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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1915)
DOI Artikel:
Ullmann, Hermann: Deutsch-österreichisch-ungarisches Wirtschaftsbündnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0239

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verstärken. Man fühlt das aus einern halbamtlichen Aufsatz des „Frem-
denblattes" heraus, der davon abmahnt, die Fragen der Zollannäherung
zu erörtern, und sie allein für die „unmittelbar Verantwortlichen" in An-
fpruch nimmt. Man spürt die Verwandtschaft mit der Kundgebung der
Industriellen. Ferner beruft sich die halbamtliche Kundgebung darauf,
daß erst das Verhältnis zwischen Osterreich und Angarn „neugeordnet^ sein
müsse. Man denkt an die Besorgnis einflußreicher hauptstädtischer Kreise
um »ihre" ungarische Industrie. And endlich wird scharf betont, daß es
sich nur um „ökonomische" Fragen handle. Hier klingt der Ton an, den
man am peinlichsten bisher aus den Kundgebungen der schärfsten Gegner
in Osterreich gehört hat: der Tschechen. Sie unterstreichen immer wieder:
nicht politische, sondern rein wirtschaftliche Erwägungen (von denen sie
nur die für die Zollannäherung ungünstigen gelten lassen) müßten den
Ausschlag geben. Das wirkt um so schlimmer, als sür sie in der Tat nur
politische Gründe, eben die Abneigung gegen den Zweibund, den ihre
Führer noch kurz vor dem Kriege ein „abgespieltes Luxusklavier" nannten,
maßgebend sind/ Es ist falsch, wenn man bei dieser für die Weltpolitrk
so bedeutsamen Frage nur wirtschaftliche Nichtlinien gelten lassen will
und mit einem gewundenen Wohlwollen alle anderen Beweggründe als
„Gefühlssache" abtut. Mit aller Entschiedenheit, die nichts zu verbergen
hat, muß von reichsdeutscher wie von gut österreichischer Seite erklärt
werden: allerdings handelt es sich um politische Ziele von allergrößter
Vedeutung; um die Grundlage für jene mitteleuropäische Interessengemein-
schaft, aus der erst das Deutsche Neich wie die Donaumonarchie ihren
besonderen Sinn und Staatsgedanken, jeder StaaL für sich und doch in
gegenseitiger Ergänzung erhalten. Wenn sich diese überstaatliche Gemein-
schaft, in der die beiden Staaten erst ihre Aufgabe klar vollenden können,
nicht schon durch die Erfahrungen des Krieges, die militärischen, kulturellen,
innerpolitischen und wirtschaftlichen Erlebnisse während des Kampfes
im politischen Denken der „maßgebenden^ Kreise durchsetzt, so wird die Äot,
die noch kommen wird, die letzten nötigen Lehren erteilen. Ietzt schon sind
A'nzeichen dafür vorhanden, daß sich unsre gegenwärtigen Feinde handels-
politisch zusammenschließen. Wenn wir nicht beim Friedensschluß auch als
eine handelspolitische Einheit auftreten können, als das geschlossene, sehr
starke, in Europa unvergleichliche Wirtschaftsgebiet, zu dem wir durch gegen-
seitige Ergänzung werden können: dann werden uns wertvolle wirtschafts-
pSlitische Früchte der schönsten Siege entgehn.

Auch denen, die jetzt ihrer näheren Sondervorteile wegen das fernere
größere Ziel nicht sehn. Auf der Tagung der mitteleuropäischen Wirtschafts-
vereine in Berlin gewannen doch die madjarischen Vertreter Oberwasser
mit ihren Einwänden: durch die volle Anion würde das handelspolitische
Selbstbestimmungsrecht der beiden Staaten beeinträchtigt, besonders werde
die Industrie Österreich-Angarns bedroht. Der Gegeneinwurf: durch die
Zoklunion werde Österreich-Angarn in die Weltwirtschaft eingeführt und
die (namentlich aus Angarn starke) Auswanderung eingedämmt, drang
nicht durch. Man einigte sich nur auf gegenseitige Vorzugsbehandlung,

^ Wirtschaftlich befinden sie sich, zumal ihre Landwirtschast, in der gleichen
Lage wie die Deutschösterreicher, haben also eher wirtschaftliche Vorteile von
dem Zollbündnis zu erhoffen. Aber sie ordnen ihre wirtschaftlichen Interessen
„nationalen" unter.
 
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