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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

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Heft 3 (1. Novemberheft 1915)
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Gurlitt, Cornelius: Die schönheitliche Zukunft Constantinopels
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Schmidt, Leopold: Übersetzung und Bearbeitung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0124

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Tor des Grundstückes beschritten hat. Das entspricht dem starken häus-
lichen Sinn der Türken, dem Wesen des Islam.

Unseru deutschen Städtebau beherrschen ähnliche Gedanken: Tausenden
ein Heim zu ermöglichen, das ihrer Volksart entspricht; nicht der Prunk
endloser vielstöckiger Fassaden, sondern die tzeimischkeit des Wohnens;
die Rücksichtnahme auch auf die Kleinen und Kleinsten unter den Volks«
genossen — das ist es, was den deutschen Städtebau, zum Beispiel nach
dem Arteil der Amerikaner, zum ersten in der Welt gemacht hat. Da must
Constantinopel einsetzen, um sich selbst und seiner Geschichte treu zu bleiben.

Wer in der»tzauptstadt der Türkei bauen will, der sollte vorher den
Nachweis liefern, daß er türkisches Wesen zu begreifen versucht hat. Er
muß suchen, aus der Vertiefung in den Geist des Ortes das diesem Ent-
sprechende zu schaffen. Nur der Künstler, der sich hierüber ausgewiesen
hat, gewinnt ein Recht, auf die Erscheinung Constantinopels Einfluß zu
gewinnen. Das Studium an dieser oder jener Akademie oder Hochschule
schafft das Recht nicht: Sie kann nur lehren den Geist des Ortes zu
suchen: dieser aber sei der Lehrmeister für das Schaffen am Goldenen
tzorn. Cornelius Gurlilt

Übersetzung und Bearbeitung

^ m den unleugbaren Mißständen abzuhelfen, unter denen das moderne
^ I Theater bei Aufführung fremdsprachlicher Opern leidet, beschloß der
^^Deutsche Bühnenverein im vorigen Iahr, innerhalb seiner Machtsphäre
für künftige Texteinheit der Abersetzungen zu sorgen. Durch Preisausschrei-
ben sollte die Teilnahme der berufenen Kreise für die Sache geweckt werden;
wird dann unter den eingelaufenen Arbeiten eine als die beste ausgewählt
und preisgekrönt, so sollen alle Bühnen verpflichtet sein, nur diesen Text
hinfort noch singen zu lassen.

Das Praktische des Gedankens leuchtet ein. Wer die Mängel der jetzt
üblichen Textübersetzungen kennt, weiß^ wie sehr der wahre Charakter
der Werke durch sie entstellt wird, und wie häufig es dem Sänger er-
schwert wird, dem musikalisch-dramatischen Ausdruck gerecht zu werden.
Die bekanntesten italienischen und französischen Opern — es sei nur an
Troubadour, Norma, Carmen, Fra Diavolo erinnert — bieten beweis-
kräftige Beispiele genug dafür. Noch schlimmer liegt der Fall, wenn es
von einem Werke mehrere Abersetzungen gibt, die gleichzeitig an den ver-
schiedenen Bühnen in Gebrauch sind. Der Studierende, der sich für die
Laufbahn des Opernsängers vorbereitet, sieht sich vor eine peinliche An-
gewißheit gestellt, und bei dem beständigen Austausch der Mitglieder
wie bei Aushilfsgastspielen herrscht in solchen Werken ein textliches Durch-
einander, das nur durch ein erheblich gesteigertes und deshalb nicht immer
mögliches Maß von Arbeit geklärt werden könnte. So dringlich nun aber
das praktische Bühnenleben nach einer Ordnung dieser Dinge verlangt,
so schwer ist es, den rettenden Gedanken in die Tat umzusetzen. Gleich
der erste Versuch, den der Bühnenverein unternommen hat, der Versuch,
Mozarts ^Don Giovanni" in einer einwandfreien Abersetzung herstellen
zu lassen, hat diese Schwierigkeit nur zu deutlich dargetan. Wie muß
eine „gute" Abersetzung beschaffen sein? And wer entscheidet, welche
die beste unter allen zu prüfenden ist? Offenbar wäre es das Richtigste,
diese Entscheidung den Bühnenleitern anheimzustellen, die nachher ge-

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