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nitschr Kunst.
Keiblait: Has Melier.

Zllustrirte Zeitschrift fiir das gesammte deutsche Kunstschaffen.
Zentral-Vrgan deutscher Kunst- und Künstler-Vereine.
Alle 14 Ta.-e erscheint eine Nummer HeMUSgegebeN VON 14 erscheint eine Nummer
Preis vierteljährlich 2.80 Mark. 2ZPNVU Inserate: 40pfennige für die 4ge-
postzeitnngsliste Nr. 1174. * spaltcne Nonpareille-Aeile.
Schrifkteilung und Verwaltung Berlin W.57, Skeinmehstr. 26.


Ur. 10.

13. Fevrrmi? 1898.

II. Jahrgang.

Nikolaus Geiger.

Bon Jarno Jessen-


en großen Künstler macht vor Allem die große Seele.
Für das LVaarenhaus Wertheim durste Melchior Lechter
als Symbol die launischste aller Göttinnen, die Mode,
malen. Ls steht schlimm

einer zehrenden Krankheit der letzten Jahre. Mit 49 Jahren,
als ihm nach heißem Ringen kaum des Lebens gutbesetzte Tafel
gedeckt stand, hat er abschließen müssen, „wenn er jetzt noch
reden könnte", sagt seine ver-

um die Kunst, wenn ihre
Jünger solchem Götzen huldi-
gen. vor wenigen Wochen
ist dem deutschen Volk in
Nikolaus Geiger ein Meister ent-
rissen worden, dessen Gottheit
das Ideal war. Lr gehörte zu
denen, die abseits von der Heer-
straße ihre Klause einrichten.
Hat ihn der Kampf um die
Cristenz auch unerbittlich immer
in den Dienst des Tages ge-
rissen, seine Schöpfungen sind
innerlich ungetrübt geblieben.
Rein und vornehm, wie er als
Mensch lebte, erschließt er sich
uns in seinem Werk. Ueber-
blicken wir Nikolaus Geiger's
Arbeit von dem „I^cce kiomo"
seiner Knabenzeit bis zu den ca.
dreißig Skizzen seines letzten
Tages, so überrascht und ent-
zückt uns der Nuancenrcichthum
seiner Lmpfindungsskala. Die
Inbrunst des gotttrunkenen Ka-
tholiken hat ihn erschauern lassen
wie die Leidenschaften desStaub-
gebornen. Lin bewegtes Pano-
rama seelischer Gebilde zeigt
ihn als Herrscher der Höhen
und Tiefen. Ihm ist nichts
Menschliches ferngeblieben, aber
cs wies ihn unfehlbar zur
Höhe. Line bedeutende Anzahl
vollendeter Schöpfungen, eine
Fülle kaum übersehbarer Ent-
würfe und Skizzen ist als seine
gesammte That hinterblieben.
Reiner Schaffensdrang zwang
ihn zu rastloser Arbeit trotz


Henni Geiger, Portraitbüste Nikolaus Geigers.

ständnißvolle Gattin, „würde er
nur klagen, daß er nicht weiter
zu schaffen vermochte."
Innerhalb der neuen Kunst
hat sich Nikolaus Geiger zu den
Modernsten gezählt, wir kön-
nen ihn als solchen nur unter
dem Gesichtspunkt eines aus-
gesprochenen Subjektivisten gel-
ten lassen. Lin Dogma hat
ihn niemals beschränkt. Den
Begriff der Antike als den des
„latenten Gefühlsausdrucks"
lehnte er energisch ab. winkel-
mann's Kanon der „stillen
Größe" darf an ihm nicht er-
probt werden. Geiger wollte
das starke Fühlen und'sFcine
starke Verkündigung. Zu La-
nova's, Rauch's hellenistrender
Gefolgschaft gehört er nicht.
Dennoch war auch er ein Epi-
gone, weil er trotz aller Natura-
lismen den Wohllaut der Linie
erstrebte. Und wohl allem künst-
lerischen Schaffen, daß sich,
wenn auch scheinbar unbewußt,
die Gesetze einer großen Ver-
gangenheit vererben! Ebenso
wenig zählt Geiger zu den
Anhängern des rauschenden
Barockstils unserer Schlüter- und
Begasschule. Jedoch auch hier-
finden sich häufig in dem ma-
lerischen Schwung vieler seiner
Schöpfungen verwandte Töne.
Die Fülle seiner Phantasie,
der von Jugend auf gewöhnte
dekorative Pomp katholischer
Umgebung und seine ausge-
 
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