Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0350

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
334

zu erleichtern. Ich hatte das Alles im Laufe der Jahre
vergessen, Achtermaun rief cs mir, als ich in Rem war,
durch Erzählen in's Gedächtniß zurück. — Achtermaun
ist jetzt berühmter Bildhauer in Rom. Er kam als ein
überaus einfacher, wahrhaft demüthiger, frommer Mensch
nach Berlin, und er wird dies in seinem Innern gewiß
jetzt noch sein. Nur hat er leider gesehen, daß diese
Frömmigkeit und Demuth ihm sehr nützlich geworden ist,
und so ward Das, waS ihm erst unbewußt innewohnte
und Theilnahme und Interesse für ihn erregte, leider
niehr znm Bewutztsein, so daß es sehr bemerkbar hervortritt.

In näheres Verhältniß trat ich zu dem Maler und
Dichter Re inick, der mir später ein lieber, theuerer Freund
wurde. Von Nichtkünstlern waren es Kugler, Gruppe,
Professor in Berlin, Erdniann, jetzt Professor der Phi-
losophie in Halle, Schöll, Hofrath in Weimar, und
Wackernackel in Basel, mit denen ich öfters verkehrte."

Rietschel war von Ideen bewegt und erfüllt, die aber
keine rechte Gestalt annehmen wollten. Rauch kümmerte
sich darum fast gar nicht, wie er denn auch beim Korri-
giren nicht viel sprach, sondern mit einigen meisterhaften
Strichen alles gleich so ordnete, daß auch ohne Beweise
und Gründe klar wurde, warum cs so sein müsse. Riet-
schel erklärt nun zwar diese Art von Korrektur für die
belehrendste, setzt aber hinzu, daß es beim Entwerfen einer
Idee nicht ohne Beweise und Gründe für und gegen ab-
gehe, auch das größte Talent brauche darin Uebung und
werde durck guten Rath gefördert. Da nun Alles, was
er kvmponirte, weit hinter Dem zurückstand, was er erstrebte,
verlor er den Muth und versank oft in eine schwermüthige
Stimmung. So erging es ihm auch, als er von Rauch
aufgefordert, eine runde freistehende Figur zu machen, sich
die Aufgabe eines jugendlichen David gewählt hatte.

Während er sich noch an letzterem mühte, rückte die
jährliche Konkurrenz um das akademische Stipendium zu
einer Reise nach Italien heran (1828). Obwohl er als
Ausländer es nicht erhalten konnte, beschloß er doch, sich
am Wettkampf zu betheiligen, um sich gleichsam Gewiß-
heit über seinen Beruf zur Kunst zu verschaffen. Der
Gegenstand des Konkurrenz-Reliefs war: „Penelope, ihrem
Gemahl Odysseus folgend, welcher den Wagen besteigen
will, wird von ihrem Vater Jkarios gebeten, bei ihm zu
bleiben." Die Akademie erkannte Rietschel's Arbeit, wie
es in einem Zeugniß vom 12. Juni 1829 heißt, wegen
ungesuchter Natürlichkeit der Motive, Deutlichkeit und
Geschmack der Anordnung und seltener Tiefe des Aus-
drucks einstimmig den ersten Preis zu. Sein Glück war
übermäßig! Seine Zweifel an sich und seinen Fähig-
keiten machten einem muthigcn Glauben an seine künstle-
rische Bestimmung Platz. Der akademische Senat erließ
nun ein Schreiben an die sächsische Regierung und em-
pfahl ihn dort für ein Reise-Stipendium, was ihm auch
mit 120o Thlr. für drei Jahre bewilligt wurde. Gleich-
zeitig entband ihn der Minister von Einsiedel unauf-
gefordert der für Lauchhammer eingegangenen Verpflich-
tungen , um seiner weiteren künstlerischen Entwickelung
nicht hinderlich zu sein und stand ihm auch noch ferner
edelmüthig bei, bis er in den Stand gesetzt war, weitere
Unterstützung entbehren zu können.

„Rauch trug mir an, ihn im Juni 1820 nach München
zu begleiten, wo er die kolossale Statue des Königs Mar
zu vollenden hatte. Ich sollte ihm Helsen, bei ihm woh-
nen, kurz — ihm Umgang und Hülfe sein. Man kann
sich denken, wie dieser Beweis von Rauch's Zuneigung
und Vertrauen mich erfreute. — Ich reifte mit Ranch in
schönster Jahreszeit und glückselig nach München ab. So
comfortable — Rauch hatte eigenen Wagen und Extra-
postpferde — war ich noch nie gereist. In Weimar wurde
einen Tag lang gerastet. Rauch nahm mich mit zu Göthe,
dessen bekannte Statuette im Oberrocke etwas geändert
werden sollte, da Göthe sich beklagt hatte, daß sie ihm
zu dick erscheine. Rauch änderte, modellirte vorn und
nahm ab, ich arbeitete etwas an der Rückenseite, während
der alte Herr zwischen uns stand, liebenswürdig erzählte
und dann Kupferstiche zeigte. In Wort und Blick äußerte
er einen unbeschreiblich milden Ausdruck. Wir blieben zu
Tisch, wobei Kanzler von Müller mit zugegen war,
fuhren Nachmittags mit dem jungen Göthe aus und blie-
ben auch beim Abendtisch. Göthe sprach lebendig von
seiner Harzreise und de» Tagesereignissen; über uns alle
war eine behagliche Stimmung verbreitet. — In München
gefiel es mir ungemein. Mein Freund Thäter kam auch
nach vier Wochen von Berlin an, um längere Zeit zu
bleiben. Ich wohnte und lebte höchst angenehm. Rauch's
Umgang war ungemein anregend; herrlicher Genuß, täg-
lich mit ihm beim Frühstück und Mittagessen zusammen
zu sein, oder auch kleine Partien mit ihm zu machen!
Abends war ich für mich, da Rauch in Gesellschaft ging.
Ich hatte mit den vorzüglichsten der jüngeren Künstler
Umgang. Thäter, Moritz von Schwind und dessen
Landsleute, Binder, Schulz und Schalter, sowie ich
bildeten oft einen kleinen Club im Bierhause. Auch nahm
ich zuweilen an einem andern kleinen Kreise Theil, der aus
Künstlern und Studenten bestand, wo ich Kaulbach traf,
auch Kohl den bekannten Reisenden. Später kam der
treffliche Neuber nach München, um dort noch ein Se-
mester zu studiren. In der liebenswürdigen Familie des
preußischen Gesandten von Küster hatte ich durch Rauch
Zutritt erhalten und war oft dort; auch zu Schnorr kam
ich zuweilen, an Cornelius aber wagte ich mich nicht.
Man rühmte mir zwar sein Wohlwollen, seine theilnch-
mende Güte, doch hielt mich daö Gefühl der tiefsten Ehr-
furcht fern.

In der Werkstatt half ich Rauch an der Figur der
Bavaria am Postamente des Königs Max, während die
beiden andern Schüler Rauch's, Sanguinetti und Berges,
an der Könsgsstatue arbeiteten, die sie, als wir nach
München kamen, nach einem lebensgroßen Hülfsmodelle
schon ziemlich weit vorbereitet hatten. Gegen Ende Ok-
tober war das Werk in Thon vollendet. Rauch reiste
nach Italien und ich begleitete ihn bis Innsbruck. Die
herrliche Alpenkcttc war stets bei unser,» Frühgange in
die Werkstatt ein Ziel meiner Sehnsucht gewesen. Wenn
der Schnee durch die Morgensonne beleuchtet von den
blauen Bergen herüberschimmerte, dann weckte sie Reise-
lust und frischen Muth in die Ferne; und wenn sie im
Abendschein fern zu erglühen schien, füllte sie die Seele
mit Bildern voll Schönheit.
 
Annotationen