schaft willen müsse sie das Opfer
bringen. Vom Andrerseits aus wird
zum „Opfer", was vom Linerseits
aus gesehn als „Anrecht" und „Be--
lohnung" erschien. Eine gewisse wei-
tere Lockerung des Familienlebens
im ganzen sei unvermeidlich, aber
die durch den Krieg geschaffene Lage
in Industrie, Handel usw. lasse uns
keine Wahl.
Wir stehn damit vor der Frage:
Familie oder Industrie, Handel
usw. ? (Man darf nicht sagen: Fa--
milie oder Volkswirtschaft,
denn zur Volkswirtschaft gehören
auch die Familienwirtschaften, ihre
Gesundheit ist volkswirtschaftlich nicht
weniger wichtig als die der geschäft-
lichen Anternehmungen.) Es ist nun
auffällig, daß man an sehr vielen
Stellen ohne weiteres der Industrie,
dem Handel usw. den Vorrang und
das Vorrecht gibt: ihrem Vutzen hat
die Frau sich anzupassen^ weil sie
es erfordern, muß sie den Haus--
frauenberuf wohl oder übel zur Ne--
bensache werden lassen.
Aber es ist auch die andre Ent--
scheidung möglich: eine gesunde
Frauenwelt, deren Körper und Ner--
ven nicht durch die aufreibenden An-
strengungen der gewerblichen Be-
rufsarbeit zerstört sind, und ein ge-
sundes Familienleben, das in uns-
rer verwickelten Zeit geradezu eine
Art Kunst, wenn man will, eine Art
Wissenschaft geworden ist, bilden die
Grundbedingungen der Gesundheit
unsres Volks- und Kulturlebens, und
damit auch unsres staatlichen Lebens.
Diese Gesundheit hat einen so un-
vergleichlichen, dauernden Wert, daß
das Wohlergehn unsrer Rnterneh-
mungen, so wichtig es auch ist, zu-
rückstehn muß. Erst gesunde Men-
schen und gesundes Menschenleben,
dann Weltindustrie und Welt-
handel.
Wer so wertet, der wird, allen
scheinbaren „Botwendigkeiten" zum
Trotz, die wirtschaftlichen Maßregeln
möglichst so wünschen, daß sie der
Frau die Möglichkeiten des Fami-
lienlebens offen halten und den
Iwang, in die Fabriken zu gehn,
verringern. Er nimmt es lieber mit
in Kauf, daß unsre Industrie nach
dem Krieg langsamer wächst — in
diesem „Langsam" steckt vielleicht ge-
rade ein Zwang zur wirtschaftlichen
Gesundheit —, daß unser Reichtum
langsamer zunimmt — in dresem
„Langsam" steckt ganz gewiß die Nö-
tigung zur sozialen Gesundheit. Ist
aber die Zahl der fehlenden Hände
allzu groß und sind die Aufgaben
aus Sicherheitsgründen allzu drän-
gend — nun, dann werden wir einen
Teil der gefallenen deutschen Arbei-
ter vorübergehend durch ausländische
Arbeiter ersetzen können. Lieber eine
Zeitlang das Hin- und Herfluten
von fremden Arbeitermassen, als den
Ausblick auf eine herannahende Ent-
artung unsres Volkes und Volks-
lebens!
Die Frage ist sehr ernsthaft. Sie
ist mit empirischen volkswirtschaft-
lichen Antersuchungen allein nicht
zu lösen, denn sie ist letzten Endes
eine Wertungsfrage. Sie wen-
det sich also nicht an den Verstand
allein, sondern auch an das Ge-
wissen, an den „Instinkt" und noch
an andres. Nur ein Volk mit ge-
sundem Wunsch- und Triebleben
wird richtig entscheiden. St.
Das Lazarett als Volksge-
sundheitsschule
n unsern Lazaretten befinden sich
neben einer großen Zahl Verwun-
deter mit offenen Wunden eine ganze
Reihe Geheilter, die oft Monate nach
Heilung der eigentlichen Verwun-
dung zurückbehalten werden, um an
geeigneten Einrichtungen, die nur
in den Lazaretten zur Verfügung
stehen, den Gebrauch der verwunde-
ten und zum Teil gelähmten oder
steif gebliebenen Glieder wieder zu
lernen. Wir haben hier also Fälle,
bringen. Vom Andrerseits aus wird
zum „Opfer", was vom Linerseits
aus gesehn als „Anrecht" und „Be--
lohnung" erschien. Eine gewisse wei-
tere Lockerung des Familienlebens
im ganzen sei unvermeidlich, aber
die durch den Krieg geschaffene Lage
in Industrie, Handel usw. lasse uns
keine Wahl.
Wir stehn damit vor der Frage:
Familie oder Industrie, Handel
usw. ? (Man darf nicht sagen: Fa--
milie oder Volkswirtschaft,
denn zur Volkswirtschaft gehören
auch die Familienwirtschaften, ihre
Gesundheit ist volkswirtschaftlich nicht
weniger wichtig als die der geschäft-
lichen Anternehmungen.) Es ist nun
auffällig, daß man an sehr vielen
Stellen ohne weiteres der Industrie,
dem Handel usw. den Vorrang und
das Vorrecht gibt: ihrem Vutzen hat
die Frau sich anzupassen^ weil sie
es erfordern, muß sie den Haus--
frauenberuf wohl oder übel zur Ne--
bensache werden lassen.
Aber es ist auch die andre Ent--
scheidung möglich: eine gesunde
Frauenwelt, deren Körper und Ner--
ven nicht durch die aufreibenden An-
strengungen der gewerblichen Be-
rufsarbeit zerstört sind, und ein ge-
sundes Familienleben, das in uns-
rer verwickelten Zeit geradezu eine
Art Kunst, wenn man will, eine Art
Wissenschaft geworden ist, bilden die
Grundbedingungen der Gesundheit
unsres Volks- und Kulturlebens, und
damit auch unsres staatlichen Lebens.
Diese Gesundheit hat einen so un-
vergleichlichen, dauernden Wert, daß
das Wohlergehn unsrer Rnterneh-
mungen, so wichtig es auch ist, zu-
rückstehn muß. Erst gesunde Men-
schen und gesundes Menschenleben,
dann Weltindustrie und Welt-
handel.
Wer so wertet, der wird, allen
scheinbaren „Botwendigkeiten" zum
Trotz, die wirtschaftlichen Maßregeln
möglichst so wünschen, daß sie der
Frau die Möglichkeiten des Fami-
lienlebens offen halten und den
Iwang, in die Fabriken zu gehn,
verringern. Er nimmt es lieber mit
in Kauf, daß unsre Industrie nach
dem Krieg langsamer wächst — in
diesem „Langsam" steckt vielleicht ge-
rade ein Zwang zur wirtschaftlichen
Gesundheit —, daß unser Reichtum
langsamer zunimmt — in dresem
„Langsam" steckt ganz gewiß die Nö-
tigung zur sozialen Gesundheit. Ist
aber die Zahl der fehlenden Hände
allzu groß und sind die Aufgaben
aus Sicherheitsgründen allzu drän-
gend — nun, dann werden wir einen
Teil der gefallenen deutschen Arbei-
ter vorübergehend durch ausländische
Arbeiter ersetzen können. Lieber eine
Zeitlang das Hin- und Herfluten
von fremden Arbeitermassen, als den
Ausblick auf eine herannahende Ent-
artung unsres Volkes und Volks-
lebens!
Die Frage ist sehr ernsthaft. Sie
ist mit empirischen volkswirtschaft-
lichen Antersuchungen allein nicht
zu lösen, denn sie ist letzten Endes
eine Wertungsfrage. Sie wen-
det sich also nicht an den Verstand
allein, sondern auch an das Ge-
wissen, an den „Instinkt" und noch
an andres. Nur ein Volk mit ge-
sundem Wunsch- und Triebleben
wird richtig entscheiden. St.
Das Lazarett als Volksge-
sundheitsschule
n unsern Lazaretten befinden sich
neben einer großen Zahl Verwun-
deter mit offenen Wunden eine ganze
Reihe Geheilter, die oft Monate nach
Heilung der eigentlichen Verwun-
dung zurückbehalten werden, um an
geeigneten Einrichtungen, die nur
in den Lazaretten zur Verfügung
stehen, den Gebrauch der verwunde-
ten und zum Teil gelähmten oder
steif gebliebenen Glieder wieder zu
lernen. Wir haben hier also Fälle,