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Deutsche Kunst.

Guido Reni's, den Rahmen mit Gcepter und Schwert um
das Porträt König August III. von Mengs, den Rahmen
um das Lhokoladenmädchen von Liotard, auf dem angebracht
ist, was ein Mädchenherz erfreut und beschäftigt, wie: ein
Sträußchen, Schmuck, ein Fächer, ein Strickzeug und ein
Beutelchen u. a. m. Aehnliche Stücke finden sich auch in
Lichtenwalde und Schloß Monbijou.
Heute geht man in dieser Richtung bereits zu weit und ist
in eine willkürliche Stillosigkeit verfallen. Ganze Büschel bron-
zierten Schilfes und dazwischen plastische Frösche und Sala-

mander kleben um einen Weiher, um eine Kreuzigung winden
sich Dornenranken, ja unsere Blumenmalerinnen scheuen sich nicht
einmal, Zweige ihrer Rosen und Nelken noch auf den Rahmen
zu malen. Solchen Ausschreitungen gegenüber ist die vornehme
Einfachheit der polirten böcklinblauen, dunkelrothen und grünen
Holzrahmen freudig zu begrüßen. Wenn sie ganz im Einklänge
mit dem Bilde stehen, vermögen sie, ohne ein überflüssiger
plastischer Kommentar zu sein, dessen Stimmung noch zu er-
höhen und eine wohlthuende Gesammtwirkung herbeizuführen, die
dem Bilde zu gute kommt.

Wandteppiche
^MMMilliam Morris, der Pionier einer künstlerischen Be-
Handlung des Gebrauchsgegenstandes, hat in einer
seiner zahlreichen theoretischen Abhandlungen gesagt:
„Was Du auch zur Ausschmückung Deiner Wohnung
thun magst, denke zuerst an die wand." Die Wand bezeichnet
die Stelle, wo der Raum aufhört. Sie gehört an sich nicht zu
ihm, und doch ist erst sie es, die ihn sichtbar macht, die ihn
schafft. Die Verhältnisse solcher Raumgrenze sind nicht gleichgiltig
für die Wirkung des Zimmers, und am wichtigsten ist die Be-
schaffenheit der Oberfläche in Bezug auf die Farbe. Die Papier-
tapete ist man geneigt als ein Zeichen von Aermlichkeit anzusehen
im Vergleich mit ihren kostbaren Vorgängern, den gewirkten
Stoff- und Ledertapeten, ganz zu schweigen von den künstlerisch
gestalteten Wandteppichen, mit denen frühere Jahrhunderte ihre
Paläste und Kirchen ausstatteten. Und doch ist das farbige
Papier an unseren Wänden nur eine von den vielen Ausdrucks-


Sxiegelrahmen mit Rocaitle-Werk. XVIII. Jahrhundert.

und Tapeten.
formen für die Thatsache, daß der Luxus sich allmählich aus-
zubreiten fortfährt, und einen gewissen Schmuck des Lebens als
selbstverständlich ansehen läßt in Kreisen, die einst sich mit der
Befriedigung der baren Nothdurft genügen lassen mußten, kein
Arbeiter würde heute in eine Stube mit rohem Kalkputz einziehen.
Die moderne Form des Nomadenlebens, welche das Zelt
durch die Miethswohnung ersetzt hat, bringt es mit sich, daß wir
die Wände, vor denen wir unsere Möbel aufstellen, als ein
Gegebenes ansehen, mit dem wir uns abzufinden haben. Der
Gedanke, daß nur die Uebereinstimmung von Form und Farbe
in der Ausstattung eines Zimmers ästhetisch wirken könne, bricht
sich langsam Bahn. Die Tapete spricht in jeder Farbenverbindung
mit, und jede Form muß sich erst gegen ihre Muster behaupten,
ehe sie den gewünschten Eindruck auf das Auge machen kann.
klar ist, daß unsere jüngste Geschmacksrichtung, welche sich
mit erneutem Eifer der Farbe zugewendet hat, viel mehr vor-
feindlichen Zusammenstößen widersprechender Nuancen auf der
Hut sein muß, als die vorhergehende Epoche, deren landläufige
Farbenskala mit einem Dutzend Bezeichnungen aufzählbar war.
Am leichtesten geht man dem Unfrieden aus dem Wege, indem
man eine einfarbige Wandbekleidung wählt, der man nur durch
einen abstechenden Rand nach oben, durch Leisten an den Ecken
oder in drittel Wandhöhe einen belebenden Gegensatz hinzu-
fügt. Solcher Vorschläge hat die Münchener Künstler- und
Handwerker-Gesellschaft, die unter dem Namen „Vereinigte Werk-
stätten für Kunst im Handwerk" ihre Wohnungseinrichtungen in
die Welt schickt, eine ganze Reihe zu machen. Da sehen wir
einen dunkelgrünen, starkrippigen Hanfstoff durch schmale Gold-
leisten gehoben, oder ein leichtes, graues Baumwollengewebe theils
glatt, theils gefaltet als Wandverkleidung benutzt, dazwischen
läuft ein brauner Holzfries, in den weiß und gelbe kacheln ein-
gelegt sind. In der That wirken diese Anordnungen trotz der
wohlfeilen Stoffe, die verwendet wurden, außerordentlich ruhig
und vornehm und lassen jeden Gegenstand, den man davorstellt,
nach seiner Eigenart zu Worte kommen.
So schiene es denn, als wenn die Tapetenfrage gelöst wäre,
und nur die Erwägung mag stutzig machen: Wie kamen frühere
Jahrhunderte mit ihren hochentwickelten kunstblüthezeiten zu ihrem
reichornamentirten Wandschmuck, wenn nun der einfarbige Stoff
als der Weisheit letzter Schluß erklärt werden soll? Ja unter
welchen Bedingungen kamen denn die Wandgemälde romanischer
Kirchen, die maurischen Wandfliesen, die Arras-Teppiche, die
Rafael für Leo X. entwarf, zur Verwendung? Brachte man sie
in kleine Räume, gefüllt mit hundert Dingen, wie der Tages-
gebrauch des neunzehnten Jahrhunderts sie verlangt? Nein, sie
erschienen in weiten Hallen, an hohen Wänden, wo das wenig
zahlreiche Geräth nicht hinaufreichte. Man konnte sie in richtigem
Abstand betrachten, von wo aus sie für sich allein eine dekorative
Wirkung übten.
Die Stofftapeten, welche für Privaträume von mäßigerer
Ausdehnung bestimmt wurden, zeigten allerdings auch ein Muster,
gegen das sich die Möbel und Bilder behaupten mußten. Aber
dieses Muster war gewebt und nicht gedruckt. Hier übte die
Technik ihre geheimnißvoll stilbildende Macht aus. Das Kreuz-
gewebe, indem es die Bildung fester Kontouren erschwert, giebt
 
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