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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 21.1903

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Literarisches
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https://doi.org/10.11588/diglit.18333#0191

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183

in Schwaben durch Anschaffung vollauf ver-
dient. Die Verarbeitung des massenhaften Ma-
terials — ausschließlich Fischers Werk — ist
geradezu meisterhaft. Besonders wohltuend be-
rührt bei derselben die fast durchgängige Berück-
sichtigung und Hereinziehung des kulturgeschicht-
licheu Elementes, wodurch nicht bloß reiche Be-
lehrung und Unterhaltung über heimische An-
schauung, Art und Sitte geboten, sondern auch
eine gewisse bei Lexikas sonst fast „»vermeidliche
Monotonie glücklich vermieden wird. Ein weiterer
Vorzug des Werkes ist namentlich gegenüber von
ähnlichen Unternehmungen die möglichst genaue
Bezeichnung der Ver breitu n g s b ezir k e der
nicht durch das ganze Sprachgebiet hindurch ge-
bräuchlichen Wörter. Ebenso ist die äußere Aus-
stattung des Wörterbuches eine vorzügliche, der
Druck schön und korrekt und fast gänzlich fehler-
frei, das Papier stark, hell und gut. Freilich ist
der Preis kein besonders billiger, wobei mau
aber bedenken muß, daß ein solches Werk mit
seinem so verschiedenartigen Satz, den viele» Lese-
zeichen re. große Ansprüche au die Drucklegung
macht. Die ersten drei Lieferungen wurden je
zu 2 M. 50 Pf. mit dem Vorbehalt nngekündigt,
den Preis bis auf 4 M. erhöhen zu dürfen, wenn
die Abouueuteuzahl nicht zureichte. Leider ist
dieser Fall schon mit der vierten Lieferung ein-
getreten und der Preis auf 3 M. pro Lieferung
erhöht worden, da die Abnehmerzahl kaum 330
betrage, wogegen das schweizerische Idiotikon es
auf 1300 Subskribenten gebracht hat! Man
möchte dies bei der Bedeutung von einem solch'
vaterländischen Werke, in einem mit Studierten
überfüllten Ländchen, fast nicht für möglich halten.
Nicht bloß das allgemeine Wohlwollen der Be-
hörden, sondern die besondere Empfehlung des
württembergischen Ministeriums des Kirchen- und
Schulwesens sowie der badischen Ministerien der
Justiz, des Kultus und Unterrichts zur Anschaf-
fung für die Gelehrten- und Realschulen, die
höheren Mädchenschulen, die Schullehrerseminarieu
und Lesegösellschnften der Geistlichen und Lehrer
in Württemberg bezw. die Lehrerbibliotheken der
Mittelschulen und Lehrerbildungsanstalten Badens,
namentlich in den oberen Landesteileu, standen
dem Unternehmen zur Seite. Noch weniger stan-
den demselben etwa in unserer vom Parteiwesen
durchsetzten Zeit irgendwie störende (z. B. kon-
fessionelle) Einflüsse im Wege! Auch hat es wohl
der Verlag im eigenen Interesse au nichts, nament-
lich an direkter Versendung von Abounementseiu-
ladungeu an geeignete Adressen fehlen lassen!
Ebenso hat es an Empfehlung durch die ein-
heimische Presse, so im „Staatsanzeiger", „Schwä-
bischen Merkur" (wiederholt, letztmals im Mittngs-
blatt Nr. 394 vom 26. August 1903), „Deutsches
Volksblatt" u. s. w. nicht gemangelt. Da muß
der Grund dieser geringen Beteiligung am Abonne-
ment denn doch wo anders, als etwa bloß in
einen: Zufalle, Uebersehen, oder in einer vorüber-
gehenden Teilnahmslosigkeit, sondern anderswo
und tiefer liege»! Sagen wir es geradezu her-
aus: der Grund ist — mau täusche sich hierüber
nicht — ii: dein Abuehmen von Sinn, Verständnis
und Interesse für muttersprachliche Studie,:, in
den immer inehr sich steigernden Ansprüchen des
Fachstudiums und in Verbindung damit im Zu-

rückgehen der allgemeinen Bildung überhaupt, in:
modernen Sinne bloß noch fürs „Aktuelle" —
mau lernt, was mau zum besseren Fortkommen
braucht, was man in u ß, das übrige ist
nicht voir Vorteil! —, in dem Vorwisgen der
praktischen und sozialpolitischen Studien in un-
serem dahinrasenden Kanonen- und materia-
listischen Zeitalter zu suche»! Auch dürfte hieran
die jahrhundertlange erzieherische Herrschaft des
Altphilologeutums in Deutschland und in Ver-
bindung damit die von jeher etwas stiefmütter-
liche Behandlung der Muttersprache, ebenso vielleicht
das allmähliche Nachlassen des Pnrtikularismus
etwas teilhaben; und — last not least mag noch
die bekannte „schwäbische Scheu" vor dein Bücher-
kaufen und in Verbindung damit die echt schwä-
bische Sucht des Biichereutlehneus, vielleicht auch
da und dort etwas Abneigung gegen Lieferu » gs-
werke mitunterlaufeu! Beispielsweise ist das In-
teresse an muttersprachlicheu Studien, namentlich
der Sammeleifer, in dcu Kreisen des Volks-
schullehrerstandes, welcher doch hiezu vor
alleil berufen wäre und in der Lage ist, vieles
Einschlägige zu hören und wahrzunehmen, nicht
niehr so vorhanden, wie vor 30—40 Jahren, be-
schäftigt sich derselbe doch seit geraumer Zeit vor-
nehmlich mit Standessragen und hat sich seit
ungefähr zwei Jahrzehnten mit Vorliebe mehr
den praktischen Naturwissenschaften zugswnndt
(was ja ganz anerkennenswert ist), ivonebeu sich
der katholische Lehrstand stark mit Pflege der
Musik abgibt.
Welche Bedeutung auswärts dein schwäbi-
schen Wörterbuch beigemessen wird, davon zeugt
eins Reihe von in Fachzeitschriften erschienenen
Besprechungen, so in der „Deutschen Literatur-
zeitung" Nr. 36 vom 6. Sept. 1902, S. 2268/2269,
im „Literaturblatt für germanische und romanische
Philologie" Nr. 5 von 1902 u. s. w. Bezeichnend
aber ist, daß eins französische Zeitschrift, die -l<e-
vus criiigne«, bis jetzt die umfangreichste und
eingehendste (insbesondere das „Elsässerdütsch"
zur Vergleichung heranziehende) Besprechung in
Nr. 34 von 1901, 13 vom 31. März 1902,
Nr. 8 von 1908, S. 156 w. von seiten V. Henrys
gebracht hat. Nun — die Franzosen waren alle-
zeit mit dcu mundartlichen Forschungen voran.
Möge nun dieser Appell an den vaterländischen Sinn
und an das Stammesbewußtsein nicht wirkungslos
verhalle», mögen die in der Anschaffung Säumigen
(Schul-, Stadt-, Landkapitelsbibliotheken re.) sich
iir Bälde an dem Abonnement noch beteilige» —
gewiß sitzt da unv dort noch ein wohlhabender
Privatmann, Fabrikant, Großhändler, dein die
Anschaffung des Werkes wohl anstände — und
möge so das schön begonnene Unternehme», frei-
lich eine für den Verfasser mit unzähligeil Mühen
verknüpfte Riesenarbeit, rüstig und unaufhaltsam
vorwärtsschreiien und dereinst zu einem schwäbi-
sche» Mouumeutalwerke, einer Zierde für die ein-
heimische Literatur werden!
Im einzelnen lassen wir zum schwäbi-
s chenWortschatz, nnd zwar zunächst zu m
erste» Buchstaben, nachstehende Beiträge —
zugleich als Beleg, wie geradezu „unheim-
lich" reich derselbe ist („Nachzügler" wird
 
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