Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1915)
DOI Artikel:
Strnad, Oskar: Soldatengräber und Kriegsdenkmale
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0184

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
eine in ihrer Art gleichinäßige und ruhige Wand, die nicht selbst eine
Idee ausdrücken darf. Ain sichersten wird man die entsprechende Form
im besonderen Fall finden, wenn man die stärkste Gegenwirkung zur vor«
handenen oder beabsichtigten Umgebung sucht. Ist die Amgebung stark
wagrecht ausgeprägt, dann soll sich das Denkmal stark aufrecht mit hohem
Schwerpunkt zeigen. Aberwiegen in der Itmgebung die aufrechten Linien,
so muß sich das Denkmal womöglich in der Wagrechten entwickeln, ohne
aber schwer und lastend zu werden. Kuppel oder Kreisformen sind selten
möglich und vermögen nur dann zum Beherrschenden und Emporsteigenden
zu werden, wenn nichts Ahnliches in unmittelbarer Nähe ist. Die Kuppel-
form ist nur einmal möglich, so wie jede Idee durch Wiederholung ihrer
Art sofort verliert und gemein zu werden droht.

Abgesehen von diesen in der Linie und Proportionen der Massen ge-
gebenen Bestimmungen für die Linien und Proportionen des Denkmals
selbst ist aber noch etwas sehr wichtig, was heute vielen unserer .Archi-
tekten und Bildhauer fast unbekannt zu sein scheint und fast niemals
beachtet wird, etwas, was so oft zu der bekannten Lrscheinung führt,
daß mitunter ein ganz guter Plan in der Ausführung vollständig in seiner
Wirkung versagt: das Proportionsverhältnis der Tiefen innerhalb der
Mauerfläche zu den Tiefen des Platzes oder der Straße oder des Luft-
quantums, welches dazu gehört; das also, was man am ehesten mit dem
Maßstab der Plastik bezeichnen könnte. Es ist nicht das Maßverhältnis
der Erscheinung in der Fläche, sondern das Maßverhältnis der eigentlichen
Raumbewegung der Flächen zur Tiefe, etwas was sich kaum mit Worten
fassen läßt, was aber das Wesentlichste und Bestimmendste alles dessen ist,
was überhaupt Raum und Raumgebilde heißt. Ieder Platz hat ein
derartiges Maßverhältnis. Es ist Sache der Empfindlichkeit des Künst-
lers, jedes neue Bauwerk in dieses gegebene Maßverhältnis einzupassen,
eine Angelegenheit, die die heute so gebräuchliche Denkmalpflege eigent-
lich angeht. Denn nicht das Zufällige, Zeichnerische, Außerliche ist das
zu Schützende, sondern das eigentümliche, unerklärbare, überaus zarte
Verhältnis des Denkmals oder Bauwerks zur Amgebung, zum Ganzen.
Diese Fragen sind nicht von stilkundigen Gelehrten oder kunstverständigen
Historikern zu beantworten, sondern nur von Künstlern, die räumlich emp-
finden können. Es wird daher für die Aufstellung eines Denkmals nicht
nur der heutige, bestehende Maßstab des Platzes bestimmend sein, son-
dern es wird für die Zukunft wichtig sein, daß dieser Maßstab auch
späterhin durch neue Bauwerke nicht gestört wird. Hier liegen Schwierig-
keiten vor, die von den Gemeindeverwaltungen auch bei den besten Ab-
sichten oft nicht überwunden werden können, weil das dem Künstler Selbst-
verständliche auf das Unverständnis der Laien stoßen wird, da es nicht
erklärbar und für die anderen erst verständlich wird, wenn es zur .Tat
geworden ist. Daß gerade darin die Arsache unseres heutigen Bau- und
Denkmalelends zu suchen ist, weiß jeder Fachmann; ebenso, daß es nicht
früher gute Bauwerke und Denkmale oder sonst derartige Arbeiten geben
wird, bevor nicht die verantwortlichen, bestimmenden Personen einsehen
werden, daß nur ein Künstler imstande ist, über derartiges zu entscheiden.

Hier soll auch daran erinnert werden, daß das menschliche Gehirn nur
sehr wenige Grundformen begreift. Was groß, klar und überzeugend
wirken soll, muß im Augenblick verstanden und erkannt werden. Dreieck,
Rechteck und Kreis, Pyramide, Prisma und Kugel sind solche Formen,
 
Annotationen