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Das Chronometer.

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Es gibt nichts Angenehmeres als sein Gabelfrühstück in
anregender Gesellschaft einzunehmen; Vormittags ist man nach
nicht ermüdet nnd verstimmt von den Mühsalen seines Berufes,
da ist man empfänglich für launige Unterhaltung und selbst
fähig, sein Schärflcin bcizutragen, nnd dazu ein guter Bisse»

— lieber recht schmackhaft als etwa zu wenig — das ist der
Wahlsprnch aller weisen Lebemänner und sie haben Recht —
auch ich unterschreibe ihn ohne Verclausulirung.

Und dazu das unschätzbare sittliche Vergnügen, neidlos zu-
sehen zu können, wie den lieben Seinen das Mittagessen mun-
det. „Aber, Vater, Du ißt ja fast gar nichts," sagt wohl die
Mutter besorgt, „ich fürchte mich, Du wirst uns noch krank."

— „Sei ohne Sorgen, liebe Frau, es fehlt mir nichts, mich
macht schon die Freude satt, zu scheu, wie gut es Euch schmeckt."

— „Wie gut der Vater ist," sagt die Hausmutter gerührt und
zerdrückt eine Thräne in den frommen Augen, die Buben aber
denken: „Herrgott, wenn wir einmal auch so wenig essen sollen
wie der Vater, so müssen wir jetzt um so besser dazu thun,"
und hauen hinein wie junge Wölfe, daß ihnen der Dampf zu
Nase nnd Ohren herausfährt wie dem steiermärkischen Wappcn-
panterthier. Die Töchterleins lassen sich's auch gesagt sein, und
essen zwar manierlicher, wissen aber auch die besseren Bissen
sich mit vom Paradiese her angestammter Schlauheit hcrauszu-
sischcn. Also Gabelfrühstück — das macht gütige Väter und
pietätvolle Familiengliedcr, und was die Tugend recht belohnt,
man bekommt zeitig Durst für den Abend.

Eine Gesellschaft solcher richtiger Lebensphilosophen ver-
sammelte sich denn auch regelmäßig von l0 Uhr Vormittags
an im Gasthause „Zum Buttcrkrcbs" in Zapfenfingcn nnd der
einzige, aber dafür auch täglich vorkommende Verdruß war der,
daß vom Kirchthurme her sie einen Tag wie den andern durch
das Glockenzeichen der Mittagstunde überrascht wurden, das sie
in alle Weltgegendcn auseinandertrieb, um am heimischen Mit-
! tagstisch den Vorsitz zu übernehmen.

„Das weiß doch der Himmel," sagte einmal, als bei dem
Glockenzeichen wieder Alle mechanisch ihre Uhren hervorgeholt
! hatten und keine einzige richtig auf 12 zeigte, „bei unserem
j Tische sind doch alle Erzeugnisse der Uhrenmacherkunst vom Rürn-

j bcrgerci bis zum Chronometer vertreten, und dennoch, wenn sie
da draußen losbimmeln, so zeigt keine richtig. Wißt Ihr was,
meine Herren, damit wir den Aerger in Spaß verkehren, so
stellen wir Alle heute unsere Zwiebeln ans Punkt 5 Minuten
nach 12, und wessen Uhr morgen nicht genau mit dem Glocken-
zeichen auf 5 Minuten vorüber stimmt, der zahlt eine» Silber-
groschen in eine gemeinschaftliche Kasse nnd nach einem Viertel-
jahre, wenn das so immer fortgesetzt worden, wird das ganze
Geld in einem Abendessen verjubilirt. Einverstanden?"

Der Vorschlag wurde natürlich mit Acclamation ange-
nommen ; zugleich gaben alle Anwesenden ihr Wort, an ihren
Uhren keine Berichtigung für dieß Vierteljahr weiter vornehmen
zu wollen, nachdem sämmtlichc auf Punkt 5 Minuten nach 12
eingestellt ivordcn, da man eben weiter keinen Tag mehr ver-
lieren wollte, um sie aus 12 Uhr selbst richten zu können.

Das Vierteljahr war vorüber, und die Gesellschaft saß
äußerst vergnügt bei dem verabredeten Abendessen. Alle hatten
mehr oder weniger dazu beigesteuert, nur Einer davon, ein
junger Doktor, war auch nicht ein einzigesmal in Strafe ge-
kommen; immer nnd immer hatte beim Appell seine Uhr die
richtigen 5 Minuten nach 12 Uhr gewiesen.

„Aber jetzt sagen Sie mir, Herr Doktor, was haben Sic
denn für ein Wunderwerk von Zeitmesser, daß er auch nicht
einmal irren kann — ich habe davon mit dem Custos unserer
Sternwarte gesprochen und der behauptete geradezu, daß das
gar nicht möglich sei, denn die Stadtuhren werden von der
Sternwarte aus jede» Tag regulirt und mechanische Uhren müssen
daher mit ihnen in gewissen Verhältnissen zeitweise differiren;
da ich nun nicht annehmen kann, daß Sie Ihr Wort gebrochen,
so ist mir die Sache geradezu ein Räthsel."

Da zog der Doktor mit feierlichem Ernst seine Uhr her-
vor, und überreichte sic ihm; der schaute darauf und zog die
Augenbrauen verwundert in die Höhe, dann hielt er sie zum
Ohre, schüttelte sie und rief, nachdem er nochmal an ihr gc-
[ horcht: „Ja, auf der ist's ja alleweil 5 Minuten über 12
vorbei — das Luder geht ja gar nicht."

„Ausgezeichnet diagnosticirt," sagte der Doktor, „ich hatte
die Feder gesprengt und wollte sie selben Tags zum Uhrmacher
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Chronometer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Flasche
Chronometer
List
Absprache
Tisch <Motiv>
Frühstück
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Uhr
Gaststätte
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Fliegende Blätter, 55.1871, Nr. 1362, S. 62
 
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