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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1915)
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Meyer, Conrad Ferdinand: Friede auf Erden
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0290

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Ltwas wLc GerechtigkeiL

Tvebt unö wirkt in LNorö unö Grauen.

Anö ein Reich will sich erbanen,

Das -en Frieöen sncht öer Gröe.

Alählich wirö es sich gestalten,

Seines heil'gen Aintes walten,

TVasfen schrnieöen ohne Fähröe,
Flainnrenschwerter sür öas Recht,

Anö ein königlich Geschlecht
Tvirö erblichn nrit starken Söhnen,

Dessen helle Tuben öröhnen:

Frieöe, Frieöe ans öer Gröe!

Lonraö Feröinanö Ake^er

Vom tzeute fürs Morgen

Dauernd Feldgra« für
Kriegsversehrte?

Ein Vorschlag

ch ging mit einer Dame durch die
Stadt. Sie Lrug Trauer, weil ihr
Vruder fiel. Es begegneten uns
viele Soldaten, sie grüßten meine
schwarze Begleiterin. Wie kamen
„wildfremde" Soldaten dazu, eine
Dame zu grüßen? Sie grüßten in
ihr den Schmerz, der in diesen Tagen
mehr als jemals adelt.

Ich erzählte das (Lrlebnis zu
Hause. Iemand sagte, man sollte
dann auch Gegenrecht gegen die Sol-
daten üben. Lr meinte, jeden
Kriegsversehrten, der uns begegnet,
follten wir grüßen. Lhrfurcht vor
Schmerzen sei das da wie dort.

Die Logik war scheinbar unab»
weisbar. Also haben wir sie grüßen
wollen auf der SLraße, die „wild-
fremden" Soldaten, die uns fröhlich
humpelnd oder einarmig entgegen-
kamen. Aber unsre Hand ist auf
dem Grußweg zur Stirne halbhoch
stehen geblieben. Gerade auf der
Höhe des Herzens. Da die Logik
schwieg, hat uns das Herz gesagt:
Was dem einen recht ist, ist dem
anderen nicht billig. Hinterher hat
such die Logik beigedreht und hat

vernunftgemäß erklärt, warum die
offne Ehrfurcht vor dem Schmerz im
einen Falle schön, im andern roh
erscheint. Ich weiß die Gründe kaum
mehr. Ich weiß nur, daß sie billig
find, nachdem das tzerz gesprochen
hat. Aber ein Grund, ich glaube,
es war ein Nebengrund, gab mir zu
denken: Denk dir diesen Gruß vor
Kriegsversehrten hinausgesponnen
über den Krieg, über die große Zeit
hinaus, hinein in Alltagsjahre —
glaubst du, daß der Einarmige, der
jetzt nicht mehr Soldat ist, der nicht
mehr feldgrau geht, noch nach einem
Dutzend Iahren auf Schritt und Tritt
erinnert werden möchte: „Aha, dir
fehlt ein Arm" ?

„Der nicht mehr feldgrau
geh L", — an diesem Satzteile blieb
ich hängen. „Geht er wirklich nicht
mehr feldgrau?" fragte ich. „Selbst-
verständlich," wurde mir erwidert,
„der einarmige Geschäftsbote nach
dem Krieg, der stelzbeinige Tischler,
der später den Sarg hobelt, wie er
selber einem knapp entronnen ist,
die gehören doch nicht mehr zum
Heer!"

Ich kann den Gedanken nicht los
werden, als sollten sie im Frieden
doch noch in gewissem Sinne zum
Heere gehören, der einarmige Ge-

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