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170 Die Weihn

zahlst, sonst haben wir am längsten hier gewohnt! Du kannst
cs glauben, es ist keine leere Drohung, es wird Ernst gemacht!"
Mit einem Blick höhnischer Geringschätzung maß er bei diesen
Worten das niedrige Gemach mit den leeren Wänden und dem
armseligen Hausrath.

„Um Gotteswillen, Klaus," rief nun Bcrudt jammernd,
„wo soll ich's jetzt hernehmcn in dieser Zeit? Sie werden ja
Geduld haben, sie werden uns ja doch nicht jetzt Hinausstoßen
im harten Winter!"

Als der Geängstigte also wehklagend rief, öffnete sich die
Thür einer Seitenkammer und zwei Gestalten drängten sich neu-
gierig herein in's Gemach, zwei Gestalten seltsam und wunder-
lich genug auzusehen, da gewöhnlich weder Engel noch Wehrwölfc
in den Häusern der Menschen wohnen. War cs aber nicht ein
Engel, der dort aus der Kammer trat in langem weißen Ge-
wände mit goldenen Sternen besäet und über dessen braune
Haarflechten ein weißer Schleier herabwallte? Jedenfalls,
wenn auch bei schärferem Hinblicken das weiße Gewand der
Erscheinung sich als ein ziemlich grobes Linnen zu erkennen
gab und die goldenen Sterne darauf nur als armselig Flitter-
gold, so war doch das Angesicht derselben, wie es, umrahmt
von dem weiße» Schleier, hervorschaute, so lieblich und an-
muthig, als wir uns nur immer das eines Engels denken
mögen; cs war eine Huld und Güte und eine vertrauensvolle
kindliche Unschuld in den Mienen und dem Blick der Augen,
die unwillkürlich in den Herzen Wohlwollen und Zuneigung
erwccklcn. Auch der Wehrwolf, der hinter dem Engel hcrvor-
lugtc, so seltsam er sich auch ausnahm in dem Pelze, in wel-

ch t sglockcn.

chcn, die Haare nach Außen gekehrt, er eingehüllt war, um-
gürtet mit einem Strick und in der Pelzkappe tief hinein in's
Gesicht gezogen, zeigte doch unter derselben ein harmlos gut-
müthig' Knabcngesicht. Man hätte leicht in den Zügen der
beiden, des Mädchens und des Knabe», eine Achnlichkcit ent-
decken können mit der Frau am Fenster.

So anmuthig und minniglich, wie das Mädchen dort, mochte
vor zwanzig Jahren auch jene Frau mit dem jetzt abgehärmtem
und faltenreichem Angesicht gewesen sein, und solch' holdselige
Innigkeit mochte damals aus den jetzt trüben, sorgenvollen Augen
geschaut haben. Die Beiden, die so seltsam gekleidet drüben an
der Thüre des Kämmerleins 'standen und mit verwunderten,
besorgten Blicken herüberschauten nach den bekümmerten Eltern
und dem Manne an der Stubcnthüre, waren des Berndt älteste
Kinder. Sie hatten sich in der Kammer angezogen, um in
den Häusern des Dorfes das „Ehristkindel zu singen" für ein
klein' Geschenk, ein Stück Brod oder sonst etwas. Und die
Leute im Dorfe hörten cs von Niemand lieber, als von des
Mysners Käthe, cs klang gar so lieblich und anmuthig, und
der Jakob war ein Muster von einem Knecht Ruprecht, so lustig
und gruslich zugleich machte cs keiner sonst. Ta hatten sie
des Vaters wehklagende Stimme gehört und waren in die Stube
gekommen, zu sehen, was es gäbe, und nun horchten sie be-
stürzt und erschrocken dem Gespräch zu, das sich zwischen dem
Vater und dem reichen gefürchteten Oheim entspann. Dieser
ließ sich durch die plötzliche Erscheinung des Engels und des
Wehrwolfs nicht sonderlich stören, er warf einen kurzen raschen
Blick nach ihnen hin und erwiderte darauf auf Berndts jam-
mernde Klage: „Ja, Berndt, man wird es thun! Man wird
Dir das Kerbholz Hinhalten, mau wird zu Dir sprechen: hier
und hier und noch einmal bist Du im Rückstände, und wenn
Du nicht zwei Kerben abzahlst, dann: marsch hinaus! und
such' Dir ein ander' Unterkommen!"

Mit gerungenen Händen war Berndt aufgesprungen und
ging in rathloser Verzweiflung auf und nieder. Tief bestürzt
schauten die Kinder nach dem Angstgequälten, mit unverhohlenem
Behagen der Oheim.

„Mein Gott! mein Gott!" rief endlich Berndt verzweifelnd,
„wo soll ich's denn hernehmen? Nach diesem Sommer, in
dem nichts gewachsen! und dann sind des Falkenbergers Leute
über uns 'kommen und haben das Letzte fortgeholt! Wo soll'
ich's denn hernehmcn?"

„Auch aus der Andern Feld ist nichts gewachsen", ent-
gegncte Klaus kalt und hart, und des Falkenbcrgers Knechte
haben in meinem Hause eben auch geraubt und geplündert."

„Ach Gott! Du?" jammerte Berndt, „ja Du hast's —
Du kannst zusetzen, wenn ein böses Jahr kommt! und auch in
den schlecht'sten Zeiten füllt Dir immer noch etwas zu! Bei
jedem Wyssebier im Dorfe hast Du Deinen Verdienst! Aber
wir . . .!"

„Hm! man muß eben etwas haben zum Zusetzen!" er-
widerte der Erbrichter hochmüthig, und nachdem er sich einige
Augenblicke an des Bruders Angst und Rathlosigkeit geweidet,
fuhr er fort: „Nun, es scheint nicht, als ob Du's würdest
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Weihnachtsglocken"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Barth, Ferdinand
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Ofen
Jesuskind
Bauernstube
Historisches Ereignis
Hussitenkriege
Armut <Motiv>
Knecht Ruprecht
Stube
Verzweiflung <Motiv>
Böhmen
Engel
Karikatur
Schulden
Frau <Motiv>
Reichtum <Motiv>
Bernard <Oppeln, Herzog>
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Creditline
Fliegende Blätter, 55.1871, Nr. 1376, S. 170
 
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