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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 17.1905-1906

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Grolman, C.: Die Ausstellung zur Hebung der Friedhofskunst zu Wiesbaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.7136#0323

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Dr. Carl von Grohnan—Wiesbaden :

PROF. ADOLF HILDEBRAND—MÜNCHEN.

herrscht der Professor der Kunstgewerbeschule
und die Schönheit wird in der Anhäufung sinn-
und zweckloser Ornamente gefunden.

Anfang der achtziger Jahre erschien ein
Werk, künstlerische Grabdenkmäler Münchens,
das den ganzen Jammer dieser Zeit erkennen
lässt. Alles Gefühl für künstlerische Einheit
scheint erloschen, von der Möglichkeit die Plastik
dekorativ zu verwerten, ihr die Architektur
zum schmückenden Rahmen zu geben, wodurch
sie namentlich bei kleineren Dimensionen erst
Körper und Daseinsmöglichkeit im Freien ge-
winnt, weiss man überhaupt nichts mehr. Da
ist ein Blatt: Mitten auf dem Grab steht eine
Büste mit gedrehtem Fuss auf rundem Sockel
und dahinter ohne Zusammenhang sieht man
eine giebelgekrönte Wand, die in gleicher Höhe
mit der Büste ein kleinfiguriges Relief trägt.
Erst Hildebrand war es vorbehalten, der Plastik
die Zunge zu lösen, indem er sie mit der Archi-
tektur vermählte. Zur Zeit als genanntes Werk
entstand, schuf er aus den gleichen Elementen
das köstliche Grabmal Hillebrand auf dem
Florentiner Friedhof, das die Ausstellungsleitung
mit einigen andern dort verborgenen Juwelen
ans Licht zog. Auch das ähnliche Grabmal
Röhrer entstand um die gleiche Zeit.

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Privat-Friedhof der Familie v. II.

Dennoch sollte es den letzten 25 Jahren vor-
behalten bleiben, auch diesen Verfall zu über-
bieten. Um das Jahr 80 bemächtigt sich die
Industrie der Friedhofskunst und nun geht es
noch eine Stufe abwärts. Der schwedische
Granit kommt auf, dem man eine für alle Zeiten
haltende, glasartige Politur verleihen kann. Nur
in Fabriken ist dies möglich. Bald beherrscht
er das Feld, und so wird der kleine Bildhauer
am Friedhofstor zum Händler. Die Härte des
Granits widersteht einer künstlerischen Bearbei-
tung; immermehr schwindet die Form und
wird durch Politur ersetzt, die nichts anderes
bewirkt, als dass das Monument ein Fremd-
körper in der Natur bleibt. Diese frostige Kälte
des polierten Granits, zusammen mit der nüch-
ternen, jeden Charakters baren Goldschrift hat
die letzte Stimmung aus unseren Friedhöfen ver-
jagt. Widerlich kontrastiert der harte Glanz mit
den weichen Farben der Umgebung, die messer-
scharfen Kanten zerreissen die zarten Linien der
Vegetation. Und dafür gibt man 400—800 Mk.
und mehr aus; soviel kostet der Scherz, ein
einfaches Denkmal zu polieren. Welch ein
Schatz künstlerischer Formen wäre mit diesem
Geld zu beschaffen! Für 3—400 Mk. bekommt
man ein Bronzerelief vornehmster Art, für 200
 
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