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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0210

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sind, anderentheils das bisher übliche Abfordern eines Ein-
trittgeldes zu beliebigem Zwecke, das sowohl während der
jährlichen Ausstellungen in der Akademie der Künste ent-
richtet wurde, als auch beim Besuche der permanenten Aus-
stellung. So geringe nun das Eintrittsgeld auch sein mag,
der ärmere Russe entschließt sich nicht dazu, ja glaubt so-
gar, daß die Bedingung des Zählens eine Art Warnung
an ihn, den anders gekleideten sei, sein Terrain nicht zu
überschreiten, vorzüglich da bei der Pracht der Gebäude,
in welchen solche Ausstellungen Vorkommen, schon das
Aeußere derselben ihm wie ein noli ins tanAsrs erscheint-
— Die wenigen Monate seit Aufstellung der Kuscheleff-
schen Galerie sind fleißig benutzt worden, und ein erfreu-
licher Beweis für den einstigen großen Nutzen und die
gewiß schönen Früchte, welche die Folge dieses ersten Schrit-
tes zum allgemeinen Besten sein werden.

Außer den ca. 12 Sknlpturcnwerkcu, theils Antiken,
theils Arbeiten von Canova, Livi, Dupre u. «.besteht
die Sammlung aus ungefähr 500 Gemälden sowohl äl-
terer Meister, als auch vieler unserer tüchtigen Zeitgenos-
sen- Zu ersteren gehören Werke von Rubens, ein „Christ-
kind" von Lukas Cranach, Arbeiten von I. Jordaens,
Fr. Mieris, C. Netscher, Anton Grass, eine „Näthe-
rin" von G. Metzü, ein schönes Gemälde von Gerard
Terborgh, eine „Kneipe" von Ostade, ei» PH. Wou-
werman, ein vorzügliches Thierstück von A. van der
Velde und verschiedene Kopien. — Als Uebergang zu
unseren Zeitgenoffen mögen u. a. ein „Mädchenkopf" von
Grenze und eine „Grotte an der See" von Joseph Ver-
net Erwähnung finden. Die neueren Künstler sind ver-
treten durch Leopold Robert, E. Jsabey, Th. Gu-
din, Tassaert, Merle, Horace Vernet (jedoch we-
niger glücklich), A. G. Decamps, I. Dupre, Ary
Schesfer, namentlich durch seinen „Faust", Alfred de
Dreux, Paul de la Roche, durch die Wiederholung
seines „Cromwell am Sarge Karls I.", Const. Troyon,
delaCroix, Brascashat, durch einen ganz vorzüglichen
Bullen, Th. Couture, I. L. Meisonnier, Fr. Bi-
schofs, Madou, I. L. Geröme (das „Duell nach der
Maskerade") Brio», CH. Jacque (ein ganz vorzüg-
licher Schaafstall) Roux, CH. Hoguet, Vautier,
Guillemin, A.Falmouche, Graeb, ferner L. Gal-
lait durch zwei ausgezeichnete Gemälde, Diday, Ca-
lame, L. Kraus („die Feuersbrunst im Meierhofe") Ver-
boekhoven, S. Leys, Andreas und Oswald Achen-
bach, Fr. Kraus, W. und F. Meyerheim, Verschuur
und noch viele andere, von denen die Mehrzahl der fran-
zösischen Schule angehört.

t München. (Nachbildung der Fresken in
der Kirche zu Wasserburg; Kunstvereiu). Der
Historienmaler Schweitzer, hat von dem alterthümlichen
Freskobilde, welches die Außenseite des Chors der Pfarr-
kirche zu Wasserburg schmückt, eine in Farben ausgeführte
Nachbildung genommen. Da diese Komposition für die
deutsche und besonders für die bayerische Kunstgeschichte
von Bedeutung erscheint, mag cs wohl erlaubt sein, auf
dieselbe etwas näher einzugehen. Sie behandelt den Kreu-
zestod Christi und seine Bedeutung für die Menschheit.
Die obere Mitte des Bildes nimmt Christus am Kreuze
ein, über welchem, von Engeln umgeben, Gott Vater er-
scheint. Neu ist der Gedanke, die Taube (heil. Geist) auf
dem Kreuze sitzeud darzustellen. Zu den beiden Seiten des
Kreuzes sehen wir das Judenthum und das Christenthum
allegorisch dargestellt, jenes eine weibliche Gestalt mit ver-
bundenen Augen, auf einem »iedergestürzten Esel reitend,
den Kopf des Sündenbocks in der Linken, in der Rechten
eine zerbrochene Fahne, im Begriff ihre Krone zu verlie-
ren. Das Christenthum sitzt, gleichfalls gekrönt auf einem
Thier mit den Köpfen der vier evangelischen Zeichen.
Während ihre Rechte das Kreuz emporhält, fängt sie mit
der Linken das Blut Christi in einem Kelche auf. Höchst

originell laufen die Arme des Kreuzes, woran der Herr
genagelt ist, in menschliche Arme aus, deren einer das
Judenthum mit dem Schwert trifft, der andere das Chri-
stenthum segnet. Unter diesen beiden Frauengestalten zei-
gen sich links der Baum des Erkenntnisses mit der Schlange,
daneben Eva mit dem Todtenkopf, rechts der Baum des
Lebens, der Hostie statt der Acpsel trägt, neben ihm ein
Bischof mit dem Kreuze, auf die erlösende Kraft aufmerk-
sam machend. Ganz unten verhilst Christus den im Feg-
seuer Schmachtenden in's Paradis, über welchem die Fa-
milie des Stifters des Gemäldes, die der Pienzenauer,
in einer Gruppe sichtbar wird. — Das Gemälde schließt
links und rechts ein breiter Rahmen, in denen Propheten,
Sybillen und Kirchenväter erscheinen mit langen Spruch-
bändern, die aber über den Maler keinen Aufschluß geben.
Ucbrigens dürfte das Werk dem Ende des fünfzehnten
Jahrhunderts angehören und wird dasselbe dem erst vor
Kurzem bekannt gewordenen bayerischen Maler Berthold
Furthmaier zugeschrieben, dessen Förster in seiner Kunst-
geschichte Thl. H, S. 254 rühmende Erwähnung thut. —

Aus dem Kunstverein ist.wenig Hervorragendes zu
erwähnen. H. Hamm behandelte einen sehr bedeutenden
Stoff, die „Heimkehr von Golgatha" in nicht sehr glück-
licher Weise. Niemand wird leugnen wollen, daß das
Bild viel Verdienstliches enthält, daß die Gruppe der
Frauen mit Johannes schön geordnet, daß die Gewänder
trefflich drapirt, daß die Farbe eine brillante ist, und doch
paßt das Bild nicht. Es hat dies seinen Grund wohl
darin, daß zwischen dem hochernsten Stoffe und der sicht-
lich auf dem schlagendsten Effekt berechneten Behandlung
ein unlösbarer Widerspruch ist. Die Beleuchtung erinnert
an eine Feuersbrunst und nimmt schließlich das ganze
Interesse des Beschauers in Anspruch, was ihr um so
leichter wird, als der Ausdruck in den Gesichtern nicht
jene Tiefe und Innerlichkeit erreicht, die man hier vor
Allem zu fordern berechtigt sein dürfte.

Unter den Genrebildern begegnete man einem „Zwi-
schendecke eines Auswandrerschiffes vor der Abfahrt" von
Schlesinger. Daß der Raum, in welchen wir blicken,
kein Zwischendeck ist, mag als Nebensache nicht weiter
beachtet werden. Für uns bleibt die darin befindliche
Gesellschaft das Wesentliche, und hier war die erste Auf-
gabe des Künstlers unser Interesse zu wecken. Leider ist
ihm dies nicht gelungen. Unser Blick irrt von Gruppe
zu Gruppe, von Person zu Person, begierig endlich ein-
mal etwas der Aufmerksamkeit Würdiges zu finden. Aber
vergebens, die einzelnen Personen lassen uns schließlich
so gleichgültig wie die Gruppen. Ueberall fehlt cs an
Jndividualisirung und Charakteristik, welche das Einzelne
aus der Menge heraushebt und als abgeschlossenes Ganze
hinstellt. Wohl müssen wir Alle für cnropamüde halten,
denn sonst wären sie kaum da, wo sic sind, aber Nichts
deutet uns das vergangene Leben des Einzelnen an, Nichts
aiebt uns den Schlüssel zu seinem Ich. — Ein Werk voll
Poesie ist dagegen Dyck's „Inneres einer Klosterkirche."
Der treffliche Künstler wußte die beiden Motive der Dop-
pel-Beleuchtung durch den Mond und die Kerzen der die
Hora singenden Mönche mit großem Geschicke zu behan-
deln und die Theilnahme an Lokal und Personen in hohem
Grade zu fesseln.— Raupp behandelte in seinem „Nach
dem Abendläuten" einen sehr brauchbaren Gedanken in
anziehendster Weise. Der greise Küster des Orts hat
eben zum Abendsegen geläutet und schaut nun über die
von der Abendsonne vergoldete Landschaft hinaus. Wie
er dasteht inmitten der Gräber, sind es wohl tiefernste
Gedanken, die durch seine Seele ziehen, Gedanken, die
weit über die ihm noch übrig bleibende Spanne Zeit hin-
ausreichen. Der virtuose Vortrag, der sich namentlich in
einzelnen Partien des schönen Bildes zeigt, verträgt sich
meines Erachtens nicht mit dem Stoffe. Hier sollte man
an die Mache gar nichts erinnert werden; spricht sie gleich-
wohl mit, so stört sie die Stimmung des Beschauers.
 
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