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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1915)
DOI Artikel:
Natorp, Paul: Der Weg zum Frieden
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Brandes, Friedrich: Richard Straußens "Alpensymphonie"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0230

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Erinattung nach fast überrnenschlicher Anstrengung, vielleicht in der gefähr«
lichen Willensschwäche des Rausches eines am Lnde doch trügerischen
Siegesbewußtseins. Da erst werden wir der ernstesten Gefahr ins Auge
zu sehen haben, gegen die wir gar nicht früh und gründlich genug uns
wappnen können. Aber vielleicht wird dann gerade das uns halten, daß
wir, auch im Falle des glänzendsten Sieges, und besonders dann, im Zu«
stand täglicher Kriegsgefahr verbleiben werden. So wird die „heilige Not^
uns fort und fort in strenger Zucht halten, und wir werden uns dieser Zucht,
der wir bisher schon unser Bestes verdankten, zu unserem Heil auch ferner
mit ernstem Entschluß unterwerfen. Damit werden wir uns und die Welt
retten.

So groß, so ernst sehe ich unsere nationale Zukunftsaufgabe an. Das
seht den Glauben voraus, daß wir ihr gewachsen sein werden, den Glauben,
daß unser Tag, der „Tag des Deutschen", erst kommt. Diesen Glauben
haben wir. Der deutsche Aar ist nicht wie der Vogel der Minerva, der,
nach tzegel, erst mit der Dämmerung seinen Flug beginnt. Das war müde
Reaktionsstimmung. Der Kreis der Weltgeschichte schien sich zu schließen,
keine neue Lntwicklungslinie mehr absehbar! Das liegt heute weit, weit
hinter uns; kaum, daß wir uns da noch hineinempfinden können. Wir
fpüren das Morgenwehen eines neuen Tages nicht bloß für Deutschland,
sondern für die Menschheit. Mag er blutrot aufgehn, mögen dichte Nebel
noch von den Tälern hinanstreben, dem Siege des Lichts zu wehren — er
kommt, er kommt unausbleiblich. Wir aber grüßen ihn, mit einem Iauchzer,
wie der Gebirgssohn vom sonnbeglänzten Gipfel die erwachenden Täler
grüßt. Frieden kündet der Gruß „Frieden auf Lrden — den Menschen,
die gutes Willens sind!" Gutes Willens ist der Deutsche, treuherzig
leicht bis zur Selbstvergessenheit. Darum wird der Tag des Deutschen der
Tag des Friedens sein.* Paul Natorp

Richard Strautzens ^Alpensymphonie"

ichard Strauß hat, wie längst vorverkündigt, „Line Alpen »
symphonie" geschrieben, die am 28. Oktober in Berlin und zwei
^^Tage danach in Dresden unter den bei Strauß üblichen besonderen
Amständen in Szene gegangen ist. Die berühmte Dresdner Königliche Kapelle
hat sich und dem dirigierenden Komponisten wieder einen großen Lrfolg
erspielt.

Die Alpensymphonie ist eine mit allen Vorzügen der Straußi»
schen Meisterschaft und Sonderart auf gewissen Gebieten hergestellte Anter»
haltungsmusik in besserem Sinne, die ohne irgendwelche Anstrengung des
hirnes genossen werden kann. Einige stärkste Geräusche mögen das Ohr
kränken, und Leute, die nicht genügend aufpassen, vorübergehend erschrecken.
Moderne, wohldisziplinierte Geister kehren sich daran nicht, ja sie verlangen
danach. Was wäre das für eine moderne Musik, wenn sie nicht wenigstens
zuweilen erschrecken machte? Auch die Einfachheit will Pfeffer haben.

In dieser Symphonie gibt sich Strauß immerhin so einfach wie in keiner

* hiermit findet diese Anfsatzreihe ihren Adschluß. Alle vier Aufsätze
Natorps werden, zum Teil in erweiterter Fassung, als Dürerbundflugschrift
erscheinen. Die Lrörterung über die Friedensbewegung wird in den nächsten
Kunstwartheften fortgesetzt.
 
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