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Aus dem Tagebuch eines Zerstreuten.

Da haben wir die Bescheerung! Noch nicht zwölf Stun-
den in der Residenz und schon verhaftet und eingesperrt; aber
daran ist allein meine verdammte Zerstreutheit schuld. Ich könnte
mich wahrhaftig ganz gehörig abohrfeigcn — ja, und ich werde
es auch! — Mußte ich denn, statt in die Güterexpedition der
Post, in eine allerdings dicht daneben befindliche Restauration
hineinduseln? Mußte mir der Kellner sofort Bier vorsetzen,
das ich in der Zerstreutheit austrauk, ohne einen Kupfcrdrcier
in der Tasche zu haben? — Alles dieß aber wäre noch hin-
gegangen , wenn ich nicht in dem dunklen Gefühl, mit einem
Ucberzieher in das Lokal gekommen zu sein, den Paletot eines
anderen Gastes angezogen nnd mich damit hätte entfernen wollen.

Der Kellner faßte mich noch an der Thüre des Lokales ab; es
entstand eine wahre Aufruhrscene, bei welcher die unziemlichsten
Redensarten über mich gebraucht wurden. Besonders trat der
Herr, dessen Rock ich irriger Weise angezogen hatte, mir mit
schimpflichen Beschuldigungen entgegen nnd leider fiel mir erst
jetzt ein, daß ich ja meinen Ucberzieher — in welchem, beiläufig
gesagt, meine ganze Baarschaft stcckre — in der Wohnung
meines Vetters gelassen hatte und zwar auf Anrathen meiner
Base, um, wie sie sagte, nicht so zu transpiriren. (Wir hatten
4 Grad Külte!)

Ich konnte cs dem Wirthe des Lokals eigentlich kaum ver-
denken, daß er meiner Erzählung dieser Umstände keinen Glau-
ben beimaß; wenn »ür's ein Anderer erzählt hätte, würde ich
wahrscheinlich auch nicht daran geglaubt haben. Man über-
lieferte mich einem Polizeibeamten und ich wurde unter allgemeiner
Entrüstung „über den jungen Dieb" zur Wache transportirt.

Mein wirklicher Vetter hat sich. Dank den Bemühungen
der hochlöblichen Polizei, welche in derlei Sachen mehr Glück
zu haben scheint, als ich — nun wirklich vorgefunden; dagegen
wird wohl mein Paletot bei der vermeintlichen Base unwieder-
bringlich verloren sein, denn ich habe trotz eifrigsten Nachsiunens
keine Idee mehr, wo die Wohnung dieser Dame lag. Mein
Vetter und sogar der Commissarius sind der Ansicht, ich habe
es mit einer abgefeimten Schwindlerin zu thun gehabt. Das
kann ich mir aber kaum denken!

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Uebrigcns habe ich schon wieder einen Verstoß begangen,
der aber nur mir passircu kann! Mein Vetter gab mir an den
Direktor des Gymnasiums, dein ich mich behufs meines Ein-
tritts in die Prima vorstellcn sollte und mit dem er oberfläch-
lich bekannt war, einige Zeilen mit; gleichzeitig sollte ich auch
auf dem Rückwege einem renitenten Schuldner einen gerade nicht
nach Aberti's Complimentirbuch schmeckenden Mahnbrief über-
geben. Mein Schuldespot zuckte, als er das Schreiben gelesen,
die Achseln und sagte sehr frostig: „Ich möge mich des folgen-
den Tages um 9 Uhr Vormittags zu einer Prüfung eiusiuden
— im Uebrigen möge mein Vetter ihn mit derartigen Episteln
verschonen!" Ich hatte natürlich die Briefe verwechselt, und
wenn ich diese Entschuldigung auch neben einigen anderen eben
so albernen nachträglich hervorstotterte, so blieb doch der erste
Eindruck — und der war unzweifelhaft recht glänzend.

(Fortsetzung folgt.)

Aus der Rechtsphilosophie.

Professor: „Meine Herren! Weder die Gesetze der Jetzt-
zeit, noch die der alten Römer sind vollkommen, jedes hat seine
Lücken. Nehmen wir das Personenrecht! Es ist Ihnen be- !
kannt, meine Herren, daß das Gesetz jeden Menschen bis zur
erreichten Großjährigkeit unter Vormundschaft stellt. Der Grund
hiezu ist der Mangel an Erfahrung und Besonnenheit, der bei
der Jugend vorausgesetzt wird. Dabei ist nun die Gesetzgebung
stehen geblieben. Es ist aber Jedem von uns bekannt, meine
Herren, daß der Mensch im Alter schwachsinnig und unbesonnen,
daß er in geistiger Beziehung wieder ein Kind wird; cs ist
daher das Gesetz in dieser Richtung nicht eher vollständig, bis
es nicht einen Paragraph ausgenommen hat des Inhaltes: Jeder
Mensch fei 10 Jahre vor seinem Tode wieder unter Vormund-
schaft zu stellen."

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Aus dem Tagebuch eines Zerstreuten" "Aus der Rechtsphilosophie"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bechstein, Ludwig
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Jurist <Motiv>
Bierkrug
Mantel <Motiv>
Gesetzeslücke
Verwechslung
Hochschullehrer <Motiv>
Gesetz
Karikatur
Vorlesung
Kellner
Gaststätte
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
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Fliegende Blätter, 55.1871, Nr. 1365, S. 83
 
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