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eiitschk Hlliist.

Keiblatt: Has Melier.
Zllustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen.
Lentral - Organ deutscher Kunst und Künstler Mereine.

preis vierteljährlich 2.80 Mark.
Postzeitungsliste Nr. U7'i.

Herausgegeben von
Georg MalkawMg.
Schrifkleilung und Verwaltung Berlin ^V.57, Btrimnehstr. 26.

Alle l4 Tage erscheint eine Nummer.
Inserate: 4V Pfennige für die ^ge-
spaltene Nonpareille-Zeile.

Publikationsorgan des Deutschen Kunstvereins in Berlin, des Schlesischen Kunstvereins in Breslau, des Kunstvcreins für das Droßherzogthum Hessen in Darmstadt, des Anhalllschen Kunst-
vereins in Dessau, des lviirNembergijchen Kunstvcreins in Stuttgart, des Schleswig - Holsteinischen Kunstvereins in Kiel, der knnstvercine in München, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera
Altenburg, Llberfeld, Barmen, Bielefeld, Görlitz, Danzig, Königsberg, Stettin n. a.

Ur. 23.

13. September 1898.

II. Jahrgang.

Ludwig Manzel.

Von Georg Malkowsky.

Skulptur, die Monumentalkunst im eigentlichen Ginne
des Wortes, trägt ein konservatives Clement in sich,
öas die Entwickelung ihrer Fwrmengebung wesentlich be-
einflußt. Der Alltäglichkeit durch ihre Stoffe entrückt,
auf die Verschönerung und Ueberhöhung der wirklichen Erscheinung
angewiesen, verfällt sie um der lieben Verständlichkeit willen leicht
einer konventionellen Formensprache, deren Wortschatz in steter
Überlieferung erstarrt. Vergeblich sucht die moderne Bildhauer-
kunst einerseits die Verbindung mit der griechisch-römischen Antike
aufrecht zu erhalten und andererseits an die spärlichen Ueberreste
einer bis über die Völkerwanderung zurückgreifenden nationalen
Vergangenheit anzuknüpfen.
Cs wird sich kaum leugnen lassen, daß die romanischen
Völker, die Franzosen und Italiener, zur Zeit die Führung in
der Bildhauerkunst übernommen haben. Ihren sinnlich realistischen
Neigungen entsprechend haben sie früher als wir den Anschluß
an die moderne Wirklichkeit gefunden. Für das Anmuthige des
Genrehaften, wie für das Erhabene des Monumentalen sind ihnen
allgemein verständliche Ausdrucksformen geläufig geworden, an
die wir uns wohl oder übel gewöhnen müssen. Die Belgier
sind ihnen gefolgt, ein Gran germanischen Geistes hinzuthuend,
die Form mit Denken und Empfinden füllend. Den Meunier
und Van der Stappen haben wir zur Zeit wenig Gleich-
werthiges gegenüberzuftellen. Meuniers „Denkmal der Arbeit"
verspricht ein gewaltiger Markstein zu werden in der Entwickelung
der modernen Skulptur.
wer die für die Skulptur refervirten Räume der Berliner
Ausstellung 1896 betrat, sah aus der Masse der Bildwerke einen
kühnen Aufbau emporragen, der die Aufmerksamkeit zwingend
fesselte. Ein gewaltig Weib in schlichter germanischer Gewandung,
den rechten Arm auf einen Anker gestützt, über der linken Schulter
eine Rae, deren Segel einen wirksamen Hintergrund für die
kräftigen Körperformen bildete, stand stolz aufgerichtet weit aus-
schauend auf dem Hinterdeck eines Schiffes, auf dessen Vordertheil
ein Merkur mit Flügelhut und Gchlangenstab saß, über den als
Adler gestalteten Vorderbug in die Ferne spähend. Ein nacktes
Meerweib schob den auf Felsen ruhenden kiel hilfreich in die
Wellen. Selten war „die Ruhe in der Bewegung", dieses un-
trügliche Merkmal echter Bilönerkunst, zu so packendem Ausdruck
gelangt. Noch lastet der kiel auf dem Riff, aber der weit aus-
gereckte Hals des adlerartigen Ungethüms, der vorgebeugte Körper
des Hermes, das leichte Nachschieben des Meerweibes lassen ihn
iin nächsten Moment hinausgleiten in die Wellen, schon ist der
Anker gelöst, die Segel sind schnell gefetzt, und zielsicher schwebt
das Schiff mit seiner kräftig-schönen Last über die Fluthen dahin.

Die Komposition war ungemein zwanglos und natürlich, linienschön
in der Seiten- wie in der Vorderansicht. Cs handelte sich um
den preisgekrönten Entwurf für einen Monumentalbrunnen an
den Hafenanlagen von Stettin. Das geplante Denkmal hat
eine an Wechselfällen reiche Vorgeschichte. Die Verwaltung des
Preußischen Kunstfonds hatte einmal etwas für die Kunst in
Pommern thun wollen. Die Eröffnung des Stettiner Freihafens
stand in einigen Jahren bevor. Cs wurden zunächst 76 OOO M.
bewilligt. Die unzureichende Summe bedurfte der Ergänzung.
Die Stettiner Stadtverwaltung fetzte'Alles in Bewegung, um in
den Besitz eines würdigen Kunstwerkes zu gelangen. Sie schrieb
eine Konkurrenz aus, übernahm die kosten des Unterbaues und
der Bafsinanlagen und suchte die Ausführung des Denkmals den
vorhandenen Mitteln anzupassen. Um die Herstellung des Modells
in natürlicher Größe zu ersparen, entschloß man sich, die Kolossal-
gruppe von der Firma Martin A Piltzing, Berlin, in Kupfer
treiben zu lassen.
Der Meister des Denkmals war über Nacht zu einem be-
rühmten Manne geworden, auf dessen Haupt sich die wohlver-
dienten Ehren häuften. Die Ausstellung seines Modells brachte
ihm die große goldene Medaille und den Ehrenpreis der Stadt
Berlin. Er wurde Mitglied der Kunstakademie und des Senats.
Man mußte sich an den Namen Ludwig Manzel's als eines
der hervorragendsten Vertreter moderner deutscher Bildnerkunst
gewöhnen.
Ludwig Manzel ist in Anklam 1868 geboren, besuchte das
Gymnasium und bezog dann die Berliner Kunstakademie, deren
Reorganisation soeben Anton von Werner übernommen hatte.
Nachdem er bei Paul Thumann zeichnen gelernt hatte, schloß er
sich enger an Fritz Schaper an. Der junge Künstler war mittel-
los und sah sich daher gezwungen, sich durch kleinere Gelegenheits-
arbeiten einen Nebenerwerb zu verschaffen. Er hatte einmal ent-
deckt, daß er ein gewisses Talent zum Karikaturenzeichnen habe,
und ward ein geschätzter Mitarbeiter humoristischer Blätter, wie
des „Dorfbarbier". „Ich habe mich in dieser Kunst eifrig aus-
gebildet und brauchte es nicht zu bereuen, denn ich konnte in den
vielen Jahren, wo mir die Bildhauerei eine brodlose Kunst war,
meinen Lebensunterhalt erwerben", erzählt der Künstler.
Das Jahr 1886 brachte den ersten Erfolg. Die Gruppe
„Am Wege" erregte durch Tiefe der Empfindung und maßvollen
Realismus der Auffassung Aufsehen. Eine blinde Frau sitzt in
ärmlicher Kleidung, einen Korb am Arm, an der Landstraße. An
ihrem Gchooße lehnt ein kleines Mädchen, erwartungsvoll nach
den Vorübergeheirden ausspähend, eine Rose in dem ausgestreckten
Händchen. Die Gruppe wirkte in ihrer Schlichtheit ungemein
 
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