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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1915)
DOI Artikel:
Strnad, Oskar: Soldatengräber und Kriegsdenkmale
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0182

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In den Kriegsdenkmalen wird also etwas Abersinnliches, über der
Natur des einzelnen Stehendes ausgesprochen. Sie dürfen daher nichts
vom Alltäglichen an sich haben. Das Abernatürliche, Abersinnliche ver-
langt nämlich einen Maßstab, der unter keinen Umständen der Maßstab
jener Dinge ist, die in unmittelbarer Berührung mit dem Menschen und
seinem täglichen Leben stehen, wie Haus und Gerät. Der Maßstab des
Denkmals ist der Maßstab der Natur; ihn zu bestimmen und zu finden,
ist die Aufgabe des Künstlers, der das Denkmal zu entwerfen hat; aber
irgendwo muß es doch für den Menschen meßbar werden, es darf nicht
wie von Riesen gebaut erscheinen, man muß die Menschenhand, auch
wenn sie Gigantisches leistet, erkennen. In der Fähigkeit, das zu bilden,
zeigt sich die Größe des Künstlers; es sagen oder bestimmen zu wollen,
ist unmöglich. Ls ist die eigentliche Inspiration, die nur manchmal da
ist. Ein falscher Maßstab kann einen an und für sich guten Plan ganz
unmöglich machen. Der Maßstab der Natur kann durch die Weite der

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Fläche, durch die tzöhe der Berge oder durch das eigentümliche Maßver«
hältnis des Luftraumes um das Denkmal bestimmt werden. Es ist die
schwierigste und die verantwortungsvollste Aufgabe bei einem Lntwurf
für ein Denkmal. In den Beratungsstuben, wo gewöhnlich über einen
Denkmalentwurf entschieden wird, ist man kaum jemals in der Lage, ein
richtiges Urteil gerade über diese Frage zu fällen. Der ganz sichere und
wirklich urteilsfähige Künstler ist allein imstande, derartige Entscheidungen
zu treffen. Nicht die Form an und für sich gibt den Ausschlag, auch nicht
die zufällige Symbolik durch figürlichen Schmuck oder der Text kann die
Würde des Denkmals ausmachen, sondern vor allem andern das vollbe-
herrschte und richtig festgehaltene Maßverhältnis der Form zur umgeben-
den Natur, also zum umgebenden Luftraum und zur umgebenden Be-
wegung zufälliger Naturlinien. Unter diesen Bedingungen eine Form
zu finden, die himmelstrebend ist und das Irdische abstreift, die nicht mehr
das Gefühl des Lastens und der Schwere verursacht, die in sich einheitlich
ist und dabei noch auf den Weltkrieg deutet, ist die eigentliche große Auf-
gabe des Künstlers.

Die natürlichste Form wäre der Baum, nur fehlt ihm das Ewige.
Aber Bäume, die doch Iahrhunderte bestehen können, mögen unter Um-
 
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