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Sänger, Falk-Reimar [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 21): Landkreis Lüchow-Dannenberg — Braunschweig, 1986

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https://doi.org/10.11588/diglit.44260#0017
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fähig. Entsprechend groß war die Bevölkerungsdichte, die im Landkreis Lüchow-Dan-
nenberg vor dem Einsetzen der Industriealisierung größer als in vergleichbaren Gebie-
ten war. Sichtbarster Ausdruck der Bedeutung der Leinenherstellung war die Einrich-
tung amtlicher Beschau- und Prüfanstalten, der Linnenleggen (Lüchow und Bergen
1790, Wustrow 1792, Dannenberg 1833). Etwa um die Mitte des 19. Jh. wurde hier die
industrielle Konkurrenz spürbar, der die ländliche Heimarbeit alsbald hoffnungslos un-
terlag. Der damit einsetzende wirtschaftliche Abschwung ist bis heute nicht abgefangen
worden. Seit etwa 1850 kam es in mehreren Wellen zu einer Abwanderungsbewegung.
Auch diese negative Entwicklung der Bevölkerungsbilanz hat - laut Luise Drischler -
seither keine Umkehr mehr erfahren und ist durch den Flüchtlingszustrom nach 1945
lediglich vorübergehend unterbrochen worden. Heute ist der Landkreis Lüchow-Dan-
nenberg eine der am dünnsten besiedelten Landschaften der Bundesrepublik (40 Ew/
km2). Wie in der Zeit vor 1866 ist er nach 1945 durch die innerdeutsche Grenze von sei-
nem Hinterland und den wichtigsten Handelsplätzen Salzwedel, Lenzen, Dömitz, Wit-
tenberge aber auch Berlin abgeschnitten. Industrie ist weiterhin nur in bescheidenen
Ansätzen vorhanden. Wichtigster wirtschaftlicher Faktor ist daher weiterhin die Land-
wirtschaft, die sich in einer Phase der Umstrukturierung befindet. Zahlreiche kleine und
kleinste Betriebe gingen in Betrieben mit rentabler Größe auf.
Siedlungsgeschichte
Die Anlage und Entwicklung der Städte und Flecken mit stadtähnlicher Struktur erfolgte
ausnahmslos im Schutze befestigter Adelssitze. Während in Lüchow und Dannenberg
noch deutliche Reste dieser festen Häuser verhanden sind, fehlen sie in Hitzacker, Ber-
gen, Clenze, Gartow und Schnackenburg heute völlig.
Über die Anfänge und Frühzeit dieser städtischen Siedlungen sind nur sehr spärliche
Nachrichten vorhanden. Mit Ausnahme von Clenze, das bereits im 10. Jh. genannt wird,
darf die Entstehung der meisten Orte im 12. Jh. vermutet werden. Erstmals dokumenta-
risch belegt wird ihre Existenz durchweg im 13. Jh. Auch Hitzacker bildet hier keine Aus-
nahme. In seiner ursprünglichen Siedlungsform weicht es ebenso wie Schnackenburg
von den übrigen Orten ab. Während Hitzacker die Fläche einer Insel einnimmt, nimmt
Schnackenburg den Winkel am Zusammenfluß zweier Wasserläufe ein. Alle übrigen
Siedlungen bestehen im Ursprung nur aus einem langgestreckten Straßenzug, an dem
sich die Bürgerstellen aufreihen. Etwas abseits liegen jeweils Burg und Kirche. Kann in
Lüchow ein Knüppeldamm durch die Niederung als Keimzelle dieses Straßenzuges an-
genommen werden, so sind in Dannenberg und Gartow natürliche langgestreckte
schmale Geländeerhebungen besiedelt worden. Als einziger Ort liegt der Flecken Clen-
ze nicht an einem Flußübergang.
Eine Stadtmauer war seit dem frühen 14. Jh. nur in Lüchow entstanden, während sich
die übrigen Siedlungen durch natürliche Gegebenheiten wie Wasserläufe oder Insellage
ausreichend geschätzt fühlten. Es genügte hier, die Zugänge durch Türme und Tore zu
sichern. Ein zusätzlicher Erdwall ist offenbar in Gartow vorhanden gewesen.
Die weitere Entwicklung dieser Städte und Flecken ist nur sehr langsam vorangeschrit-
ten, wie die Beschreibung Wustrows aus dem 14. Jh. oder aber die Merianstiche des 17.
Jh. belegen. Eine erste Stadterweiterung ist aus Dannenberg bekannt. Sie erfolgte am
Ende des 16. Jh., nachdem ein vorangegangener Brand eine Ausdünnung der Bebau-
ung im Bereich der Kirche erfordert hatte. Während in Hitzacker nach dem Brand von
1668 eine Auflockerung der dichten Bebauung durch Einbeziehung des verödeten
Schloßgeländes in den Wiederaufbau erzielt wurde, hatte die Landesherrschaft nach
dem Brande von Wustrow 1691 eine Neuordnung des Stadtgrundrisses angeordnet,
worüber allerdings kein zeitgenössischer Plan vorliegt. Genaue Pläne der alten und neu-
en Stadtgrundrisse sind dagegen von Gartow 1721 und Schnackenburg 1728 erhalten
geblieben. Sie waren von hannoverschen Offizieren erstellt worden. Der nach ihnen je-
weils durchgeführte Wiederaufbau ist charakterisiert durch verbreiterte Straßen mit
geraden Fluchten und streng orthogonalen Kreuzungen. Im ganzen kam es auch hierzu
einer Ausdehnung der Ortschaften und einer Ausdünnung der Bebauung. Die viel zitier-
te Neuordnung Lüchows durch die französische Militärregierung nach dem Brand von
1811 reiht sich lückenlos in diese Folge ein.
Der letzte Totalbrand eines Fleckens ereignete sich 1840 in Bergen. Auch hier kam es
zu den schon bekannten Maßnahmen. Die ausgesiedelten Bürger wurden in der damals
angelegten „Neuen Straße“ angesiedelt. Sinn all dieser Ausdünnungen und Erweiterun-
gen war es, einen größeren passiven Schutz vor Brandgefahr zu erreichen. Dieses
Bemühen mußte allerdings erfolglos bleiben, solange noch Weichdächer verwendet
wurden, die durch ihre hohe Brandlast mittels Funkenflug immer wieder für die verhee-
renden Ausmaße der Brände sorgten. Zwar hatte die Landesherrschaft schon am 5. 9.
1692 mit einem allgemeinen Ausschreiben die Abschaffung der Strohdächer in den

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