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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0150

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134

Aber es ist noch ein anderer Grund, und dieser be-
trifft die Künstler. Unsere deutschen Künstler beklagen
sich immer über den Mangel an Interesse an ihrer Wer-
ken seitens des Publikums sowohl als seitens der Presse.
Aber ein solches Interesse muß gegenseitig sein. Die non-
chalante und einseitige Jsolirung unsrer Künstler gegen das
öffentliche Leben, ihre Apathie in Allem, was über die
Sphäre des Ateliers hinausreicht, der bornirte Kastengeist,
mit dem sie sich von allem geistigen Weltleben abschließen
und — sagen wir es gerade heraus — der daraus ent-
springende Mangel an geistiger Bewegung und an allge-
mein-menschlicher Bildung: Das ist es, was die Kluft zwi-
schen den Künstlern und dem Publikum, zwischen der Kunst
und dem Leben unausgefüllt und das gegenseitige Inter-
esse nicht erwärmen läßt.

Und nun vollends das ganz unnatürliche Verhältniß,
welches zwischen den Künstlern und der Presse herrscht.
Statt die redlichen Bestrebungen der letzteren um eine Aus-
füllung jener Kluft zwischen Kunst und Leben zu unter-
stützen oder doch wenigstens anzuerkennen; statt einzusehen,
daß die Presse, die öffentliche Kunstkritik, wenn nicht das
einzige, so doch ein wesentliches Band ist, welches das
Publikum mit den Künstlern verbindet, begegnen die Künst-
ler Allem, was Kunstkritik heißt, mit einem grundsätzlichen
Mißtrauen und betrachten die Vertreter der Presse als
ihre natürlichen Feinde, statt, wie sie es sollten, als ihre
natürlichen Bundesgenossen.

Wiederum: woran liegt dies?

Wir wollen uns offen darüber aussprcchen, wenn es
auch Manchem nicht angenehm sein mag: Aus jener un-
natürlichen Jsolirung gegen das öffentliche Leben entspringt
erklärlicherweise eine krankhafte Empfindlichkeit gegen das Ur-
theil; und diese Empfindlichkeit führt wieder zu persönlichen
Antipathien, diese persönlichen Antipathien endlich zu einer
principiellen Verdammung jeder Kritik. — An diesem Punkte
angekommen, haben die Künstler nun ihre Ansicht ein für alle
Mal befestigt. Die Kritiker verstehen sammt und sonders
nichts von der Sache: also ist auf ihr Urtheil gar nichts zu
geben — außer etwa, wenn sie ein unbedingtes Lob aus-
sprechen. Es ist also auch gar nicht der Mühe werth,
einen prüfenden Blick auf Das zu werfen, was sie sagen,
geschweige denn ihre Gründe zu erwägen. Wozu also
Kunstzeitungen?

Dieses etwas triviale aber durchaus richtige Sachver-
hältniß, welches einen Einblick in den wahrhaft kläglichen
Zustand unserer künstlerischen Weltbildnng thun läßt, erklärt
die an Antipathie streifenden Interesselosigkeit unserer mei-
sten Künstler gegen alle literarische Thätigkeit auf ihrem
eigenen Gebiete. Selbst wo es sich um ihr eigenes prak-
tisches Interesse handelt, bleiben sie indifferent und lassen
das zweckmäßigste Unternehmen fallen. Um ein Beispiel
zu geben, erinnern wir an das Schicksal des von dem Re-

dakteur dieser Blätter herausgegebenen, von allen Seiten
mit großer Anerkennung begrüßten „Deutschen Kunstka-
lenders." Es war dies seiner großen praktischen Bedeu-
tung wegen ein Unternehmen, welches die lebhafteste Be-
theilignng seitens der Künstler werth gewesen wäre. Denn
Alles, was irgendwie in's Bereich des geschäftlichen Kunst-
verkehrs und der Knnstdisciplin gehört, die Lehrpläne der
verschiedenen Akademien und der anderen Kunstinstitute
Deutschlands bis auf die Musterzeichnenschulen herab, ihre
Beamtenpersonale, die Kunstvereine (einige 80) nach ihren
Ausstellungschklen nebst den Adressen der Vorstände u. s. f.
war in diesem für jeden Künstler eigentlich unentbehrlichen
Jahrbuch zusammengestellt. Eine lebhafte Bctheiligung
der Künstler war in diesem Falle wohl zu erwarten. Das
Resultat ist bekannt: der Kunstkalender ist aus Mangel an
Theilnahme eingegangen — um unmittelbar darauf in
Paris wiederaufzuleben. Ein industrieller Franzose hat
den deutschen Plan für Frankreich wiederaufgenommen —
und dieser französische Kunstkalender zählt jetzt über
20,000 Abonnenten, während der deutsche, der den An-
stoß zu jenem gegeben hatte, es kaum auf 500 bringen
konnte. Das ist der Unterschied zwischen deutschem und
französischem Kunstinteresse — bei den Künstlern.

Ist es nach solchen Thatsachen auffallend, wenn die
Presse alles Mögliche versucht, um die Künstler aus ihrer
Apathie emporzurütteln, und ihnen immer und immer wie-
der zuruft:

Ihr Künstler! Gebt endlich diese Jsolirung gegen
das allgemeine Weltleben auf, die nur zur Einseitigkeit,
zur Ueberschätzung der eigenen, zur Unterschätzung der frem-
den Thätigkeit führt! Wie Ihr verlangt, daß man Euch
und Eure Werke verstehe und würdige, so sucht auch die
Erscheinungen auf anderen Gebieten zn verstehen und zu
würdigen, namentlich auf dem Gebiete des Gedankens und
allgemein-menschlicher Bildung. Wissenschaft und Kunst
sind Schwestern; warum sollen ihre Jünger und Vertre-
ter Feinde sein? Nehmt endlich die Hand, die Euch so
oft zum gemeinsamen Wirken gereicht wurde, an — und
es wird besser werden um die deutsche Kunst und die deut-
schen Künstler. Bedenkt vor Allem, daß nicht nur im Pu-
blikum, sondern auch in höheren Sphären des öffentlichen
Lebens die Anregung eines wärmeren Kunstsinns, einer
lebhafteren Theilnahme an den Interessen der Kunst wohl
Noth thut, und daß eine solche Anregung nur durch die
Organe der öffentlichen Meinung, durch die Presse, bewirkt
werden kann. Thut also das Eure dazu, um diese Presse,
die es wahrlich treu und ehrlich mit der Kunst und ihren
Vertretern meint, am treuesten aber, wenn sie gegen die
Produkte der Afterkunst und Kunstspekulation zn Felde zieht,
zu unterstützen in ihren Bestrebungen, um sie einflußreich
und mächtig zn machen: Ihr selbst werdet wahrlich den
größte» Vortheil davon haben. M. Sr.

Studien zur Charakteristik bedeutender Küustter der Gegenwart.

XXIX. Karl Naht. (Forts.)

Von Fr. Hottner.

Von Paris ging dann Rahl wieder nach Rom, um
seinen „Manfred" fertig zu machen, und „Leopold den Tu-

gendhaften auf den Mauern von Ptolcmais" für den Gra-
fen U garte auszuführen, verließ cs aber wieder im Früh-
jahre 1847. Er hatte neuerlich einen Ruf nach Holstein
erhalten und folgte ihm, um wieder Portraits zu malen.
 
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