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Nordöstlich dieser Anlage entstanden eine
Staatswagenremise (heute Mensa der Heim-
volkshochschule) und weitere Pferdeställe,
unter anderem der Marstall des Kurfürsten
und der Kronprinzenstall (heute Ateliers und
Werkräume). Bis zu 500 Pferde, die zur da-
mals beliebten Par Force Jagd benötigt wur-
den, konnten in den Ställen untergebracht
werden. Gleichzeitig mit dem Ausbau der
Schloßanlage wurden die für die Jagd zu Pfer-
de nötigen Schneisen im Wald angelegt und
vom Einschlag Bauholzspenden an Dörfer der
Umgebung abgegeben.
In dieser Zeit erlebte die Göhrde die pracht-
vollsten Hofjagden, die auch noch fortgesetzt
wurden, nachdem der hannoversche Kurfürst
1714 in Personalunion als Georg I. den eng-
lischen Thron bestiegen hatte, seine Stamm-
lande aber noch mehrmals besuchte. Im
Jahre 1717 wurde die teilweise erhaltene
Lindenallee vom Schloß nach Dübbekold an-
gepflanzt. Einige wenige Gebäude entstan-
den noch in den zwanziger Jahren des 18. Jh.,
wie das pavillonartige Pletthaus. Die Schloß-
anlage hatte damit ihre größte Ausdehnung
erreicht.

Der Nachfolger Georgs I. besuchte die Göhr-
de ebenfalls mehrmals. Georg III. hat dage-
gen Deutschland nie gesehen, so daß die letz-
te Hofjagd in der Göhrde 1752 abgehalten
wurde. Die Gebäude blieben ungenutzt und
wurden nur notdürftig unterhalten. Während
der französischen Besatzungszeit und den
anschließenden Freiheitskriegen waren sie
fast völlig dem Verfall preisgegeben. Als 1826
der Hofarchitekt Georg Ludwig Friedrich La-
ves die Göhrde bereiste, fand er das Schloß in
so desolatem Zustand, daß er den Abbruch
des Gebäudes empfahl. Es wurde noch im
Herbst des gleichen Jahres zusammen mit
mehreren Nebengebäuden abgetragen.
Im weiteren Verlauf des 19. Jh. erlebte die
Göhrde dann zwei Phasen der Erneuerung.
Die erste setzte 1837 nach dem Ende der Per-
sonalunion mit England ein; die zweite folgte
1866 nach dem Anschluß Hannovers an Preu-
ßen. Zunächst ließ sich der hannoversche Kö-
nig Ernst August durch seinen Hofarchitekten
Laves das 1722 erbaute Möbelhaus zum „Kö-
nigshaus“ umbauen. Nach Fertigstellung im
Jahre 1839 fanden erneut Hofjagden in der
Göhrde statt. In den Jahren 1849/50 wurde

der gesamte Forst eingezäunt. Da aber die
Poststraße Lüneburg-Hitzacker (heute
B216) auf kurzer Strecke das Wildgehege
durchquerte, mußten hier die Durchlässe mit
Schranken geschlossen werden. Die beiden
Wärterhäuschen Nadlitz und Schnadlitz, die
an zeitgenössische Eisenbahnbauten glei-
cher Zweckbestimmung erinnern, markieren
noch heute die Kreuzungspunkte der Straße
mit dem Zaun des Geheges, das bis in die Zeit
nach dem Zweiten Weltkrieg bestand.
Die wiederaufgelebte Tradition der Hofjagden
setzten auch nach 1866 die preußischen Herr-
scher fort. Wilhelm I. ließ 1869 den erhaltenen
Marstall des Kurfürsten zum Schloß aus-
bauen, während die Prinzen im alten Königs-
haus logierten, woher der noch heute ge-
bräuchliche Name Prinzenhaus stammt. Nach
1918 dienten die Gebäude in der Göhrde un-
terschiedlichen Zwecken, um dann 1946 die
Heimvolkshochschule Jagdschloß Göhrde
aufzunehmen.


Jagdschloß Göhrde, ehemaliges „Pletthaus“,
vor 1738

Jagdschloß Göhrde, ehemalige Staats- Jagdschloß Göhrde, Forstmeisterdienstgehöft
wagenremise, um 1707


Jagdschloß Göhrde, heutiges Schloß, ehemaliger Marstall des Kurfürsten, um 1707, Architekt L. Remy de la Fosse


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