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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0186

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das Publikum in stumpfsinniger Zurückgezogenheit. Eine
Folge davon war, daß die Netto-Eiuuahme für den s. g.
Doncldei-Fouds, d. h. für die Erbauung eines zweiten
Domthurmes viel geringer ausgefallen ist, als man cs
von dem bremischen Publikum erwartet hatte. Sie betrug
nur etwa 100 Ld'or. Und doch ging unser benachbarter
Großherzog von Oldenburg den Bremern mit einen, von
wirklichem Verständnisse der Kunst zeugenden Beispiele
voran. Se. k. Hoheit verweilte fast zwei Tag lang in
der Ausstellung und äußerte nicht allein die lebhafteste
Anerkennung der vielen trefflichen Werke der Malerei,
sondern auch seine Verwunderung über das an den Tag
gelegte geringe Kunstinteresse des bremer Publikums.

Aus dem Ihnen beim Beginn der Ausstellung über-
sandten Kataloge werden sie im Allgemeinen ersehen ha-
ben, welche Fächer und Schulen am reichhaltigsten vertreten
waren; wie cs aber die einzelnen Künstler im Besondcrn
waren, kann selbst der Sachkundige ans dem Katalog
nur dann beurlheilen, wenn ihm die benannten Bilder
entweder durch Beschreibung oder durch eigene Anschauung
bekannt sind. Es figurirteu zwar im Katalog auch Na-
men wie Les sing, Karl Sohn, Ehr. Köhler, Alsr.
Net Hel, Jul. Hübner und Jul. Schräder, aber die
ausgestellten Werke derselben waren entweder nur Skizzen
oder kleine bors-ck'oouvros. Wie läßt sich auch erwarten,
daß der Privatbesitz an historischen Schöpfungen dieser
Meister etwas Namhaftes aufzuweisen hat? Das Bedeu-
tendste in diesem Fache waren Th. Hildebraudt'S
„Taucred tauft Clorinde," Leutze's erstes, unvollendetes
Exemplar des großen „Uebergaug Washiugton's über
den Delaware", das Sie 1852 auf der akademischen Aus-
stellung in Berlin hatten und der hiesige Kunstverein vor
einigen Monaten aus dem Bildervorrath eines Waaren-
maklers für die geringe Summe von 1000 Thlr. Cour,
erwarb, und Wittkamp's „Hugo Grotius in Rostock".

In dem besonders aus Düsseldorf sehr reich bedach-
ten Genre drängten sich mir zwei Bemerkungen ans, von
denen die eine für die schaffenden Künstler nicht sehr
ehrenvoll ist. Es ist die, daß unter ihren Bildern sick-
gar viele mit bekannten Titeln fanden, welche zwei, drei oder
auch noch mehre Male in Origiualexemplareu derselben
oder auch verschiedener Größe in die Welt geschickt sind.
Dahin gehören mehrere von Jordan, Karl Hübner,
Meyer von Bremen und Siegert.

(Schluß folgt.)

t München, den 1. Juni. (Wanderungen durch
Kunst Werkstätten.) Friedr. Boltz legt eben die letzte
Hand an ein größeres Gemälde, welches die Heimkehr
der Hirten in's Dorf zuni Gegenstände hat. Es war
ein heißer Tag, die Luft zittert noch, das Vieh regt wir-
belnden Staub auf und Natur und Geschöpfe sehnen sich
der abendlichen Ruhe entgegen. Das scheidende Licht der
Sonne liegt verklärend auf Dorf und Wald und umgiebt
Alles mit poetischem Schimmer. Die Komposition ist
ebenso reich an Menschen- und Thier-Gestalten wie
an landschaftlichen Motiven, insbesondere sind es die
herrlichen Eichen, welche den Blick aus sich ziehen. Boltz
ist längst als ausgezeichneter Kolorist bekannt, ich wüßte
aber keine Arbeit, in welcher er nach dieser Richtung hin
Trefflicheres geleistet hätte als in diesem bedeutenden
Werke. — Eniil Kirchner malte im Aufträge des Frei-
herrn von Schack (nebenbei bemerkt, des einzigen Privaten
dahier, der Künstler angemesien beschäftigt, indem er eine
werthvolle Sammlung fortwährend zu vergrößern bemüht
ist) eine „Ansicht der Piazetta in Venedig." Dadurch, daß
er seinen Standpunkt aus der Lagune und zwar nicht den
beiden Säulen, welche den Marcus-Löwen und den hei-
ligen Theodor tragen, unmittelbar gegenüber, sondern
etwas gegen das Münzgebäude zu nahm, dessen reiche
Renaissance-Architektur nun sein Bild links abschließt, er-
hielt er den mächtigen Dogenpalast und die Marcuskirche

in einer Perspektive, welche cs ihm gestattete, all' die
wunderbaren Einzelnheiten dieser Gebäude klar zu ent-
wickeln, während der Uhrthurm mit einem Theil der Pro-
curazien und ei» paar Privathäuser den Hintergrund
bilden, vor dem der schlanke Campanile in die blaue leicht
bevölkte Luft emporsteigt. Ein paar Schiffe mit breiten
Segeln unterbrechen nach rechts zu die architektonischen
Linien in glücklicher Berechnung. Eine reiche Staffage
im Kostüme des sechszehuken Jahrhunderts, dazu eine mit
schweren goldbefranzten Decken geschmückte Barke an der
Treppe vor den Säulen erhöhen zugleich die malerische
Wirkung wie die festliche Stimmung des Ganze». —
Aug. Geist, dessen treffliche Arbeiten ihm bereits einen
in weiten Kreisen hochgeachteten Namen verschafften, hat
ein reizendes Bild auf der Staffelei, in welchem er, sich
an ein einfaches Motiv anlehuend, durch poetische Fort-
bildung desselben, den Charakter jener alten Städtchen
am Main zur Anschauung brachte, die uns, auch wenn
wir sie zum ersten Male betreten, wie die alte Heimath
begrüßen. Geist führt uns ans den Vorsprung eines
Hügels, au den sich das Städtchen traulich anlehnt. Schön
gezeichnete Baumgruppen beschatten die liebliche Stelle,
von der aus der Blick über Thllrme und Häuser weg
in's Thal hiuausschweift, in welchem der blaue Strom
sich segelbelebt hinzieht. Das Ganze ist vortrefflich au-
geordnet, mit seltener Sauberkeit gezeichnet und in ächt
künstlerischer Weise durchgebildct. — Bamberger be-
wegt sich, seit seine „englische Küste mit dem Schlachtfeld
von Hastings" und sein „See von Albufera" einen schla-
genden Beweis gegeben, daß seine Kraft auch dem be-
deutendsten Stoffe gewachsen, gerne in großen Raumvcr-
hältnissen. Erst kürzlich hat er ein Bild vom Piano di
Sorrento von bedeutendem Umfange vollendet, und dieser
Tage traf ich den geehrten Künstler mit einem zweiten
Bilde der englischen Küste beschäftigt, das jene» beiten
in seinen Dimensionen nichts nachgiebt. Während er in
jenem ersten die Küste jenseits einer Einbuchtung des
sturmbewegten MeereS in ziemlicher Entfernung zeigte
und eine weite Ansicht derselben vor dem Beschauer auf-
rolltc, führt er denselben diesmal dicht an den steilen Ab-
sturz des Ufers, an dem kaum ein Schifferkahn ungestraft
landen mag. Gewaltige Massen bauen sich, wilde Zer-
klüftungen zeigend, hier und da vom ewigen Wogenschlag
des Meeres nnterspült »uv ausgehöhlt, zur Linken male-
risch auf, während zur Rechten der Blick in die schwere
Wellen heranrollende See offen ist. Schwerherabhäugende
graue Wolken machen die ernste Stimmung der mächtigen
Komposition noch ernster und düsterer. Hoffentlich wird
es dem Künstler noch gelingen, sein Werk bis zur Aus-
stellung zu vollenden. — Moriz v. Schwind gedenkt um
die Mitte dieses Sommers an die Ausschmückung einer
Kirche im berühmten Kurorte Reichenhall zu gehen und
ist eben mit der letzten Komposition zum Kreuzweg-Cyklus
beschäftigt. Schwind's Genius kennt keine Schwierigkeiten
der Komposition, ja er sucht sie nicht selten auf, nur um
sie zu überwinden. Im gegebenen Falle galt es „die vier-
zehn Stationen" in Medaillousorm zu gebe». Ist nun
der Stoff an und für sich wenig dankbar, einmal weil er
bereits unzählige Mal verarbeitet wurde und dann, weil
Wiederholungen geradezu geboten sind — das dreimalige
Niederstürzen Christi unter der Kreuzeslast, die zweima-
lige Begegnung der Frauen Jerusalems — so kam hier-
zu noch die einer historischen Komposition höchst undien-
liche Kreisform. Von den vierzehn Kompositionen zeigt
nur eine fünf und eine zweite vier Figuren, in allen übn-
geu genügten dem Künstler drei, um seinen Gedanken
nicht blos vollständig klar, sondern in einzelnen Fällen
selbst aus völlig neue Weise auszuspreche». Höchst inter-
essant ist es zu sehen, wie er, um größere Abwechselung
zu erzielen, hier die Gruppe koueentrirte, sie dort ans-
löstc, wie etwa ein Kompositeur sein Motiv in anziehen-
der Weise durch verschiedene Tonarten hindurch führt.
 
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