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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0315

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299

der wahrhaften Einfachheit, von jener unabsichtlichen, rei-
nen, objektiven Natur unterscheiden wird, wie sie sich in
unser» bessern deutschen Genre-Malern — wie vornehm
auch die Herren Franzosen und Belgier von der Höhe
ihrer technischen Meisterschaft aus sie herabsehen mögen —
in unser» Knaus', Vautier's, Nordenberg's, Rud.
Jordan's, Tidemand's, Siegert's, Lasch's, I.
Becker'S, Hofemann's offenbart.

Das alte Wort: „Man merkt die Absicht und wird
verstimmt" ist auch hier nur zu sehr zutreffend. — Freilich,
wie ist das gemalt! Wunderbar. Man betrachte dieses
Kind in seinem Schlafe! Wenn auch ein wenig raphaeli-
sirend, ist es doch durchaus originell und bezaubernd schön.
Auch die Mutter, eine echte Italienerin in jedem Zoll.
Endlich das ganze Bild als Bild eine Perle, aber eine
theure Perle allerdings, denn sie soll 4000 Thaler kosten.

(Schluß folgt.)

Die internationale Kunstausstellung in München. (Forts.)

H. Das Geur e. (Schluß.)

St ein heil in Paris schickte eine „Mutterliebe", welche
allgemein als eine Perle der Ausstellung gilt; wenigstens
in Bezug ans Technik, denn diese ist in der That außer-
ordentlich. Was die Auffassung des Motivs betrifft, so
kann man schwer begreifen, warum der Künstler zu seiner
zärtlichen Mutter gerade eine ziemlich ordinär aussehende,
fette Frauensperson als Modell gewählt, die nach über-
einstimmendem Urtheil aller Kenner und Laie» höchstens
den Eindruck einer gut genährten Amme macht.— Dagegen
sucht Stryowski aus Danzig seine Ideale unter den
polnischen Juden, von denen er eine beträchtliche Anzahl
in der Synagoge versammelt darstelltc. Die Charakteristik
ist von großer Wahrheit und die Malerei von großer
Feinheit. Ten Kate in Amsterdam zeigte sich in seinem
„Streit wegen des Spiels" als einen tüchtigen Kenner
seiner alten Landsleute, besonders Ostade's, von dem er
freilich noch Manches zu lernen hat.

Horace Vernet ist durch die „Trauer einer Araberin
am Grabe ihres Kindes" aus der Lotzbeck'schen Galerie
vertreten. Bei einigem Mangel an harmonischer Stimmung
prägt sich darin jene lebendige Wahrheit und treffende
Charakterisirung aus, welche alle Arbeiten H. Vernets
kennzeichnet. — Willich's in München „JungeZigeunerin
mit einer Eidechse spielend" zeugt von großer Energie in
Behandlung der Farbe, besonders des Helldunkels. —
Zu den figurenreichsten Bildern der Ausstellung gehört
Reinh. Seb. Ziinniermann's in München „Leihbiblio-
thek". Der Künstler setzte sich eine schwierige Aufgabe
und löste sie mit großer Gewandtheit. Es galt eine Reihe
von Charakteren klar vor Augen zu legen, ohne daß dem
Künstler die Möglichkeit gegeben war, sich die Sache durch
den Ausdruck verschiedener Affekte zu erleichtern. Wäh-
rend Willic in seiner berühmten „Testamentseröffnung"
und, um ein Beispiel aus der nächsten Nahe anzuführen,
Flüggen in seiner „Proceßentscheidung" Erwartung,
Hoffnung, Ueberraschung, Fnrckt, Besorgnis', Zorn und
ähnliche Gemüthsaffekte darzustellen hatten, während Beide
einen bestimmten wichtigen Moment fixirten, auf welchen
sich die allgemeine Aufmerksamkeit koncentrirt, hat es Reinh.
Seb. Zimmermann hier mit ganz asfektlosenZuständen,
mit einem bloß zufälligen Zusammentreffen Mehrerer an
einem und demselben Orte zu thun, wo sic überdies ein
weniger aussprechbares Interesse versammelt. Daß er
gleichwohl den Beschauer in so hohem Grade zu fesseln
versteht, ist der schlagendste Beweis von der Tüchtigkeit
seiner Leistung.

III. Thiermalerei.

Eine „Fuchshetzc" in welcher Verfolgter und Verfolger
in natürlicher Größe erscheinen, wird ein Maler in der
Regel nur auf den Wunsch eines Liebhabers malen; ge-
schieht es dann mit der Sicherheit und Bravour, welche
einem Bruno Adam in München zur Seite stehen, so
wird die Arbeit nur um so anziehender. — Durch einen
„Ungarischen Pferdetrieb" und „Von der Weide heim-
kehrcnde arabische Mutterstuten" von Emil Adam lern-
ten wir ein weiteres talentvolles Mitglied der berühmten

Familie kennen, in der die Kunst dem Sprichwort zuwider
erblich geworden zu sein scheint. — Haben schaden in
München schickte eine „Alpe mit weidendem Vieh", welches
ihm wieder Gelegenheit gab, seine ungewöhnliche Kenntniß
der Thierformen zu verwertheu. Von besonderem Reiz
ist der landschaftliche Theil des Bildes. — In seinem
„Pferdetransport" hat sich L. Hartmann in München
als ein Künstler erwiesen, dem ein Platz auf den höchsten
Stufen der Thiermalerei gebührt. Eingehendes Studium
der Natur, feinstes Gefühl für Anordnung der Massen,
kräftiges und zugleich anmuthiges Kolorit vereinigen sich
mit trefflicher Zeichnung zu einem Ganzen von glänzender
Wirkung. Dazu ist sein Vortrag weder ängstlich noch
virtuos im schlimmen Sinne des Wortes, wohl aber kräf-
tig, breit und frei.

I. A. Klein in München, der Veteran deutscher Thier-
maler, ist durch vier kleinere Bilder vertreten. Von des
Künstlers Tüchtigkeit giebt nichts ein schlagenderes Zeug-
niß, als die massenhaften Diebstähle, die mannigfach an
seinen Werken begangen werden.

Rud. Koller in Zürich ist unleugbar einer der ersten
Realisten unserer Zeit. In seiner „Idylle aus dem Berner
Oberlandc" ist ihm freilich die künstlerische Gesammt-
wirkung etwas abhanden gekommen, die nur durch die
Unterordnung des Unbedeutende» erreicht werden kann. —
Noerr in München brachte eine recht brav gemalte und
gefällig angeordnete „Pferdeschwemme", ein Bild, das sich
wie alle Arbeiten dieses Künstlers durch frische, lebendige
Auffassung auszcichnct. — Stcffeck in Berlin gilt als
einer der ersten Pferdemaler unserer Zeit und seine hier
ausgestellten Pferdestudien sind in der That vortrefflich. —
Meister Fricdr. Voltz hat „Heimkehr einer Heerde am
Herbstabend" ausgestellt, welche doch um Vieles höher an
künstlerischem Inhalt steht, als Koller's „Idylle aus dem
Berner Oberland." Es herrscht darin eine schlagende,
kernige Wahrheit in Zeichnung und Farbe. Nicht das
Mindeste stört die edle Harmonie des Ganzen, wie aus
Einem Guße steht das Kunstwerk vor uns, groß und be-
deutend in seiner Gesammtwirkung, vollendet bis in die
kleinste Einzelheit aber vollendet mit dem feinen Verständ-
niß des Künstlers, der das Ganze über dem Einzelnen
nicht aus den Augen verliert. — Des Vorigen Bruder,
Ludwig Voltz in München, zeigt einen „Dachshund,
dessen Herr verunglückt ist", wie wir aus dem grünen
Jagdhut entnehmen, der im Gestrüpp über dem jähen
Abgrund hängt. Die Trauer des treuen Thiers hätte
nicht ergreifender dargestellt werden können, als es in
diesem trefflichen Bilde geschehen.

IV. Das Bildniß.

Die Portraitmalerei ist, wenigstens nach ihrer ideellen
Seite hin, d. h. als die Darstellung des Gesammtcharak-
ters des Menschen in geistiger Verklärung der blos ma-
teriellen Aehnlichkeit — denn dies scheint uns die eigent-
liche Aufgabe des Portraits —_ nur spärlich vertreten.
Ein Hauptwerk dieser Richtung ist Bvcklin's (zu Rom)
„Brustbild einer Römerin". Hier haben wir nicht blos
die Außenseite, sondern das ganze innerste Wesen der
specisikeu Römerin, ihr Selbstbcwußtscin, ihr angeborner
 
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