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Kunstgeschichte und Antiquitäten.
Neueste Forschungen über die altflandrische Malerschule.
Das bisherige Dunkel, welches über ver altflandrischen
Malerschule ausgebreitet ist, lichtet sich Dank der belgischen
Kunstforschung immer mehr. So eben ist wieder eine
kleine Schrift erschienen, vom Ritter LeondeBourbure,
die unedirte Dokumente aus den Archiven von Antwerpen
veröffentlicht, wodurch wir bestimmte Kenntniß von zwei
Malern erhalten, über welche die Angaben bisher nur auf
Vermuthungen beruhten. Goswin van der Weyden,
der seinen Namen unter sein großes Altargemälde in der
Abteikirche von Tongerloo gesetzt, war der Enkel des viel-
gepriesenen altern RogervanderWeyden, über dessen
umfassende künstlerische Thätigkeit jetzt wenig Zweifel mehr
bestehen dürften. Goswins Vater war wahrscheinlich Peter
van der Weyden, dessen Name in den Archiven von
Tournay vorkommt, und der in den Stadtbüchern von Brüssel
im Jahre 1491 noch als am Leben aufgeführt ist. Gos-
win, der 1535 siebenzigjährig genannt wird, ist demnach
1465 geboren. Goswin lebte (bereits 1503) als „Meister"
zu Antwerpen. Als seine Schüler werden aufgeführt 1503
Peter Borelant, 1504 Symon der Portugiese,
1507 Heinrich van Meurs und Arnold van der
Bete ne, 1512 Cornelis vanBerghen und Franz
Dreyselern, 1513 EngelJngelsone, 1517 Hein-
rich Symons; 1514 und noch einmal 1530 wirb er
Vorstand der Malergilde. Sein Gemälde in der Kirche
von Tongerloo trägt die Jahrzahl 1535; und 1538 wird
er noch einmal in einem Dokument in Verbindung mit
seinem Sohne Roger (d. I.) genannt. Seine Frau war
aus der Malerfamilie Benninck, und Roger war Beider
einziges Kind. — Dieser Rogerd. I. ward bereits 1528
als „Meister" in die Malergilde von S. Lucas zu Ant-
werpen aufgenommen. Man findet nur einen Maler als
seinen Schüler ausgezeichnet: Jan de Jonghe 1536.
— Hieraus ergiebt sich, daß Carl van Mander falsch
unterrichtet war, da er Roger van der Weyden d. I.
als 1529 gestorben angiebt.
Roger d. I. war vermählt mit Anna Mannaerts
und hatte von ihr drei Kinder, Anton, Roger und
Katharine; war aber am 24. Juli 1543 nicht mehr am
Leben, da ein Dokument von diesem Tage seine Frau als
Wittwe nennt. Die Familie der Roger lebte vom älteren
Roger her im Wohlstände und Ansehen; von den beiden
Söhnen des jüngern Roger ist keiner ein Künstler ge-
worden. . n, .
Aus den hier mitgetbeilten dokumentirten Angabe» über
die Nachkommen des ältern Rogerv. d. Weyden geht,
wie es scheint zur Genüge, hervor, daß wir über ihre
Arbeiten bisher nicht wohl unterrichtet waren. Da wir
Mit van Mander 1529 als das Todesjahr von Roger d. I.
angenommen, wurden ihm die Bilder (gleicher Art) zuge-
schrieben, deren Entstehung noch in den Ausgang des
15. Jahrhunderts fallen mußte, wie vvrnam ich das große
Gemälde der Kreuzabnahme im berliner Museum. Das
ist nun jedenfalls irrig, da dasselbe offenbar lange vor der
Zeit von Rogers künstlerischer Thätigkeit entstanden ist.
Bleiben wir also bei der Familie (wozu uns namentlich
dieses Bild berechtigt, dessen Komposition vom altern
Roger herrührt), so werden wir noch zu entscheiden haben,
ob an die Stelle des jünger» Roger sein Vater G o s-
win, oder sein Großvater Peter einzutreten habe? Die
Wahrscheinlichkeit spricht für Peter, dessen thätigkeit noch
ganz in's fünfzehnte Jahrhundert fällt; während Goswin
seine Werkstatt in Antwerpen erst am Anfang des 16.
Jahrhunderts eröffnet zu haben scheint. Einigen Ausschluß
werden jedenfalls die Gemälde von ihm in Tongerloo
geben, obschon sie aus seinem siebenzigsten Jahre herstam-
men und die Jahrzahl 1535 tragen, zu welcher Zeit der
Stil bedeutende Umwandlungen erlitten hatte. — Uebrigens
findet sich der Name van der Weyden (oder van der
Weeden, van der Wye) noch öfter in den Stadtbüchern
von Antwerpen: ein Goswin um 1475; sein Sohn Peter
1491, gestorben 1517; dessen Sohn Christoph, Geistlicher
an der Kathedrale; Renier, Architekt in Antwerpen um
1422, und zwei Söhne, Alexander und Gerhard. 1539
wurde ein Peter v. d. Wye in die Malergilde ausgenommen;
und ein Heinrich v. d. Weyden lebte um dieselbe Zeit in
Antwerpen mit vier Kindern: Heinrich, Georg, Marie und
Katharine, von denen Georg 1555 als gestorben ausge-
führt wird.
Historische Notizen.
Pompeji. In letzter Zeit ist in Pompeji, nächst dem neu
entdeckten Juno-Tempel, von dem bereits die Rede war, ein
Haus bloßgelegt worden, daß seiner Zeit einem Millionär
gehört haben muß, denn die Möbel daselbst sind aus
Elfenbein, Bronze und Marmor. Namentlich im Tricli-
nium sind die Lagerstätten ganz besonders reich ausge-
stattet und der Estrich mit einer wunderschönen Mosaik
bedeckt, deren Mittelstück eine üppig servirte Tafel dar-
stellt, ans der auch Vögel mit prachtvollem Gefieder pran-
gen. Rings um dieselben sieht man einen Kranz von
Hummern, deren einer ein blaues Ei in seinen Scheeren
hält, während ein zweiter eine geöffnete Auster, ein drit-
ter eine farcirte Ratte (!) und ein vierter eine Schale mit
gerösteten Austern darbietet. Ein zweiter Kranz besteht
auS Schüsseln, gefüllt mit Fischen, Rebhühnern, Hasen
und Eichhörnchen, die den Kops zwischen den Vorderpfoten
halten. Die dritte und vierte Guirlande besteht aus
Würsten, Eiern, Austern, Oliven, Früchten und Gemüsen
aller Art. Die Wände des Tricliniums sind mit schönen
Fresko-Malereien bedeckt. In der Mitte des Gemaches
fand sich ein sehr wohl erhaltener Tisch aus seltenem Holze,
inkrustirt mit ciselirtem Golde, Marmor, Achat und La-
surstein. Auf demselben standen Krüge und einige Trink-
gefäße aus Onyx.
Neapel. Man sieht hier dem Erscheinen eines könig-
lichen Dekrets entgegen, das in archäologischen Kreisen
mit Freuden begrüßt werden wird. Die Expropriation der
aus dem verschütteten Herkulanum befindlichen Gründe
soll aus Motiven des öffentlichen Interesses angeordnet
werden. Der Umstand, daß ein Theil der Stadt Restna
über dem verschütteten Herkulanum liegt, hatte die frü-
heren Regierungen von dieser Maaßregel abgehalten, ob-
wohl die antiquarische und artistische Ausbeute, die man
in der ehemaligen griechischen Kolonie zu finden hoffen
darf, sowohl qualitativ als quantitativ weit lohnender als
jene von Pompeji sein dürfte. Namentlich glaubt man
schätzbare Papyrus-Manuskripte und eine Fülle solcher
Objekte zu finden, die in Pompeji durch Ströme siedenden
Wassers, von denen Herkulanum verschont blieb, ver-
nichtet wurden. Andererseits muß aber auch bemerkt wer-
den, daß die Bloßlegungs-Arbeiten außerordentlich schwie-
rig sein werden. Pompeji ist nur wenige Ellen hoch ver-
schüttet; die Lava-und Bimssteinlast, die dem verschütteten
Herkulanum als riesiger Grabstein dient, mag zum min-
desten die zehnfache Mächtigkeit haben.
Kunstgeschichte und Antiquitäten.
Neueste Forschungen über die altflandrische Malerschule.
Das bisherige Dunkel, welches über ver altflandrischen
Malerschule ausgebreitet ist, lichtet sich Dank der belgischen
Kunstforschung immer mehr. So eben ist wieder eine
kleine Schrift erschienen, vom Ritter LeondeBourbure,
die unedirte Dokumente aus den Archiven von Antwerpen
veröffentlicht, wodurch wir bestimmte Kenntniß von zwei
Malern erhalten, über welche die Angaben bisher nur auf
Vermuthungen beruhten. Goswin van der Weyden,
der seinen Namen unter sein großes Altargemälde in der
Abteikirche von Tongerloo gesetzt, war der Enkel des viel-
gepriesenen altern RogervanderWeyden, über dessen
umfassende künstlerische Thätigkeit jetzt wenig Zweifel mehr
bestehen dürften. Goswins Vater war wahrscheinlich Peter
van der Weyden, dessen Name in den Archiven von
Tournay vorkommt, und der in den Stadtbüchern von Brüssel
im Jahre 1491 noch als am Leben aufgeführt ist. Gos-
win, der 1535 siebenzigjährig genannt wird, ist demnach
1465 geboren. Goswin lebte (bereits 1503) als „Meister"
zu Antwerpen. Als seine Schüler werden aufgeführt 1503
Peter Borelant, 1504 Symon der Portugiese,
1507 Heinrich van Meurs und Arnold van der
Bete ne, 1512 Cornelis vanBerghen und Franz
Dreyselern, 1513 EngelJngelsone, 1517 Hein-
rich Symons; 1514 und noch einmal 1530 wirb er
Vorstand der Malergilde. Sein Gemälde in der Kirche
von Tongerloo trägt die Jahrzahl 1535; und 1538 wird
er noch einmal in einem Dokument in Verbindung mit
seinem Sohne Roger (d. I.) genannt. Seine Frau war
aus der Malerfamilie Benninck, und Roger war Beider
einziges Kind. — Dieser Rogerd. I. ward bereits 1528
als „Meister" in die Malergilde von S. Lucas zu Ant-
werpen aufgenommen. Man findet nur einen Maler als
seinen Schüler ausgezeichnet: Jan de Jonghe 1536.
— Hieraus ergiebt sich, daß Carl van Mander falsch
unterrichtet war, da er Roger van der Weyden d. I.
als 1529 gestorben angiebt.
Roger d. I. war vermählt mit Anna Mannaerts
und hatte von ihr drei Kinder, Anton, Roger und
Katharine; war aber am 24. Juli 1543 nicht mehr am
Leben, da ein Dokument von diesem Tage seine Frau als
Wittwe nennt. Die Familie der Roger lebte vom älteren
Roger her im Wohlstände und Ansehen; von den beiden
Söhnen des jüngern Roger ist keiner ein Künstler ge-
worden. . n, .
Aus den hier mitgetbeilten dokumentirten Angabe» über
die Nachkommen des ältern Rogerv. d. Weyden geht,
wie es scheint zur Genüge, hervor, daß wir über ihre
Arbeiten bisher nicht wohl unterrichtet waren. Da wir
Mit van Mander 1529 als das Todesjahr von Roger d. I.
angenommen, wurden ihm die Bilder (gleicher Art) zuge-
schrieben, deren Entstehung noch in den Ausgang des
15. Jahrhunderts fallen mußte, wie vvrnam ich das große
Gemälde der Kreuzabnahme im berliner Museum. Das
ist nun jedenfalls irrig, da dasselbe offenbar lange vor der
Zeit von Rogers künstlerischer Thätigkeit entstanden ist.
Bleiben wir also bei der Familie (wozu uns namentlich
dieses Bild berechtigt, dessen Komposition vom altern
Roger herrührt), so werden wir noch zu entscheiden haben,
ob an die Stelle des jünger» Roger sein Vater G o s-
win, oder sein Großvater Peter einzutreten habe? Die
Wahrscheinlichkeit spricht für Peter, dessen thätigkeit noch
ganz in's fünfzehnte Jahrhundert fällt; während Goswin
seine Werkstatt in Antwerpen erst am Anfang des 16.
Jahrhunderts eröffnet zu haben scheint. Einigen Ausschluß
werden jedenfalls die Gemälde von ihm in Tongerloo
geben, obschon sie aus seinem siebenzigsten Jahre herstam-
men und die Jahrzahl 1535 tragen, zu welcher Zeit der
Stil bedeutende Umwandlungen erlitten hatte. — Uebrigens
findet sich der Name van der Weyden (oder van der
Weeden, van der Wye) noch öfter in den Stadtbüchern
von Antwerpen: ein Goswin um 1475; sein Sohn Peter
1491, gestorben 1517; dessen Sohn Christoph, Geistlicher
an der Kathedrale; Renier, Architekt in Antwerpen um
1422, und zwei Söhne, Alexander und Gerhard. 1539
wurde ein Peter v. d. Wye in die Malergilde ausgenommen;
und ein Heinrich v. d. Weyden lebte um dieselbe Zeit in
Antwerpen mit vier Kindern: Heinrich, Georg, Marie und
Katharine, von denen Georg 1555 als gestorben ausge-
führt wird.
Historische Notizen.
Pompeji. In letzter Zeit ist in Pompeji, nächst dem neu
entdeckten Juno-Tempel, von dem bereits die Rede war, ein
Haus bloßgelegt worden, daß seiner Zeit einem Millionär
gehört haben muß, denn die Möbel daselbst sind aus
Elfenbein, Bronze und Marmor. Namentlich im Tricli-
nium sind die Lagerstätten ganz besonders reich ausge-
stattet und der Estrich mit einer wunderschönen Mosaik
bedeckt, deren Mittelstück eine üppig servirte Tafel dar-
stellt, ans der auch Vögel mit prachtvollem Gefieder pran-
gen. Rings um dieselben sieht man einen Kranz von
Hummern, deren einer ein blaues Ei in seinen Scheeren
hält, während ein zweiter eine geöffnete Auster, ein drit-
ter eine farcirte Ratte (!) und ein vierter eine Schale mit
gerösteten Austern darbietet. Ein zweiter Kranz besteht
auS Schüsseln, gefüllt mit Fischen, Rebhühnern, Hasen
und Eichhörnchen, die den Kops zwischen den Vorderpfoten
halten. Die dritte und vierte Guirlande besteht aus
Würsten, Eiern, Austern, Oliven, Früchten und Gemüsen
aller Art. Die Wände des Tricliniums sind mit schönen
Fresko-Malereien bedeckt. In der Mitte des Gemaches
fand sich ein sehr wohl erhaltener Tisch aus seltenem Holze,
inkrustirt mit ciselirtem Golde, Marmor, Achat und La-
surstein. Auf demselben standen Krüge und einige Trink-
gefäße aus Onyx.
Neapel. Man sieht hier dem Erscheinen eines könig-
lichen Dekrets entgegen, das in archäologischen Kreisen
mit Freuden begrüßt werden wird. Die Expropriation der
aus dem verschütteten Herkulanum befindlichen Gründe
soll aus Motiven des öffentlichen Interesses angeordnet
werden. Der Umstand, daß ein Theil der Stadt Restna
über dem verschütteten Herkulanum liegt, hatte die frü-
heren Regierungen von dieser Maaßregel abgehalten, ob-
wohl die antiquarische und artistische Ausbeute, die man
in der ehemaligen griechischen Kolonie zu finden hoffen
darf, sowohl qualitativ als quantitativ weit lohnender als
jene von Pompeji sein dürfte. Namentlich glaubt man
schätzbare Papyrus-Manuskripte und eine Fülle solcher
Objekte zu finden, die in Pompeji durch Ströme siedenden
Wassers, von denen Herkulanum verschont blieb, ver-
nichtet wurden. Andererseits muß aber auch bemerkt wer-
den, daß die Bloßlegungs-Arbeiten außerordentlich schwie-
rig sein werden. Pompeji ist nur wenige Ellen hoch ver-
schüttet; die Lava-und Bimssteinlast, die dem verschütteten
Herkulanum als riesiger Grabstein dient, mag zum min-
desten die zehnfache Mächtigkeit haben.