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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0371

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355

lich mehr sind, als in Deutschland, damit der auf diesem Ge-
biete weniger erfahrene Leser sieht, daß wir in Erforschung un-
serer mittelalterlichen Kunstdenkmäler noch hinter den Franzosen
und Engländern zurückstehen. Freilich verhält cs. sich mit diesen
ähnlich wie mit den Deutschen: jede Nation behandelt vorzugs-
weise und mit wahrer Sachkenntniß fast nur ihr eigenes Land.

Die Gegenstände, welche bei der Beschreibung der „Kirchen-
gebäude im Allgemeinen" ohne Rücksicht auf stilistische Verschie-
denheit zur Sprache kommen, sind die Baulinien in liturgischer
und in technischer Beziehung, der Grnndplan, die verschiedenen
Arten von Kapellen (wo der Verfasser, von den Doppclkapellcn
und deren Zweck redend, sich der richtigen Ansicht des leider
früh verstorbenen Wilh. Weingärtner, daß die untere Ka-
pelle stets eine sepulkrale Bedeutung hat, zuneigt, aber die Set.
Georgskapelle auf dem Schlosse Trausnitz hier lieber nicht hätte
anführen sollen, weil sic doch eigentlich keine Doppclkapclle ist;
auch wäre der Aufsatz über die Taufkapellen und Taufsteine in
Oorblvt's livvne sie l’Art chretien. 1858, S. 18ft. zu er-
wähnen), und das Baumaterial; ein Abschnitt, dem wie dem Vor-
hergehenden eine besonders treffliche Ueberarbeitnng und Erwci-
ternng zu Theil geworden ist. In der speciellen Behandlung
der „einzelnen Thcile des Kirchcngcbäudcs" macht der Verfasser
nach v. Qua st's Vorgänge die richtige Unterscheidung zwischen
Altarhaus und Chor. Ersleres, als Gegensatz zu Lang-
haus und Querhaus, bezeichnet natürlich nur den Altarraum,
das Sanctuarium, letzteres freilich faktisch oft mit elfterem iden-
tisch , bezeichnet den ganzen an zwei Seiten von den Sitzen der
Geistlichkeit eingefaßten Raum, also oft auch die Vieerung. Hier
hätte meines Erachtens auch schon ans den Chorumgang oder
die (später S. 50 erwähnte) Herumführung der Seitenschiffe um
den Chor, sowie beim Onerhause auf die in England heimische
Eigenthümlichkeit eines östlichen Seitenschiffes des Querhauses
und auf das ursprüngliche Vorbild des sog. Kleeblattgrundrisses
von Maria auf dem Kapitol hingewiesen werden sollen, worüber
Vitet und Ramee, In Cathedraie de Xoyou PI. XXIII.
S. 204ff.) das Meiste zusammengestellt haben. Hoffentlich wird
dies im speciellen Theilc über die romanischen Kirchen noch nach-
gcholt. Der Verfasser redet sodann sehr detaillirt über die
Thürme, ihre Entstehung, Lage, Zahl, Höhe, Inneres u. s. w>,
über das Zwischcnhaus, über Thürcn und Fenstern, Dach, Fuß-
boden, Emporen, sowie über die kirchlichen Anbauten, als Kreuz-
gang, Kapitelsaal, Refektorium, Sakristeien, und in zwei An-
merkungen über den Flächenraum der Kirchen und die Symbolik
des Kirchenbaues, wobei er natürlich der spielenden Sinnbildne-
rei Kreuser's nicht zustimmt.

Nach einem in dieser Auflage völlig neu hinzugckommenen
„Anhang über die bauliche Einrichtung der Klöster bei einigen
Hauptordcn" kommt der Verfasser zum zweiten Hauptabschnitt
dieser ersten Lieferung, zur „inneren Einrichtung und Aus-
schmückung der Kirchen", wo er, wie es mir scheint, mit noch
größerer Genauigkeit zu Werke geht, als im ersten Hauptabschnitt.
Er zerfällt in drei Thcile: a) Altar und Altarschmuck, b) Hei-
lige Gefäße, c) Ausstattung der Kirchen mit Gestühlen, Kanzel,
Taufstein, Orgel, Grabdenkmäler, Glocken und verschiedenen un-
tergeordneten Gegenständen in alphabetischer Reihenfolge. Aus
der Fülle des hier mitgctheilten (von S. 95 bis S. 268 reichen-
den) Stoffes heben wir nur die Besprechung der Chorstühle
hervor, wo der Verfasser die kürzlich beschriebenen bedeutenden
Bruchstücke im Dom zu Bremen aus dem Jahre 1366 wohl
hätte erwähnen sollen, weil sie unseres Wissens unter den mit
figürlichen Darstellungen geschmückten die ältesten sind. Im

klebrigen können wir nicht umhin, grade auf diesem ganzen Ab-
schnitt die Aufmerksamkeit aller Archäologen vorzugsweise zu len-
ken, weil die Behandlung fast jedes der erwähnten Gegenstände
in ihrer Art etwas in sich Abgeschlossenes und Ganzes ist, so
vollständig auch in den Beispielen und deren Beschreibung, daß
der Verfasser sich für den zweiten oder historischen Theil seines
Werkes, in welchem der früheren Anordnung des Buches gemäß
eine Menge dieser Beispiele später noch einmal Vorkommen müß-
ten, schon Vieles anticipirt zu haben scheint.

Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, daß in dieser neuen
Auflage der Verfasserin den einzelnen, sci's deutschen oder la
teinischen Benennungen der kirchlichen Gegenstände und in dem
Gebrauch der architektonischen Ausdrücke um Vieles genauer und
reichhaltiger ist, als in der dritten Auflage, daß daher aus die-
ser vierten Auflage seinem „archäologischem Wörterbuche" große
Bereicherungen erwachsen werden. Aus der Lektüre von Viollet-
le-Duc, Ramee, Scott, Fergnsson, dem Builder n. A.
liegt uns davon bereits eine ansehnliche Menge vor.

H. A. Müller.

Kunst und Künstler des 16., 17. und 18. Jahrhun-
derts. Herausgcgeben von A. Wolfgang Becker.

Zweiter Band (Lieferung 10—15). Leipzig 1863.

Verlag von E. A. Semann.

Im Anschluß an unfern Bericht (in Rro. 17 d. I. und
Nro. 22 d. v. I.) und mit Vorbehalt einer allgemeineren Cha-
rakteristik des Ganzen nach Schluß desselben, zeigen wir heute
nur das Erscheinen der Lieferungen 10—15 des obigen trefflichen
Werkes an, welches für den an der Geschichte seiner Vorgänger
und Meister irgendwie Antheil nehmenden Künstler sowie für
jeden Gebildeten eine höchst anregende und belehrende Lektüre ist.
Das rüstige Fortschreiten des Werkes sowie die nngcschwächtc
Kraft des Herausgebers geben eine nicht minder sichere Gewähr
für die baldige Vollendung des Ganzen, wie die anerkennens-
wcrthe Sorgfalt des Verlegers in der Ausstattung desselben. —
Die vorliegenden Lieferungen umfassen die erste Hälfte des zwei-
ten Bandes und enthalten >. die hauptsächlichsten Künstler aus
der Schule der Carracci, namentlich „Guido Rem", „Do-
minichino", „Guercino"; 2. die neuilorentinischc Schule:
„Christ. Allori", „Carlo Dolci"; 3. die neapolitanische
'S chnlc: „Ribera", „Salvator Rosa" ; 4. die spanischeSchule:
„VclaSqucz", Alonso Cano", „Murillo"; 5. die französische
Schule: „Poussin", „Claude Lorrain", „Callot", „Mignard",
„Lesucur", „Lebrün"; 6. Lorenzo Bernini und seine Schule.
— Bis hierher geht die erste Abthcilung des zweiten Bandes.
Dann folgen in der zweiten Abthcilung die Niederländischen
und Deutschen Meister des 17. Jahrhunderts und zwar

1. die brabunter Schule: „Rubens", „van Dyck", „Jor-
daens", „Tcniers d. I."; jedoch gießt diese letzte Lieferung nur
einen Theil des Rubens, das klebrige bleibt den späteren Liefe
rnngcn Vorbehalten. Man sieht also, daß die vorliegenden Hefte
vorzugsweise reichhaltig find. Vortrefflich und sehr charakteristisch
sind auch die zahlreichen Holzschnitte, welche zum Theil die Por-
traits der betreffenden Künstler, thcils Abbildungen ihrer Haupt-
werke darftellen, und auch in der technischen Durchführung alle
Anerkennung verdienen. Wir geben hier als Probe das Portrait
von Rubens.*) Und so können wir denn unsere frühere Empfeh-
lung des trefflichen Werkes nur mit voller Ueberzeugung wieder-
holen. M. Sr.

*) Siehe S. 353.

Knnstverkchr.

Gesucht:

Nr. 1 erledigt mit Dank für die eingelaufcnen Offerten.

Skr. 2 und 3 erledigt.

Nr. 4. Vollständige Ausgabe der Ridinger'schen Radi-
rungen und Äupserstiche.

Angeboten:

1. Die 24 Platten der berühmten landschaftlichen Radirun-
gcn des verstorbenen Direktors Karl Frommel. (S. die An-
nonce in Nro. 36 d. DioSk.)

2. Die Schönheitengalerie des Königs Ludwig,
36 Kunstblätter in Stahlstich u. s. f.; vollständig und wohl er-
halten. (Verlag von Piloty und Löhlc) für 18 Thlr. (Laden-
preis 36 Thlr.)

3. Picrer's Universaltexicou; neuste Ausgabe (noch
nicht vollendet) 15 Bände, wird bis zum Schluß geliefert; pro
Band I Thlr. (Subskriptionspreis 1 Thlr 20 Sgr).

4. Eine Sammlung von 600 antiken Gemmen und 4000
antiken Glaspasten, einzeln oder im Ganzen. Frankirte
schriftliche Anfragen bei der Redact. d Diosk.
 
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