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Pantel, Etta [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 25): Baudenkmale in Niedersachsen: Landkreis Soltau-Fallingbostel — Braunschweig, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.43924#0270
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Amtshof folgte nach Aufhebung des Amtes
Rethem 1865 die Privatisierung der Schlossge-
bäude.
In unmittelbarem Anschluss an das Burggelände
steht im Westen auf dem Gelände des ehemali-
gen Vorhofes das frühere Amtsschreiberwohn-
haus, genannt „Zweites Amtshaus“, Lange
Straße 4a, das von der Straße aus hinter einer
alten Umfassungsmauer (hier ehemals Zehnt-
scheune) inmitten eines Gartens weit zurück-
liegt. Obwohl vielfach verändert, ist es mit sei-
nem Kern wohl von 1685 nach den Burgresten
das wohl älteste Gebäude Rethems. Dieser bei
seiner Erbauung zunächst eingeschossige
Fachwerkbau wurde evtl. 1723 straßenseitig
auskragend aufgestockt und durch hohe Fens-
ter im Erdgeschoss symmetrisch gegliedert. In
jüngerer Zeit wurde er u.a. im Osten um drei
Achsen erweitert und auch hier mit einem
Walmdach versehen. Interessant ist ein wohl
frühzeitig angesetzter, aus Hochwasserschutz-
gründen ebenerdiger, massiver und überwölbter
Kelleranbau auf der Südseite, mit flachem
Notdach.

Das Gebäude des heutigen Rathauses, Lange
Straße 4, weist durch seine Nähe ebenfalls
einen Zusammenhang mit dem ehemaligen
Burg-/Schlossgelände auf. Es wurde 1792
möglicherweise an Stelle des kleinen Pforthau-
ses unmittelbar im Eingangsbereich errichtet.
Der stattliche restaurierte Fachwerkbau mit
seinem massiven, verputzten Erdgeschoss und
dem mittigen Zwerchhausgiebel prägt heute
noch den Zugang zu dem verwaisten Burg-
oder Schlossplatz. Er wurde wohl um 1900 u.a.
durch größere Fenster im Erdgeschoss und
1940 durch den Eingangserker verändert.
Bedingt durch den Bedeutungszuwachs der
Burg verdichtete sich die Bebauung im Dorf
Rethem durch Zuzug von Neubauern, Handwer-
kern sowie Händlern und veränderte sein Orts-
bild auch durch die Ansiedlung der zwölf Adels-
familien, den sog. Burgmännern sowie durch die
Dienstleute der Adligen, die alle auf speziellen
Wohnplätzen untergebracht wurden. Dadurch
wurde eine jahrhundertelange Dreiteilung in der
Verwaltung und damit auch in der Gerichtsbar-
keit festgeschrieben. Die „Bürgerei“ (Stadt) und

zwei adlige Vorburgen (sog. Junkernvorburg
und Amtsvorburg) mit den Burgmannshöfen
wurden jeweils getrennt verwaltet und erst 1848
im Zuge der Amtsreform zu einer Gemeinde
zusammengeschlossen. Die vom Herzog einge-
setzte Verwaltung der Burg war zunächst
Ausgangspunkt für das seit 1565 bestehende
Herzogliche Amt Rethem, dem zeitweise größ-
ten Amtsbezirk im Land Hannover, zu dem auch
die Stadt Walsrode gehörte. Es wurde erst 1865
aufgelöst, nachdem es im Zuge von Amtsrefor-
men zunächst zugunsten der Ämter Fallingbos-
tel und Ahlden geteilt worden war.
Die Entwicklung vom Bauerndorf zu einem mit
Marktrechten ausgestatteten Bürgerstädtchen
und die Verleihung der Stadtrechte durch den
Herzog Wilhelm von Braunschweig und Lüne-
burg im Jahre 1353 gingen einher mit ihrer
Befestigung entlang der Alpe durch Wälle und
neue Gräben, die auch die Burg umgaben.
Die wichtige strategische Lage am Allerüber-
gang bestimmte die wechselvolle, durch Bela-
gerungen und Kriege gekennzeichnete Ge-
schichte Rethems bis in die jüngste Zeit.



Noch stärkere Auswirkungen für die Stadt hatte
der verheerende Brand von 1704, bei dem die
dichte Bebauung der mittelalterlichen Stadt in-
nerhalb der Umwallung bis auf Burg, Kirche und
die westliche Randbebauung nahe der Aller
(Junkernstraße) fast gänzlich vernichtet wurde.
Der Wiederaufbau hatte eine radikale Umbildung
der Stadt zur Folge und es entstand an Stelle
der gewachsenen Siedlung mit den gekrümm-
ten Straßen der heute noch charakteristische,
planmäßig angelegte Stadtgrundriss (seit 1716
ohne Wallanlagen), wie er z.B. in der 1818/19
entstandenen Verkopplungskarte von Rasch
und Rettberg dargestellt ist. Die innerhalb der
alten Umgrenzung von Alpe und Schlossgraben
im rechtwinkligen Raster angeordneten Straßen-
züge erschließen seitdem neun oder zehn etwa
gleich große rechteckige Quartiere, deren bis auf
die Wassergrundstücke geschlossene Block-
randbebauung auf die ursprüngliche Parzellie-
rung zurückgeht. Grundstücke mit zwei unter-
schiedlichen Staßenfrontlängen und besonders
geschnittenen Eckgrundstücken ließen eine
Bebauung mit traufständigen Häusern bei brei-
ten Grundstücken oder eng stehenden giebel-
ständigen Häusern auf schmalen Grundstücken
zu, die sich auch im heutigen Straßenbild
anhand der jüngeren Häuser nachvollziehen
lässt.
Die mit der neuen Parzellierung seit 1704
einhergehende Straßenpflasterung mit behaue-
nen und unbehauenen Feldsteinen und mit z.T.
mittig verlaufender Gosse (Hinterstraße), die bis
1827 in der Innenstadt vervollständigt wurde,
lässt sich am Beispiel der gut erhaltenen
zusammenhängenden Straßenzüge Kirchstra-
ße, Hinterstraße und Wiedenburgstraße aufzei-
gen. An den Übergängen über die noch vorhan-
denen Wasserläufe ist die Ausdehnung des
historischen Stadtkerns heute noch zu erfahren.
Nur wenige Gebäude am nordöstlichen Rand
haben die zweite große Brandkatastrophe von
1834 überstanden; so der auf einem Allergrund-
stück stehende, leider durch jüngere Umbauten

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