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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 17.1905-1906

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Michel, Wilhelm: Münchener "Lehr- und Versuch-Ateliers für angewandte und freie Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7136#0386

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Münchner »Lehr- und Versuch-Ateliers

w. v. wersin. Naturstudie.

streut Seele aus, um Seele ernten zu können.
Und was diesem Gedanken gerade als Stütze
eines ^SV/zw/prinzips seine Bedeutung verleiht,
das ist sein hoher methodischer Wert, den
man sich kaum reich genug vorstellen kann.
Die Methode, die er liefert, ist nämlich erstens
bestimmt und streng. Sie hält sich an einen
umschriebenen Kreis von Stoffen und leitet
den Schüler mit natürlicher Bewegung, gleich-
sam von selbst, von den primitivsten schöpfe-
rischen Gehversuchen bis zur völligen Herr-
schaft über seine Mittel. Sie ist zweitens
ungemein wandlungsfähig, und gibt jedem
Einzelnen Spielraum zu freier, individueller
Betätigung. — So ordnet sich denn auch
das Prinzip dieser Schule zwanglos dem
neuen Gesichtspunkte ein, der für die Kunst
und das Kunstgewerbe unserer Zeit maß-
gebend geworden ist. Es ist der Gesichts-
punkt des Organischen im weitesten Sinne.

380

Die Art, wie das beschriebene Schul-
prinzip in den Lehr- und Versuchateliers
pädagogisch eingekleidet wird, ist nicht ein
für allemal festgesetzt. Das widerspräche
dem pädagogischen Grundsatze des Institutes,
das sich eine möglichst individuelle Behand-
lung der Schüler zur Pflicht gemacht hat.
Es würde ausserdem zur Verknöcherung,
zur Bildung von Dogmen und Formeln führen,
denen die Schule ja gerade den Krieg er-
klärt hat. So sind beispielsweise die rhyth-
mischen Studien, die Hänge-, Spannungs-
und Bewegungsprobleme, die in der ersten
Schulausstellung vor zwei Jahren eine grosse
Rolle spielten, jetzt ziemlich in den Hinter-
grund getreten. Der Wege, die zur Natur
und von der Natur zur Kunst führen, ist ja
Legion. Man legt dem Schüler beispiels-
weise ein Baumblatt vor, das gerade einige
Ansätze zur Herbstfärbung zeigt. Er wird

W. v. WERSIN. Naturstudie (Bleistiftzeichnung).
 
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