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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0234

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aus Danzig, jetzigen Direktors der Kunstschule daselbst,
und des Malers Julius Schnorr von Carolsfeld
aus Leipzig, jetzigen Direktors der königlichen Gemäldega-
lerie in Dresden. Die Reise wurde gemacht über Pa-
lermo, Segeste, Calatafime, Castclvetrauo, Selinunt, Gir-
gcnti, Terranuova, Palazzuolo, Syrakus, Catania, den
Aetna, Taormina nach Messina, von wo sic anfangs Okto-
ber wieder nach Neapel zurückkehrten. In Sicilicn beschäf-
tigte sich Zahn vorzugsweise damit, die antiken Tempel zu
messen nnd zu zeichnen, besonders aber mit der Untersuchung
der Bemalung dieser antiken Tempel auf Grund der bei
ihnen noch vorhandenen Farbenreste. Das Ende des Okto-
ber, den November und December brachte er wieder in Pom-
peji zu, wo indessen interessante Wandgemälde ausgegra-
ben worden waren, die er wie früher sofort nach der Ent-
deckung dnrckzeichnete und ganze Wände sowie einzelne
Gemälde in Farben nachbildcte. Hierzu gehören der „thro-
nende Jupiter" mit blauem Nimbus, die „thronende Inno",
der „thronende Bacchus", die „thronende Ceres" und das
schöne Gemälde, die „Hochzeit der Pasithea mit dem Gott
des Schlafes" u. s. w. Diese, seine ganze geistige Thä-
tigkeit und Arbeitskraft in Anspruch nehmenden Studien
absorbirten ihn dermaaßen, daß er in der Regel Nachts
nur 3 bis 4 Stunden schlief. Ende December kam er
nach Rom zurück, wo er den Winter 1826/27 verlebte.

Seine mitgebrachten Zeichnungen nach den schönen antiken
Wandgemälden erregten besonders bei Thorw aldsen, so-
wie bei den Archäologen und Kunstfreunden immer mehr
Aufsehen, so daß sich der Buchhändler Cotta aus München,
durch den Prof. Gerhard aufmerksam gemacht, an ihn
wandte nnd ihn bewog, sein Werk: „Neu entdeckte Wand-
gemälde in Pompeji," in Umrissen bei ihm herauszugcbcn.
Dasselbe erschien 1828 zu München. Der große Beifall,
welchen Zahn's schöne Studien, vorzugsweise der pom-
pejanischen Wanddekorationcn, ernteten, veranlaßtcn den
Kurfürsten von Hessen, den Künstler im Frühjahr 1829
zuin Ausbau nnd Ausmalcn einiger Schlösser nach Kassel
zu berufen. Jedoch verweilte er, einschließlich seines Auf-
enthalts bei seinen Verwandten in Nenudorf*) und Bücke-
burg, dort nur einige Monate und begab sich über Weimar
nach Berlin.

In Weimar wurde unser Künstler von Goethe und
dem Großherzog Karl August sehr freundlich empfangen.
Goethe, welcher den Akademien von Wien und Berlin
immer gerathc» hatte, junge Künstler zum Studium der
antiken Malereien nach Pompeji und Herkulanum zu
schicken, war höchst erfreut, daß, wie es immer sein Wunsch
war, ein Künstler so ernste Studien in den antiken Städten
gemacht hatte, für die er von jeher so sehr begeistert ge-
wesen war. Der große Dichter gewann unfern Künstler
schon bei seinem ersten Besuche so lieb und die Unterhal-
tung über antike Kunst war so lebhaft, daß er ihn gleich am
ersten Tage zum Mittagsessen eiulud, wozu er auch die
Kunstfreunde Weimars versammelt hatte, den Kanzler von
Müller, Obcrbaudirektor Condray, Hofrath Meier,

*) Wir bemerken hiebei, daß das bei Neundorf liegende
Oertcheu, wo Zahn geboren ist, nicht — wie am Eingänge des
Artikels gesagt ist — Bodenberg, sondern Rodenberg heißt.

D. R.

Hofrath Riemer u. s. w. Nach Tische wurden die gro-
ßen Zeichnungen und besonders die Durchzeichnungen der
neuesten pompejanischen Wandgemälde auf großen weißen
Tischtüchern aufgelegt, wozu der Großherzog Karl August
ebenfalls erschien, der von Goethe mit den Worten em-
pfangen wurde: „Kommen recht zum Gastmahl, Königliche
Hoheit!"

Als Zahn nach einigen Tagen von Weimar wieder
abreisen wollte, veranlaßte ihn Goethe, wenigstens noch
vierzehn Tage bei ihm zu bleiben und sein täglicher
Gast zu sein. Der Künstler willigte ein, und nun begann
eine kurze, aber dem Künstler stets unvergeßlich gebliebene
Zeit der interessantesten Unterhaltungen, welche nicht nur
Mittags sondern auch Abends sehr lebhaft wurden. Zu-
weilen nahm der Großherzog daran Theil, und wenn die-
ser Zahn auch einmal Mittags einladen wollte, so pflegte
Goethe zu bemerken: „Mittag gehört Zahn mir," und
dabei blieb es. Daher brachte der Künstler meistens nur
Abends beim Großherzoge zu. Auch bei diesen Besuchen
wurden fortwährend Zeichnungen aus der antiken Welt
vorgezeigt und besprochen, und wenn Zahn zn bescheiven
war, dieselben Zeichnungen auf Verlangen nickt wieder-
holt vorzuzeigen, so bemerkte Goethe: „Was man immer
scheu sollte, kann man wenigstens zweimal sehen." Goethe
wurde durch Zahn's Besuch so heiter gestimmt, daß er dies-
mal derArmbrustschützengilde ans ihre wiederholte Einladung
seinen Besuch zusagte. Es war eines Nachmittags, man
war gerade beim Kaffee, als eine Deputation dieser Gilde
erschien, um Goethe zur Theilnahme an diesem Feste cin-
zuladcn. Früher war er, obwohl Wieland, Herder
und selbst Schiller daran Theil genommen, trotz regel-
mäßiger Einladung in jedem Jahre, bei keinem Feste er-
schienen. Als nun die Deputation bei Z ah n's Anwesen-
heit abermals ihre Einladung erneuerte, sagte Goethe:
„Gut, ich werde kommen, aber Zahn muß mit."

Goethe hatte das Glück, bei diesem Feste mit der
Armbrust das Centrum zu treffen, während die andern
Gäste meistens vorbeischossen, und war außerdem, trotz
der langen Sitzung beim brillanten Frühstück, sehr heiter
gestimmt. Die Heiterkeit erhielt sich auch beim Mittag-
essen in seinem Hause, ja steigerte sich noch, während die
übrige Gesellschaft in Folge der vielen Getränke beim
Frühstück etwas matt geworden war. Bei solchen Ge-
legenheiten konnte man die geistige und körperliche Frische
des großen Dichters recht erkennen.^)

*) Dies erinnert uns an eine charakteristische Anekdote, welche ■
uns einst Cornelius in seiner drastisch-jovialen Weise erzählte,
nnd die wir nnscrn Lesern nicht vorenthalten wollen: Göthe
wurde bekanntlich durch die vielen Besuche von Fremden, die den
„großen Dichter" sehen wollten, sehr belästigt. Namentlich waren
ihm die vielen Engländer sehr zur Last, so daß er seinem Kam-
merdiener geradezu den Beseht gegeben hatte, keinen Engländer
mehr vorzulasscn. Aber diese edle Nation besitzt neben der Ma-
nie, Alles kennen lernen zu wollen, auch die Tugend einer eiser-
nen Hartnäckigkeit. Einst wurde Göthe mitgetheilt, daß ein
Engländer bereits seit mehreren Tagen seine Wohnung bela-
gere und entschlossen sei, ihn durchaus zu sehen. Da beschloß
Göthe, ein Exempel zu statuircn. Er ging hinaus nnd stellte sich
schweigend vor den Fremden hin. Nach einer Pause sagte er:
„Haben Sie mich nun gesehen? Gut, denn können Sie mich
 
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