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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0319

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303

n eas. Durchfahrt durch die beweglichen Symplegaden,
die von Pallas befestigt werden. Die Argonauten be-
gegnen auf ihrem Zuge dem leidenden Prometheus.
Ankunft in Kolchis und Begrüßung des Königs Astes.
Kalliope erkennt ihre Söhne unter den Argonauten.
Liebesbund von Jason und Medea in dem Haine der
Hekate. Bändigung der flammensprühenden Stiere. Raub
des golvenen Vließes mit Hilfe Medea's. Die Vermäh-
lung auf dem Schiffe. Richterspruch des Königs Alki-
nous wegen der von den Kolchern verlangten Heimkehr
der Medea. Kirke entsühnt die Neu-Vermählten von
der Schuld des Mordes an Apsyrtos. Jason bringt
dem Pelias das goldene Vließ nach Jclkos.

Es werden wohl einige Jahre vergehen, bis diese
Freskenwerke vollendet sind. Inzwischen wird das neue
Operntheater Körper gewonnen haben, und das Stadthaus,
das Reichsrathsgebäude, das Museum, das Gesellschafts-
gebäudc der Musikfreunde aus der Idee in's Leben ein-
getreten sein. Da wir bei solchen Monumeutalwerken der
Schwester-Künste nicht mehr entrathen können, und uns in
einer guten Strömung heimischer Kunstentwickluug befinden,
so gibt es Arbeit vollauf für unsere besten Kräfte, also
auch für Rah l. Leider soll unsere Universität kaum mehr
als ein Adaptirungsbau werden. Die Devise „Wissen ist
Macht" hätte eine bessere Illustration verdient.

Das Bedürfuiß sogenannter Erholungsstunden und
Zerstreuungen kennt Rahl nicht. Seine Freude ist ein
klassisches Drama, und die Lektüre großer Historiker und
Dichter Genuß und Erholung. Er liebt kein geselliges
Spiel, auch die „Milch der Greise", wie Anakreon den
Wein genannt hat, wird von ihm verschmäht. Rahl's
Vorliebe für entschiedene Formen erstreckt sich sogar bis
auf seine Speise. Das Flüssige und Formlose ist ihm in
allen Dingen zuwider.

Dabei gedeiht der Meister körperlich vortrefflich, und
die Körperfülle, welche man das Bleigewicht der Psyche
nennt, die Cäsarn so gefahrvoll erschien, vermochte die
Thätigkcit und das Ungestüm seines Künstlergeistes noch
nicht zu zügeln. Die runde Gestalt, das ehrwürdige Haupt,
bekleidet mit der Farbe der Unschuld, würden kaum die
ungeschwächte Geisteskraft Rahl's vermuthen lassen. Nur
das etwas an das Griechenthnm erinnernde, fannisch ge-
lagerte, blitzende Auge verkündet, daß die Schneide noch
nicht stumpf geworden. Um aber den vollen Gehalt des
Mannes zu erkennen, muß man ihn schaffen sehen, sprechen
hören. Er ist Feind jeder Phrase, im Bilde und in der
Rede, und seiner Logik ist auf dem heimischen Gebiete der
Kunst und der Geschichte nicht zu entrinnen. Bei seinem
durchdringenden Verstände bewegt er sich auch auf anderen
Gebieten mit merkwürdiger Sicherheit und überrascht nicht
selten durch seine schlagenden Bcnierkungcn. Wenn er aber
zu sprechen kommt auf das griechische Leben und die grie-
chische Kunst, dann hebt sich seine Gestalt, seine Geistes-
fackeln lodern und wie ein Hymnus klingt seine leichtfüßige,
volltönende Rede über den herrlichen Menschenfrühling,
über die Zeit, wo die Olympier noch unter den Menschen
wandelten und Liebespfänder tauschten, über die Zeit, welche
den Richter über ein Preisgedicht ehrte wie den Richter
über Leben und Tod.

Rahl denkt scharf, konkret, plastisch; Alles Unbestimmte,
Träumerische ist ihm verhaßt. Er kann nicht rasten und
nicht ruhen, bis das Nebelhafte, Dunkle, Unklare hell ge-
worden, und feste, bestimmte Formen gewonnen hat. Diese
Geistesrichtung macht ihn zu einem heftigen Gegner jeder
Schwäche, Kränklichkeit, Sentimentalität. Unerbittlich geht
er derselben zu Leibe, und sucht das Unkraut mit Messias-
eifer ans dem Herzen seiner Schüler zu tilgen, um sie an
klares Denken, bestimmtes Fühlen, an feste, genaue Formen
zu gewöhnen. Dieser Zug seines Charakters wurde nicht
selten als eine Sucht, jede Individualität des Lernenden
zu vernichten, ausgelegt nnd getadelt.

Aus derselben Geistes- und Gefühlsanlage läßt sich
wohl Rahl's Unempsänglichkeit für Musik, ja seine Gleich-
giltigkeit gegen die Schöpfungen dieser Kunst erklären.
Sonst hat Rahl's Natur viel Aehnlichkeit mit der Mi-
chel Angelo's, mit dem er auch gemein hat, daß er
unvermählt geblieben. Doch wird erzählt, der trotzige,
von Liebe nie gebeugte Italiener hätte sich gerühmt, noch
nie im Leben ein Weib geküßt zu haben. Ich will es
unterlassen hier Parallelen zu ziehen, und nur bemerken,
daß Rahl im Punkte der Liebe eher dem Faust-Dichter
als seinem künstlerischen Verbilde gefolgt ist.

Einst — ich glaube cs war während seines zweiten
Aufenthalts in Italien — verschwand Rahl plötzlich aus
Rom. Seine Freunde glaubten ihn auf eineni Studien-
ausflngc in der Campagna. Ihn lockte aber die brennende
Sonne Neapels und der Vesuv mit seiner Pinienkrone
aus Feuer, Asche und Rauch, das reizende Jschia, die
Wunderwelt von Capri, das tiefblaue Meer, die schat-
tigen Orangcnwälver, das milde Amalfi, die griechischen
Tempel und ein feuriges Auge, das ihn auf diesem Aus-
fluge begleitete. Der Zufall halte den Künstler mit einer
jungen Neapolitanerin zusammengeführt, die sich mit aller
Gluth und Inbrunst einer liebenden Südländerin an ihn
anschloß. Der Zaubergesang der Rede, das niemals zage,
nie versagende Herz, flammend wie der Berg, an dem es
geboren, bemächtigten sich ganz des jungen Künstlerblutes
und zogen den Mann so unwiderstehlich in ihre Kreise
hinein, daß er Vergangenheit und Zukunft in seiner Selig-
keit begrub. Allein die trockene Wirklichkeit, die kein Herz
für diese ihr fremde Welt, und für jede Schwärmerei ihren
Regulator hat, trat bald störend ein. Ihre Gebote waren
unabweislich, und so galt cs den Bruch. Ein rascher Ent-
schluß — und der Liebestraum war überstandeu, der Künst-
ler hatte sich wieder.

Noch in späteren Jahren nahte Hymen dem Künstler
in der Gestalt eines anmuthigen Mädchens, von dem meh-
rere Bilder in die Oeffentlichkcit gekommen sind. Ich glaube,
daß der Verlust dieses Mädchens, das einem jüngeren
Manne in ein kümmerliches Leben folgte, strahl hart ge-
troffen hat. Das Schwerste ist überwunden, aber heute
noch scheint es, als verliere die markige Stimme an Festig-
keit, als überziehe das Auge ein feuchter Glanz, wenn
man der Verlornen gedenkt.

Es hätten diesem Bilde noch mancherlei Züge roman-
hafter Natur hinzugefügt werden können; allein solche De-
tails zerstreuen die Aufmerksamkeit, und die Zeichnung des
Künstlercharakters wird dadurch doch nicht vervollständigt.
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