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Deutsche Kunst.

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Aber öer Deutsche nimmt es nun einmal ernsthaft mit dem
Trinken, und so ist denn der dekorative Schmuck des Kneipsales
„Zur bunten Kuh" der ruhmvollen Vergangenheit der alten
Hansestadt gewidmet. Von der auf mächtigen Pfeilern ruhenden
Wölbung hängt das Modell der „Bunten Kuh" herab, des
Kriegsschiffes, auf dem Simon von Utrecht das Haupt der
Vitalienbrüder, den Seeräuber Stortebecker, gefangen einbrachte.
Die Gewölbgurten sind mit Wein und Blumengewinden bedeckt,
ans deren von Spruchbändeen durchzogenem Gerank Masken
und Wappen in buntem Gewirr auftauchen.
Die Fenster sind mit Tiroler Glasmalerei geschmückt, in

In öer „Schänke", die zur Aufbewahrung einer Fülle von
Trinkgefäßen in Schränken und auf kredenztifchen bestimmt ist,
hat der Maler Jordan das Gedeihen des Weines unter dem
Einfluß von Erde, Luft, Feuer und — leider auch Wasser
dargestellt. Im Uebrigen wird das Erdgeschoß durch die
wirthfchaftsräume und durch einen Theil des Archivs ein-
genommen.
Die Räume des parterregefchosses, vorwiegend für Ge-
fchäftsbureaus bestimmt, gruppiren sich um die mächtige Rath-
hausdiele, deren 16 Säulen ein Retzgewölbe tragen, das sich in
der Höhe wie Zweigwerk verästelt. Den unteren Theil der




Der Aaisersaal im Hamburger Rathhaus.

denen nach Kartons von Allers die drei Hauptfeehelden
Hamburgs, Simon von Utrecht, Ditmar Koel und Larpfanger
abgebilöet sind, seitlich von Darstellungen aus ihrem ruhmvollen
Leben flankirt, während die oberen Felder durch alte Ansichten
der Stadt ausgefüllt sind.
Linen anderen Trinkraum, den „Remter" hat Arthur Fitger
mit der humorvollen Darstellung des Trinkerhimmels geschmückt,
als dessen Insassen wir Hieronymus Jobs, Kaiser Wenzel,
Sokrates, Lucullus, Falstaff, perkeo, Noah und ein paar
Urgermanen bemerken. Ueber ihnen Allen aber waltet oberhalb
des Einganges herabfchwebend ein geflügelter, von anmuthigen
Putten begleiteter Genius, die Freude. Lin besonderer Raum
wird durch das Podest der Treppe gebildet, die zum Bürgerschafts-
Vestibül hinaufführt. Da sitzt im Zwickel der Lhrenlaube ein
Stadtvater in Schaube und Amtskette und um ihn herum zieht
sich die Inschrift: „Wer niemals einen Rausch gehabt, der ist
kein braver Mwnn".

Schäfte schmücken von Eichenlaub umkränzte Medaillons be-
rühmter Hamburger Bürger, während oben je zwei schmiede-
eiserne Halter als Träger kupferner Laternen mit elektrischem
Licht dienen. Lrwähnenswerth ist in diesem Theil noch der
„Brautgang" mit feinem eisernen Geländer, dessen Rosengewinde
ein Kupferschild umrahmen mit der Inschrift:
Ehret die Frauen, sie flechten und weben
Himmlische Rosen in's irdische Leben.
Das Hauptgefchoß enthält die Räume des Senats, der
Bürgerschaft und die Festfäle. Hier herrscht überall gediegene
Pracht. Besonders die Rathsstube, eine unveränderte Nach-
bildung des alten Sitzungssaales, athmet mit ihrer Eichentäfelnng,
deren Füllungen mit Hulbe'schen Ledertapeten bespannt sind,
ruhige Vornehmheit. Nur der Baldachin über den Sitzen der
Bürgermeister unterbricht mit der wunderbaren Stickerei in Gold
und Seide, die feine Hinterwand schmückt, den dunklen Ge-
sammtton.
 
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