeln, in glühende, ja brennende Farben taucht. Dieser
 
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