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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1915)
DOI Artikel:
Düsel, Friedrich: Ernst Hardt und sein "König Salomon"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0081

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nrehr lyrisch-novellistischer als dramatischer, mehr ausschmückender als auf-
bauender Art ist. Schon sein Einakter „Mnon von Lenclos" verstrickte
sich in einer lyrischen Rhetorik, die die tragische Gestalt der unersattlichen,
am Ende von der Leidenschaft ihres eignen Sohnes gestraften Buhlerrn
nicht zur dramatischen Größe kommen läßt. Im „Tantris" schlägt dann
dieses aus dem Lyrischen geborene Pathos in eine krankhafte Fieberhrtze
um: Kraft wird zur Roheit, Liebe zur Brunst, und nichts in diesem das
innerste Leben der Sage ins Schwülstig-Barocke verkehrenden Stücke recht-
fertigt die Verbindung mit Schiller, dem Dramatiker des Willens und
der sittlichen Begeisterung, worauf doch dre doppelte Preiserteilung An«
spruch erhob. Es folgte die „Gudrun", nach einem üppig romanischen ein
herb germanischer Vorwurf. Auch hier noch brachte die schönheitsfreudige
Hand des Nachdrchters aus dem tzort der alten Sage eine Fülle schim«
mernder Kleinodien zutage, aber mehr noch als dort im srnnlich schwülen
Reich Frarr Isoldens war hier, wo der stählerne Odem des Nordmeers herr»
schen sollte, der ursprüngliche Sinn, die durchsrchtige Einfachheit der alten
Märe ins Moderne, Verzwickte und Gekünstelte entstellt, und die Gestalten,
die in der Sage so schlicht und schier dastehen, brachen bei dem Schüler
Stefan Georges und tzofmannsthals fast zusamnren unter der Last der
Motive und Ornamente, die er ihnen aufgebürdet hatte. Von dieser senti-
mentalen Äberladung brachte ihm auch „Schirin und Gertraude" keine
Genesung, jene parodistische Ritterkomödie vom Grafen von Gleichen und
seinen beiden Frauen, ein loses Zwischenspiel, das er sich offenbar als
Selbstkur verschrieben hatte: wo wir uns das nahrhafte Brot des tzumors
erwarteten, wurden wir mit dem Zierzucker verschnörkelter Witze und
Schäkereien abgespeist — nie zuvor war die spielerische Kräuselei der tzardt»
schen Dramatik so grell ins Licht getreten wie in diesem „Scherzspiel^.

Es ist eine bunte Gesellschaft, in der sich Ernst tzardts Dramatik bewegt:
die Kurtisane der Regencezeit, das Liebespaar des keltischen Mittelalters,
die treukeusche Maid der germanischen Vorzeit, der doppelt vermählte
Leichtfuß aus den Tagen der Kreuzzüge und jetzt, in seinem neuesten Drama,
der König Salomo! (Aufführung im Deutschen Künstlertheater zu
Berlin; Buchausgabe im Inselverlag.) Doch aus dieser Mannigfaltigkeit
der Zeiten und Stoffe soll ihm keine Spur von Vorwurf erwachsen. In
tzebbels Werk steht die alttestamentliche Rächerin Iudith neben der mittel»
alterlichen Dulderin Genoveva, die Agnes Bernauer neben der Rhodope,
die Mbelungentrilogie neben dem Demetriusbruchstück. Doch an dem
gerade, was alle diese verschiedenartigen Steine zusammenhält, fehlt es
bei tzardt: an der aufbauenden Kraft der dramatischen Idee, die nur aus
einer starken charaktervollen Persönlichkeit kommen kann. Wohl schimmert
diese tragische Grundidee auch bei ihm durch: im „Tantris^ der Fluch
der Untreue, die die Seele des Geliebten bis zur verhängnisvollen Un«
kenntlichkeit verzerrt, in der „Gudrun" der Widerstreit zwischen Liebe
und Treue, aus dem es kein andres Entrinnen als den Tod gibt, im
„König Salomo" die Geburt des tzerrscherberufs aus Entsagung und Selbst--
überwindung, die sich selbst den Stachel des Schmerzes und der tzärte in
die Brust bohren. Aber wie zerbröckeln, verfälschen und entwerten sich diese
Gedanken alsbald unter seinen tzänden! Wie geziert wirkt Frau Isolde,
wie verzwickt und verbogen gerät ihm Gudrun, wie puppenhaft und schön-
rednerisch dieser Thronanwärter Salomo!

König Davids, des Gottgeliebten, aber auch Sündenbeladenen, lehte


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