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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0264

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248

garn, Italien, Deutschland, Dänemark, Frankreich und
Griechenland vollendet hat, belaufen sich auf 413; die
Staffeleibilder überhaupt auf 558, abgesehen von den vie-
len Zeichnungen, Entwürfen und Kopien nach alten Mei-
stern, zu denen noch 42 Studienköpfe, 19 Genrebilder,
größtentheils in Italien gemalt, 20 Gegenstände religiösen
Inhalts, beinahe durchgehcnds große Altarblätter, 59 hi-
storische Bilder stind Skizzen, endlich 5 Landschaften und
landschaftliche Studien hinzukommen.

Die ersten fünfziger Jahre hatten für alle Lebens-
äußerungen bei uns daheim nur Zügel und keinen Sporn
bereit. Die Melancholie ist keine fruchtbare Mutter. Den
sich streng abscheidenden Kasten des österreichischen Bra-
manen- und Kriegerstandes galt nur die Sicherung der
Herrschaft. Deni Besitz blieb ausschließlich die Bahn des
Geldgewinnes offen. Die Kunst ging nach Brot, und
Brot gab das Organ des modernen Geschmackes, der
österreichische Kunstverein. Doch kann diesem Institute
das Verdienst nicht abgcsprochen werden, die tödtlichc
Theilnahmlosigkeit gegen künstlerisches Schaffen verscheucht
und auf die technische Ausbildung besonders unserer Klein-
malerei durch die Ausstellung der neuesten Tafelbilder
hervorragender Künstler des Auslandes fördersam gewirkt
zu haben.

Rahl malte in jener schlimmen Epoche für einen frank-
furter Handelsherrn,. Goldschmidt mit Namen, einen
Stoff aus dem heiligen Buche: „Moses beschützt die Töch-
ter Reguels bei den Medianiten" und verkaufte dem Kunst-
verein zwei von München mitgcbrachte Gemälde: „Boreas,
der die Eireithya entführt und „Arion, von Delphinen
gerettet", dann das von demselben bestellte Bild „Bischof
Kolonits befreit die Christenkinder aus dem Türkenlager
vor Wien." Christian Mayer hat den Moses und Ko-
lonits in Kupfer gestochen. Um diese Zeit entstanden auch:
„Samson im Schooßc der Delila von den Philistern ge-
fangen", „Orestes von den Furien verfolgt", von Lech-
te itner, dann eine überlebensgroße Figur: „Die Stärke",
von Sonnleitner in Kupferstich ausgcführt. Diese drei
Bilder sind noch im Besitze des Künstlers. Einer der wenigen
kunstverständigen Männer, welche damals Antheil nahmen an
den Bestrebungen Rahl's, war Graf Paul Pejaccwich,
der dem Künstler die Ausführung der schönen Skizze „Odys-
seus bei den Phäaken" übertrug, und sich, sowie seine
Frau und seinen Bruder porträtiren ließ. Rahl folgte
der Einladung dieses ungarischen Mäcenaten, besuchte
1854 zum zweitenniale Ungarn und malte in Ofen bei
50 Porträts verschiedener Magnaten und adeliger Damen,
welche im Winter 1855 zugleich im Pesther Kunstverein
ausgestellt wurden und ungemeines Aufsehen erregten. Aus
der Zeit unmittelbar nach der Heimkehr stammen die gro-
ßen Porträts von Hebbel und seiner Frau, des Direktors
der Staatsdruckerei, Hofrath Auer, dann ein kleines schö-
nes Bild für das Album der Kaiserin: „Die Poesie" mit
der Lyra, welche Cupido spielt. Letzteres Bild wurde von
Chr. Mayer in Kupferfarbendruck, die vorgenannten Por-
träts nebst vielen anderen aus füheren Jahren in Schab-
manier ausgeführt.

In Wien konnte Rahl nur nach langer und heftiger
Opposition für seine Kunstrichtung Raum gewinnen. Viele

seiner Werke, besonders aber seine historischen Gemälde,
haben harte Anfechtungen von Künstlern und vom Publi-
kum erfahren. Der Grund braucht nicht lange gesucht
zu werden, er liegt zur Hand. Es giebt Kompositionen
.— die neueren deutschen und fremden Schulen haben de-
ren genug geliefert — welche man sich nicht klein genug
denken kann, daß sie nicht noch eine Verkleinerung ver-
trügen, andere dagegen, deren Formen trotz der Ausfüh-
rung in größerem Maaßstabe über die gegebene Grenze
hinauswolleu. Rahl schuf in dieser Richtung. Die ver-
kümmerte Zeit hatte aber Gefallen am Kleinen, am
Schwächlichen, und ließ sich in ihrem Behagen daran nicht
gerne stören. Nun war aber jedes der Bilder Rahl's
ein offener Fehdebrief gegen die Schwäche, eine Rebellion
gegen den regierenden Geschmack. Die Wahl, Auffassung
und Behandlung des Stoffes, die markige Pinselführung,
das den Venetianer Meistern nachgcbildete Kolorit war
eine Blasphemie gegen die unumstößlichen Offenbarungen
der neuen gefeierten Kunstorakel, und bei dieser aufgestör-
ten Stimmung der Gemüther mockte das oftmals Recken-
hafte in den Formen und der Widerspruch einer nicht sel-
ten monumentalen Anlage und einer Ausführung im Klei-
nen, welchen Widerspruch zu unterdrücken der Stolz des
Künstlers verwehrte, unheimlich wirken. Das gab eine
Waffe, und diese wurde nicht geschont im Kriege gegen
den Usurpator, wobei sich Rahl über die Quantität seiner
Feinde nicht zu beklagen hatte.

Die Mittelmäßigkeit hatte entschieden Front gegen ihn
gemacht, die kleinen Leute waren und blieben immer aktiv,
geschickt und nnerinüdlich im Verkleinern des Mannes, und
haben ihm in seinen Bildern mehr Schwächen und größere
Fehler nachgewiesen, als sie an schlechten Kunstwerken je-
mals zu entdecken im Stande waren. Gegen die fort und
fort anschwellende Phalanx seiner Widersacher stand da-
mals der verfehmte Künstler beinahe allein, und konnte
seine Hauptwaffe nicht gebrauchen. Heute aber schwingt
er sic, heute ist durch die Einflußnahme des Kunstreferen-
tcn im Staatsministerium Sect.-Rath Di-. Gustav Hei-
de r der Bann von dem Künstler genommen; heute ist er
vom Kaiser ausgezeichnet und als Professor an die Wiener
Kunst-Akademie berufen, heute hat sich die Scene gänzlich
verändert.

Im Jahre 1852 lernte Rahl den Architekten Hansen
kennen, der damals eben mit der Ausführung des Waffen-
museums im Arsenale beschäftigt war. Hansen hatte
die Begabung Rahl's für die monumentale Kunst erkannt
und ersuchte den Künstler, für die Fresken, welche zur
Ausschmückung der Kuppel des Hauptraumes und der
beiden Nebensäle des Centralbaues bestimmt waren, Kom-
positionen aus der österreichischen Geschichte zu entwerfen,
welche seinerzeit der bauleitenden Behörde und dem Kaiser
zur Bcnrthcilung vorgelegt werden könnten. Rahl ergriff
mit Eifer und Freude diese Gelegenheit, seine Künstlerkraft
zur Verherrlichung des Vaterlandes walten zu lassen, ar-
beitete rastlos und bewältigte mit der ihm eigenthümli-
chen Spannkraft und Ausdauer den überreichen Stoff
innerhalb des Zeitraumes von 2 Jahren. Der Künstler
hatte es in seinen Kompositionen weniger darauf abgesehen,
nach dem Beispiele von Versailles eine chronologische
 
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