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Kämmerer, Christian [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 32): Stadt Osnabrück — Braunschweig, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.44440#0140
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tenverein, der 1922 auf dem Klushügel eine
größere Siedlung erbaute, trat insbesondere
das Kupfer- und Drahtwerk durch eigenen
Werkswohnungsbau hervor, der zu den vor-
bildlichsten und künstlerisch qualitätvollsten
Leistungen des Siedlungsbaus der zwanziger
Jahre in Osnabrück gehört. Die Zahl der
Werksarbeiter hatte sich gegenüber dem Vor-
kriegsstand innerhalb etwa eines Jahrzehnts
mehr als versechsfacht (1923 besaß der Be-
trieb etwa 2500 Mitarbeiter). Die Unterbrin-
gung einer solchen Zahl von Arbeitern und An-
gestellten war in einer Zeit großer Wohnungs-
not in Osnabrück nicht ohne Schwierigkeiten.
Das Unternehmen errichtete deshalb an ver-
schiedenen Stellen rund um das Werksgelän-
de hauptsächlich in den Jahren zwischen
1921-23 in mehreren Siedlungsgruppen
Werkswohnungen, die sich mit den Produk-
tionsgebäuden des Betriebs durch die einheit-
liche Verwendung des werkstypischen roten
Ziegelmaterials zusammenschließen. Trotz
der Ausführung durch verschiedene Architek-
ten und großer Unterschiede in Zuschnitt und
Anlage verbinden die Baugruppen gemeinsa-
me Merkmale, die in der starken Traditions-
bindung ihrer Gestaltung, der Wiederholung

verwandter Motive und dem stets gleichen
Baumaterial bestehen.
Der Hauptteil der Wohnungen entstand süd-
lich des Werksgeländes an der Liebigstraße.
Hier baute das Werk 1921 in zwei Abschnitten
zwischen Kreling- und Bohmter Straße eine
langgezogene Reihenhauszeile für Arbeiter
und Facharbeiter (Liebigstraße 53-81 mit
Krelingstraße 24/26, Architekt Carl Kriege;
Liebigstraße 83-97, Architekt Lothar Gürtler).
Der im Reihenhausbau drohenden Monotonie
wurde geschickt durch individuelle Ausbil-
dung des Einzelhauses innerhalb der Reihe
und lebhaftem Wechsel von trauten- und gie-
belständigen Bauteilen entgegengewirkt. Auf
diese Weise entstand das Bild einer abwechs-
lungsreich und vielfältig gegliederten Straßen-
flucht, wobei die Gebäude selbst im wesentli-
chen nur durch gute Proportionen und geringe
Zierziegelsetzungen gestaltet sind. Bestand-
teil der Anlage sind die hinter der Häuserzeile
gelegenen Hausgärten, die die gesamte In-
nenfläche des großen Baublocks einnehmen
und über einen Torbau von der Straße her er-
schlossen sind.
Am Ostende der Zeile an der Ecke Liebig-/
Bohmter Straße schließt eine Gruppe von


Liebigstraße 53ff. mit Krelingstraße 24/26 (links), ehemalige Arbeiterwohnhäuser des Osnabrücker
Kupfer- und Drahtwerks, 1921, Architekt C. Kriege


Liebigstraße 99 mit Bohmter Straße 51, ehemalige Beamtenwohnhäuser des Osnabrücker
Kupfer- und Drahtwerks, 1921, Architekt L. Gürtler


zwei Beamtenwohnhäusern an, die sich von
der Arbeitersiedlung an der Liebigstraße
durch ihren größeren gestalterischen Auf-
wand absetzen (Liebigstraße 99, Bohmter
Straße 51, 1921, Architekt Gürtler). Zusam-
mengeschlossen durch einen niedrigen Ver-
bindungsbau an der Straßenecke, bilden die
beiden Häuser eine symmetrische Anlage,
deren Erscheinung durch vier hohe, mehrfach
geschwungene und gegliederte Giebel über
ihren Eckrisaliten geprägt wird, ein Motiv, das
an dem kleinen verbindenden Bauteil in der
Symmetrieachse noch einmal wiederholt wird.
Die Fassaden der Häuser belebt ein feines
Relief von Ziegelgliederungen, die dem For-
menrepertoir des Barock entnommen sind,
während die Giebelflächen vereinzelt Zierzie-
gelsetzungen mit expressionistischen Moti-
ven aufweisen.
1923 wurde die Reihe der Arbeiterwohnhäu-
ser an der Liebigstraße um eine zwei- bis drei-
geschossige Wohnhauszeile an der Kreling-
straße ergänzt, die den Block auf der Westsei-
te schließt und an die Häuser der Liebigstraße
über einen Torbogen architektonisch ange-
bunden wurde (Krelingstraße 28-34, Archi-
tekt Gürtler; die Häuser Krelingstraße 36-38
wurden erst 1936 hinzugefügt). Auch mit die-
sen Häusern wird das herrschende Gestal-
tungsprinzip, das in dem lebendigen Wechsel
von giebel- und traufenständigen Baukörpern
besteht, fortgesetzt.
Im Gegensatz zur geschlossenen Bauweise
der Arbeitersiedlung an Liebig- und Kreling-
straße steht eine kleine Gruppe von Beamten-
wohnhäusern am Nordostrand des Werks. An
Langer Wand und ehemaliger Baumstraße
(letztere bildete in den zwanziger Jahren die
Ostgrenze des Kupfer- und Drahtwerks und
ging später im Werksgelände auf), entstanden
in den Jahren 1922/24 mehrere ein- und zwei-
geschossige Wohnhäuser für zwei bis vier Fa-
milien als freistehende Ziegelbauten, die der
Straße jeweils einen Giebel mit hoher Bekrö-
nung zuwenden (Lange Wand 30-38, 1922/
1923, Architekt Salzmann; abweichend Nr.
38A, 1924, Architekt Lothar Gürtler). Auch die-
se Häuser sind Zeugen eines Werkswoh-
nungsbaus, der Einheitlichkeit durch Material
und gleiche Gestaltungselemente anstrebt,
dabei aber stets individuelle Ausführung und
liebevolle Detailbehandlung im Auge behält.
Städtischen Charakter besitzt eine Wohn-
hausgruppe, die das Werk 1921 am Nonnen-
pfad/Ecke Gertrudenstraße innerhalb der hier
bestehenden Mietshausbebauung errichten
ließ (Nonnenpfad 6-10, Architekt Wilhelm
Breukel). Die dreigeschossigen Ziegelbauten
vom Mietshaustypus erscheinen auf den er-
sten Blick sehr schlicht, ihre Fassaden sind je-
doch durch farbige Ziegelmusterung, Zierzie-
gelsetzung und feine Ziegelprofile und -details
sorgfältig gestaltet. Zur Belebung der glatten
Fassaden trägt die reiche Sprossengliede-
rung der Fenster als ein wesentliches Element
bei.

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