Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI issue:
Heft 4 (2. Novemberheft 1915)
DOI article:
Vom Heute fürs Morgen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0199

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
den Großstädten die christlichen Be«
erdigungen vielfach umgeben, muß
doch einmal — und zwar von christ-
licher Seite — auf die schmucklose
Einfachheit jüdischer Bestattung hin-
gewiesen werden. Hier wird ein
schlichter Sarg mit einem schwar-
zen Tuche bedeckt und auf einem
ebenfalls schmucklosen Wagen zum
Friedhof gefahren. Kranzspenden
sind nicht üblich. Alles ist einfach,
ruhig und ernst, der Bestimmung
entsprechend. Blicken wir dem-
gegenüber gerade auf die »besseren«
christlichen Beerdigungen. Diese
Leichen- und Kranzwellen der »Be«
erdigungsgeschäfte« mit ihrem rein
äußerlichen, jedes künstlerischen Fein-
empfindens entbehrenden Gepränge
in handwerksmäßiger Ausführung,
diese Silberschnörkeleien, diese unmo-
tivierten schwarzen Straußenfedern,
diese Äberladung an Emblemen wie
Engeln mit Friedenszweig, Krone,
Kreuz. Dazu diese Leichenträger
in silberbetreßten Dreimastern und
Schärpen oder in »altdeutschen Ko-
stümen« mit Degen, alles darauf be-
rechnet, die an solch äußerlichem Auf-
putz hängende Geschmacklosigkeit
eines großen Teils der lieben Mit-
menschen auch in Trauerfällen zum
Geschäft auszunutzen. Ie mehr der-
artiger Kitsch, desto besser ja die Be-
zahlung.

Auch die Massenspenden schablo-
nenhaft hergestellter Kränze gehören
hierher. Viel mehr, als es bisher
zu geschehen pflegt, sollte man für
das eigene Begräbnis bitten, Geld
statt für Kranzspenden zu dem oder
jenem bestimmten guten Zwecke zu
widmen. K."

Wir haben gegen das Geschäfts-
wesen bei den Begräbnissen und das
Prunken, das damit zusammenhängt,
schon mehr als einmal gesprochen, ge-
nützt hat das aber bis jetzt gerade
hier noch gar nichts. Kein Gebiet,
auf dem der Ausdruck so bedeutsam,
und dem so jede Pflege des Aus-

drucks fehlt, wie dieses. So muß
zunächst der Linzelne, müssen die
Linzelnen helfen, die's trifft, indem
sie dem protzenden Veräußerlichen,
das sich hier als Geschäftsmann mit
der Andachtsmaske aufdrängt, jeder
für sein Teil die Türe weisen. Auch
hier gilt vielleicht das jetzt oder
nie. ^

Keine Grabsteine ins Feld!

an schreibt uns von draußen
die folgende Bitte, und wir
schließen uns ihr an:

Hinter der Front sind überall
Friedhöfe für unsre Gefallenen ent-
standen. Lin Grab neben dem an-
dern, wohlgepflegt und instand ge-
halten von Kameraden, geschmückt
mit dem einfachen Holzkreuz, dessen
Inschrift bezeugt: der hier ruht, starb
fürs Vaterland. Ob Offizier, ob
Gemeiner, ob Matrose, ob Infan-
terist, alle werden hier gleich be-
handelt. Aber dem Eingange zum
Friedhof steht wohl der hier ergrei«
fend wirkende Sah: „Ich hatt einen
Kameraden".

Schon jetzt aber wird dieses edel-
schlichte Bild ab und zu gestört. Ls
lassen Angehörige da und dort Grab-
steine errichten. Da bekommt der
gefallene Soundso, der von Ver-
mögen war, ein steinernes, der
nebenan liegende Wehrmann, viel«
leicht ein Vater von vier, fünf Kin-
dern, der arm war, behält sein Holz-
kreuz. And jetzt erst wird uns be-
wußt: daß es als ein Vorzug be-
trachtet wird, ein Steinmal zu haben,
ein Zeichen, das nicht zerfällt.

Sollte man nicht nach dem Kriege
auf jedem Friedhof einen gemein -
samen Stein aufrichten, mit dem
'Namen der Gefallenen und hier
Ruhenden? Aber die Kreuze sollten
bleiben für Offiziere und einfache
Soldaten, so wie sie im Anfang ge-
setzt waren, schlicht und aus Holz.
Ieder der hier Ruhenden hat für
sein Vaterland nach seiner Kraft das
 
Annotationen