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Deutsche Kunst.

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kehrt er der Heimath den Rücken, um über Florenz weiter nach
Rom zu pilgern. Schon in Florenz fühlt er sich im Schauen
des Schönen derart ergriffen, daß er die Uffizien verlassen muß.
In Rom vollzog sich trotz seiner Cxistenzsorgen die Seelen-
wandlung. Lr sah in den Bildern der Galerien die Verkörpe-
rung der eigenen Lebensaufgabe. Von dem jungen Künstler jener
Tage erhaschen wir flüchtige Bilder, wir sehen ihn wie ein
zartes Mädchen von Böcklin und Begas zu Spaziergängen
energisch unter den Arm genommen, hören ihn zur Guitarre mit
tiefer, melodischer Stimme Lieder vortragen. Tin Liebesroman

seine ernsten künstlerbetrachtungen nieder. Vornehme Einfachheit
hat er als einziges kunstideal erkannt, und ein Grimm erfaßt
ihn über alle Theaterlüge deutscher Modemaler, ja die ihm früher
vorbildlichen Franzosen sinken zu „Spachtelmalern" herab. Sein
lustwandelnder „Dante" wird gleich einem Mozart'schen Andante
auf die Leinwand gezaubert und strahlt Palmas Goldton in
ruhigem Sonnenschimmer aus. während sein zum Gelderwerb
gezwungener pinsel Porträts, Madonnenbilder und Kindergruppen
malt, bannen bereits die Konzeption einer „Iphigenie", des „Gast-
mahls platos" und eine „Amazonenschlacht" seine künstlerische

A. Feuerbach. Dante und Francesca da Rimini, Melgemälde.
Original im Besitz der Kunsthandlung Fritz Gurlitt, Berlin.


mit Nana, jener schönen, römischen Schuhmacherfrau, knüpfte sich
damals an. Sie zog es schließlich vor, mit einem Lord das
weite zu suchen, aber ihr Antlitz, ihre Gestalt blieb der Künstler-
seele eingeprägt, und Feuerbach's Iphigenie, Medea, seine Eurydike
und Minerva tragen Nanas Züge. Auch auf einem feingezeich-
neten, aber koloristisch eintönigen Gruppenbild späterer Tage,
das er der Stiefmutter widmete, wiederholt er ihr Porträt im
Vordergrund. Er vereint die Römerin hier mit einigen seiner
weiblichen Lieblingsgestalten, der schönen Gesangskünstlerin E)r-
ganyi, einem Modell aus dem „Konzert", und läßt die anmuthige
Gesellschaft träumerisch in den Gärten der Villa Borghefe weilen.
Aber auch den reizbaren, einsamen Künstler finden wir in jenen
römischen Tagen. Schwermüthige Schatten auf den dunkelblauen
Augen, die feine Hand in seine schwarze Lockenfülle vergraben,
schreibt er auf „der gottbegnadeten Tafel des stillen Denkens"

Seele. Jahre hindurch haben alle großen Kompositionen an
seinem Fühlen gezehrt, und der Prüfstein eines Werkes war ihm
immer das Maß hingebender Liebe, das es aussprach.
Ein bedeutsames Werk, die „Pieta", das er zur Münchener
Ausstellung sandte, verschaffte ihm die Gönnerschaft des Grafen
Schack und damit eine sorglosere Existenz. Im Auftrage dieses
Mäcens malte er genrehafte Szenen, während seine Seele „mit
schreckbarer Gluth" nach großer Historie dürstete. Lr trennte sich
voller Dankbarkeit von dem hochherzigen Kunstfreund, weil er
den gebieterischen Forderungen der eigenen Brust folgen mußte.
Fern von der Heimath, seine unsterbliche Sehnsucht im Herzen,
fühlte er die Gestalt der priesterlichen Iphigenie in sich nach Ge-
staltung drängen. Im Jahre 1862 schuf er ihr Bild in vollen
Farbenakkorden, noch etwas romantisch-sentimental, um denselben
Vorwurf zehn Jahre später in der statuarischen Größe der antiken
 
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