breitert; neben Schlesien und Ber-
lin werde durch Ruederer auch
Bayern auf alle deutschen Bühnen
kommen. Aber das Stück faßte
schließlich doch nicht rechten Fuß in
Norddeutschland. Man mußte Lud-
wig Thoma statt Ruederer nehmen,
und der „Naturalismus" stand sich
mit diesem süddeutschen Vertreter
denn auch weit besser. Es war ein
Mißverständnis gewesen, Ruederer
gerade zum Raturalisten ernennen
zu wollen. Die „Fahnenweihe" er-
hob andere Ansprüche. Hier war ein
Dichter, der die Wirklichkeit nicht
andächtig nachbildete, dessen Sinn
nicht auf ihr Erfassen allein aus-
ging. Ruederer stand über ihr.
„Tragikomödie" — das war sein
Wort. Es war einer seiner eigensten
Züge, mit Ibsenscher Vieldeutigkeit
die Ereignisse für sich reden zu
lassen; ganz gelassen, Zug an Zug
setzend, vor keiner Folgerichtigkeit
zurückschreckend, stellte er seine besten
Werke hin zum Lachen und zum
Weinen. Zum Weinen im Großen,
zum Lachen im Kleinen. Keine
Allzumenschlichkeit ließ er unbeachtet,
aber er überspannte nichts davon;
im Kern der Erlebnisse sah er die
vielgestaltige Menschlichkeit, mit
Liebe und Mitleid. Sein Roman
„Ein Verrückter«, der das Schicksal
eines im Kirchenzwang sich zerrei-
benden Lehrerleins schildert, seine
lebenswahren Novellen „Tragikomö-
dien", seine „Fahnenweihe", dies
Anzengruberische Stück von naivem
Gaunertum und widersinniger Klein-
moral, einiges von den überlegen
gegebenen „Wallfahrer-, Maler- und
Mördergeschichten" werden noch
lange Zeugnis von großem Könneu
und tiefem menschlichen Schauen
geben. Daneben darf man ruhig
bald vergessen, daß er mit der
„Morgenröte" und dem „Schmied
von Kochel" daran scheiterte, Ge-
schichte in einem seinem Gegenwart-
schauen ähnlichen Sinne lebendig zu
gestalten. Am längsten wird, darf
man hoffen, Bayern dieses Sohnes
gedenken, der mit ingrimmiger, allzu
scharfsichtiger Liebe seine tzeimat
dichterisch wiedergab und ihr seiner-
seits das Blutvolle, Leidenschaftliche,
Vollmenschliche seiner Gestalten zu
danken hatte. Ruederer vertratBay-
ern im deutschen Schrifttum würdig;
man nannte ihn mit wirklicher Hoch»
achtung in seinem Vaterland, und
er hat verdient, daß es dabei bleibe.
Sch.
Ruederers gesammelte Werke er-
schienen, schön ausgestattet, im Ver-
lag der Südd. Monatshefte, Mün-
chen.
Sprüche für Grabkreuze
Zn Ergänzung der Vorschläge im zwei-
ten Ianuarheft 19l5
ls ich äls Krankenpfleger drau-
ßen war, bat man mich, geeignete
Inschriften aus der Dichtung von
heute zu empfehlen. Ich nenne
auch hier ein paar solche Worte.
Die Quellangabe bezieht sich auf die
Sammlungen der Kriegsgedichte in
der Feldpostbücherei von Diederichs:
Bd. I „Der Heilige Krieg", Bd. II
„Der Kampf", Bd. III „Die Hei-
mat«, Bd. IV „Sieg oder Tod«.
Bei den Sternen steht,
Was wir schwören;
Der die Sterne lenkt,
Wird uns hören.
Eh der Fremde dir
Deine Krone raubt,
Deutschland, fallen wir
Haupt bei tzaupt.
(R. A. Schröder. D.H.K.6)
Aber jedem blitzt das Eisen,
das ihn auf die Probe stellt.
Freu dich, Volk, wir woll'n erweisen,
daß du wert bist, dich zu preisen
über alles in der Welt,
deutsches Volk!
(R. Dehmel. D. H. K. 6)
(53
lin werde durch Ruederer auch
Bayern auf alle deutschen Bühnen
kommen. Aber das Stück faßte
schließlich doch nicht rechten Fuß in
Norddeutschland. Man mußte Lud-
wig Thoma statt Ruederer nehmen,
und der „Naturalismus" stand sich
mit diesem süddeutschen Vertreter
denn auch weit besser. Es war ein
Mißverständnis gewesen, Ruederer
gerade zum Raturalisten ernennen
zu wollen. Die „Fahnenweihe" er-
hob andere Ansprüche. Hier war ein
Dichter, der die Wirklichkeit nicht
andächtig nachbildete, dessen Sinn
nicht auf ihr Erfassen allein aus-
ging. Ruederer stand über ihr.
„Tragikomödie" — das war sein
Wort. Es war einer seiner eigensten
Züge, mit Ibsenscher Vieldeutigkeit
die Ereignisse für sich reden zu
lassen; ganz gelassen, Zug an Zug
setzend, vor keiner Folgerichtigkeit
zurückschreckend, stellte er seine besten
Werke hin zum Lachen und zum
Weinen. Zum Weinen im Großen,
zum Lachen im Kleinen. Keine
Allzumenschlichkeit ließ er unbeachtet,
aber er überspannte nichts davon;
im Kern der Erlebnisse sah er die
vielgestaltige Menschlichkeit, mit
Liebe und Mitleid. Sein Roman
„Ein Verrückter«, der das Schicksal
eines im Kirchenzwang sich zerrei-
benden Lehrerleins schildert, seine
lebenswahren Novellen „Tragikomö-
dien", seine „Fahnenweihe", dies
Anzengruberische Stück von naivem
Gaunertum und widersinniger Klein-
moral, einiges von den überlegen
gegebenen „Wallfahrer-, Maler- und
Mördergeschichten" werden noch
lange Zeugnis von großem Könneu
und tiefem menschlichen Schauen
geben. Daneben darf man ruhig
bald vergessen, daß er mit der
„Morgenröte" und dem „Schmied
von Kochel" daran scheiterte, Ge-
schichte in einem seinem Gegenwart-
schauen ähnlichen Sinne lebendig zu
gestalten. Am längsten wird, darf
man hoffen, Bayern dieses Sohnes
gedenken, der mit ingrimmiger, allzu
scharfsichtiger Liebe seine tzeimat
dichterisch wiedergab und ihr seiner-
seits das Blutvolle, Leidenschaftliche,
Vollmenschliche seiner Gestalten zu
danken hatte. Ruederer vertratBay-
ern im deutschen Schrifttum würdig;
man nannte ihn mit wirklicher Hoch»
achtung in seinem Vaterland, und
er hat verdient, daß es dabei bleibe.
Sch.
Ruederers gesammelte Werke er-
schienen, schön ausgestattet, im Ver-
lag der Südd. Monatshefte, Mün-
chen.
Sprüche für Grabkreuze
Zn Ergänzung der Vorschläge im zwei-
ten Ianuarheft 19l5
ls ich äls Krankenpfleger drau-
ßen war, bat man mich, geeignete
Inschriften aus der Dichtung von
heute zu empfehlen. Ich nenne
auch hier ein paar solche Worte.
Die Quellangabe bezieht sich auf die
Sammlungen der Kriegsgedichte in
der Feldpostbücherei von Diederichs:
Bd. I „Der Heilige Krieg", Bd. II
„Der Kampf", Bd. III „Die Hei-
mat«, Bd. IV „Sieg oder Tod«.
Bei den Sternen steht,
Was wir schwören;
Der die Sterne lenkt,
Wird uns hören.
Eh der Fremde dir
Deine Krone raubt,
Deutschland, fallen wir
Haupt bei tzaupt.
(R. A. Schröder. D.H.K.6)
Aber jedem blitzt das Eisen,
das ihn auf die Probe stellt.
Freu dich, Volk, wir woll'n erweisen,
daß du wert bist, dich zu preisen
über alles in der Welt,
deutsches Volk!
(R. Dehmel. D. H. K. 6)
(53