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262

Deuts ch e k u u st.

selbstständig zur Steinmetzinnung zusammentraten, wenigstens
spricht für die Annahme, daß Bonensack kein Geistlicher gewesen
ist, seine eigene Gestalt, die als Denkmal in Stein nachgebildet
wie ein Kragstein eine Dreiviertel-Gäule am ersten südlichen
Pfeiler des Hauptschiffes trägt. Go fällt denn der Beginn des
großen Laues in die begeisterte Zeit der Kreuzzüge, der ersten

entrichtet hatten, durch dieselbe Thüre wieder in die Kirche ein-
geführt und absolvirt.
Der älteste Thell des Magdeburger Domes ist der hohe Chor
(Luncruurium, der, für den Gottesdienst der
kapitularen bestimmt, sich um 7 Stufen über das Niveau des
Schiffes erhebt und von den übrigen Theilen der Kirche durch

Blüthe deutscher
Dichtkunst, aber auch
in die sturmbewegten
Tage des Nieder-
ganges deutscher
Kaisermacht, in denen
Geldmangel und po-
litische Unruhen ver-
schiedentlicheStockun-
gen in der Bauar-
beit verursachten. Die
Fialen auf der Dach-
galerie des Domes,
das Maßwerk der
Fenster und die an
den Fensterwändcn
wie in der Nlitte der
(Qeffnungen stehenden
Rundstäbe mit Kapi-
tellen statt der nach
1500 in der Gothik
üblichen kleinen, ka-
pitelllosen Pfeiler mit
vielfachen Gliederun-
gen sprechen bestimmt
dafür, daß nicht lange
nach 1300 die ganze
Kirche fertig und die
Thürme biszurpälste
hoch geführt waren.
Der Grundriß der
Kirche ist der einer
kreuzförmigen, drei-
schiffigen Basilika mit
polpgon geschlossenem
Chor, zwei unvollen-
deten (Qstthürmen
neben dem (Quer-
schisse und zwei mäch-
tigen westthürmen.
An den südlichen
Arm des (Queischisses
schließt sich der Kreuz-
gang des Domst'ftes,
an den nördlichen das
später angefügte Pa-
radies. Bei der Cr-
wähnung des Para-
dieses sei einer Cere-
monie gedacht, die
wohl auch in Magde-
burg bestanden haben
mag. Aus derpara-
diesthür wurde am Aschermittwoch ein sündhafter Mensch, ein frei-
williger „Adam" gejagt, dem der Bischof die Werte nachrief:
„Siehe, heute wirst Du hinausgeworfen aus dem Gchooße Deiner
Mutter, der heiligen Kirche, wegen Deiner Sünden, so wie Adam,
der erste Mensch, ansgestoßen wurde aus dem Paradiese wegen
seiner Uebertretnng." war die Lußzeit des Ausgestoßenen, die
Fastenzeit, während der er barfuß und im Büßergewande,
obdachlos und von Almosen lebend nmherlief, ohne mit Jemandem
zu sprechen, verflossen, so wurde er am Grünen Donnerstag mit
anderen Büßern und Büßerinnen, die sich ihm freiwillig beigesellt
und ihre Ablaßsumme pränumerando an die Baukasse der Kirche

eine steinerne, im
Jahre 1445 erbaute
und mit zwei Ein-
gängen versehene
Wand, den Lettner
oder Lectorium, ab-
gesondert ist. wie
der Chor, schließt
auch derLhorumgang
in fünf Seiten, an
die gegen (Qsten Ka-
pellen vorgelegt sind,
polvgon ab. In ihm
hat auf der Mittelare
des Gebäudes der
Steinsarkophag der
Kaiserin Cditha, eine
Arbeit des 16. Jahr-
hunderts, Aufstellung
gefunden, rechts da-
von in der südlichen
Chorkapelle steht ein
seltsames, polvgones
Bauwerk, aus dün-
nen Steinplatten zu-
sammengefügt, das
auf schlichtem Altar
die sehr alterthüm-
lichen sitzenden Ge-
stalten (Qtto's und
Cditha's birgt. Die
Figuren sind
hoch und verrathen
im Faltenwurf und
in der Bemalung den
Stil des 15. Jahr-
hunderts. Das Ge-
wölbe des Chorum-
gangs ist reich belebt
durch verzierte Rip-
pen und Schlußsteine,
die ebenso wie der
Formenreichthum der
Pfeilerkapitelle so
stark an Maulbronn
erinnern, daß die
Thätigkeit eines Mei-
sters, der auch dort
.gearbeitet haben mag,
etwa um das Jahr
1220 mehr als wahr-
scheinlich ist. Man
begegnet aber neben
Frühgothischem im östlichen Theile des Domes auch einer auf-
fallend häufigen Verwendung antiker Formen, vor Allem dem
römischen Akanthusblatte, und unverstandener Wiedergabe des
antiken Kompositenkapitells, die möglicherweise ans den Trümmern
der früher auf gleicher Stätte befindlichen Baulichkeiten sich in
das Gefüge des neuen Domes mit eingeschlichen haben.
Im Jahre 1563 konnte endlich die Kirche, d. h. der Chor
und das mit allen Gewölben und Dächern vollendete Langhaus
geweiht werden, von den beiden Thürmen ist der nördliche mit
den unteren Theilen des (Querschiffes gleichzeitig begonnen worden,
der südliche erst 1310.
 
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