Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0283

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
267

Weg ist, den eine Sturmkolonne zurückzulegen hat; aber
wir sind der Ansicht, daß sich etn solcher Sturm - Marsch
dann nicht zur künstlerischen Darstellung eigne, wenn das
Marschiren gewissermaßen als Hauptsache erscheint, weil
der anzugreifende Feind so weit entfernt ist, Laß man
auf dem Bilde wenigstens kaum mehr etwas davon sieht.
Abgesehen davon ist das Bild nicht ohne Verdienst, nament-
lich was Farbe betrifft. — Houze in Brüssel hat es,
wie es scheint, ganz besonders auf „Die letzten Augenblicke"
abgesehen. Uns beglückte er mit den „letzten Augenblicken"
von Heinr. Perch, Grafen von Northumberland, und mit
denen der Tochter des Komponisten Gretry.

Wer „Gaston von Foix" von Jacquart in Paris
recht mit Aufmerksamkeit betrachtet, der kommt zuletzt zu
dem Ergebnisse seiner Forschungen, daß das ganze große
Bild wohl nur um der Kassette willen gemalt sein dürfte,
in welcher des jungen Gastons Reisegeld verwahrt und
diesem von einem unzweifelhaft sehr treuen, aber, wie Figur
zeigt, auch höchst langweiligen Diener vorausgetragen
wird. Gaston und seine Mutter nehmen indessen von
einander einen sehr gelassenen Abschied; die Mutter schaut
dabei den Sohn und der Sohn die Mutter nicht an.
Das erstcre wundert uns um so mehr, als uns der Katalog
erzählt, die trostlose Prinzessin ahne bei der letzten Umar-
mung, daß sie ihr geliebtes Kind nicht mehr sehen werde.
So großer Mangel an Ausdruck von Seelenstimmungen
in dem Bilde wahrzunehmen ist, so groß zeigt sich die
Verschwendung an Möbeln und Kleidern. Daß die Prin-
zessin etwa 12 Kopflängen hat, soll nur beiläufig erwähnt
werden. — Muhr in München brachte „Othello, der
Desdemona und ihrem Vater seine Abentheuer erzählend";
ein Bild, das wir hauptsächlich seines Kolorites wegen
erwähnen. —

Nikutowsky's in Karlsruhe „Nach der Schlacht von
Leipzig" zeigt den letzten Stoß der preußischen Landwehr
auf die in der Stadt zwischen Häusern und Fluß einge-
keilten und vergeblich nach einem Ausweg drängenden Fran-
zosen. Geschickt angeordnct und in großen treffenden Zü-
gen die vallendete Niederlage zum Ausdruck bringend, ist
es auch reich an interessanten Episoden, und trefflich cha-
rakterisirt im Einzelnen; übrigens ebenso gut gezeichnet
wie gemalt, dabei tritt es ohne Prätension ans, ein Vorzug,
den wir nicht gering anschlagen.

„Boabdil, der letzte Maurcukönig und seine Mutter"
von Aug. de Pinelli in Paris gehört zu jenem Bildern,
die man ohne Zuhandnahme des Katalogcs unmöglich ver-
stehen kann. Nach dem Kataloge macht' Boabdil's Mutter
ihm „heftige Vorwürfe, daß er durch seine Sorglosigkeit und
Feigheit Eordova verbrennen lassen und sein Reich ver-
loren habe". Auf dem Bilde freilich sehen wir nur einen
jungen maurischen Ritter schwcrmüthig dasitzen, während
eine ältliche Frau mit ausgestreckter Hand nach einer bren-
nenden Stadt hinzeigt. Angesichts solcher Kompositionen
möchte man fast die alten Spruchbänder zurückwünschen,
die wenigstens einen Katalog entbehrlich machen. — Ein
Beispiel christlicher Unduldsamkeit, an denen leider zu kei-
ner Zeit ein Mangel war, mittels der Kunst zu verewigen,
scheint nns eine sehr mißliche Sache, und wir können nur
bedauern, daß Pixis in München dies that, indem er
„Calvins letzte Unterredung mit Servet im Kerker zu Genf"
malte. Wir hätten dem strebsamen Künstler eine glück-
lichere Wahl gewünscht. — Van Schendel in Brüssel, der
moderne Schalken, wie ihn seine Verehrer nennen, zeigte
„Steven van den Bcrghen und seine Tochter" mit ihren
Studien beschäftigt und vom Lampenlichte beleuchtet, das
uns etwas stark roth gerathen zu sein scheint. In der
Ausführung erreicht er Schalken keineswegs, weder an
Schönheit der Zeichnung noch an Delikatesse des Vor-
trages , und beide Figuren erinnern noch allzulebhaft an
die benutzten Modelle. — Schenkenhofer in München
ließ der armen Agnes Bernauer, die schon so vielfach

von Poeten und Malern mißhandet worden, im Grabe
keine Ruhe und noch einmal mit gerungenen Händen und
aufgelöstem Haar zum Tode gehen. Dergleichen Todes-
gänge sind an und für sich so widerlich, daß man im vor-
liegenden Falle die Mauer und das Treppengeländer, welche
sich ungemein geltend machen, mit doppelten Vergnügen be-
schaut. — Unendlich wahr und darum die Sympathie eines
jeden Beschanens erweckend wußte Vanutelli in Rom
den Schmerz einer anderen unglücklichen Frau, der schö-
nen Gabrielle d'Eströe darzustellen, die wir allein in ihrem
Zimmer sehen; zu ihren Füßen liegt ein erbrochener Brief,
die Quelle ihres Leidens und ihrer Trübsal. Die Kom-
position ist fein und nobel; das Kolorit bleibt hinter der-
selben nicht zurück und ist von einer überaus ansprechenden
Klarheit.

b. Mythologisches und symbolisches Genre.

Wir beginnen den Reigen aus diesen Gebieten mit
einer trefflichen „Bacchantin" v. I. Berdelle in München.
Sie ist, was wir nicht von allen nackten Frauengestalten
in der Ausstellung sagen können, bei aller Ueppigkeit der
Formen durchweg decent und bietet, ohne daß die einzel-
nen Töne sehr gesteigert wären, ein prächtiges Farben-
bouquet. Ob das schöne Weib eine Bacchantin ist oder
nicht, ließe sich vielleicht anzweifeln, jedenfalls ist ihre
Stimmung nichts weniger als erregt, ja selbst für das
Spiel mit den Knaben zu wenig heiter. Desselben Künst-
lers „Venus aus dem Bade steigend" ist in jeder Bezie-
hung schwächer und erinnert viel an den alten akademischen
Zopf. — Bouterweck in Paris schickte „Acis und Ga-
lathea" und bewies damit, daß man in Frankreich noch
immer Künstler findet, die an Davids nüchterner Anschauung
der Antike festhalten. — „Wein, Weib und Gesang" von
C. Fries in München hält die Mitte zwischen dem sym-
bolischen und dem historischen Genre. In einer Halle,
wie sie Paul Veronese liebt, hat sich eine Gesellschaft von
Männern und Frauen im Kostüme des sechzehnten Jahr-
hunderts in der durch deu Titel bezeichuetcu Weise grup-
pirt, umschwebt von geflügelten Knaben. Das Bild ist
hübsch gefärbt und heiter in der Konception, aber das
Motiv kein Gegenstand für Staffelcimalerei. —Gegen-
bauer in Stuttgart ist durch eine „VenuS" und „Satyr
und Nymphe" vertreten, welche sich durch allzugroße Glätte
der Behandlung nicht minder wie durch auffallende Nüch-
ternheit der Auffassung bemerkbar machen. Die Venus
zudem erscheint so porträthaft, daß man eher eine Dame
aus der Zeit des französischen Kaiserreichs, als eine Göt-
tin vor sich zu haben glaubt. — Zu den beste» Bildern
rechne» wir das von Gustav Müller in Rom: „Jupiter
in Gestalt eines Faun überrascht die Antiope." Der erste
Blick auf das reizende Gemälde zeigt das eingehendste Stu-
dium Corregio's, sowohl in der überaus schönen Farbe,
wie im Adel der Anordnung. Die fast kindliche Gestalt
der Autiope ist von einem seltenen Liebreize, von einer
Naivetät und Unschuld, die wunderbar fesselt. Bei aller
Sorgfalt der Durchbildung zeigt sich überall ein freier,
kräftiger Pinsel. Das Kolorit, namentlich des Fleisches,
ist von seltener Zartheit, und überall begegnen wir tiefem
Verständnis; der Natur und der besten Vorbilder. — V.
Müller's in Frankfurt „Waldnymphe" schwebte längere
Zeit in der Gefahr, in der Ausstellung gar nicht zuge-
lasien zu werden, so überaus.uugenirt behandelte der Künst-
ler seinen Stoff. Wir müssen es ihm ans sein Wort glau-
ben, daß das mehr als üppig volle Mädchen, das da
splitternackt und noch dazu in voller Lebensgröße mitten
im Walde ans dem Rücken liegt, eine Waldnymphe ist.
Eigentlich kommt es gar nicht darauf an, dem Herrn B.
Müller war cö offenbar um eine Fülle frischen Fleisches
zu thun, daö er möglichst appetitlich zurichtete.

(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen