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Die Weihnl

richtig machen können am Ding! Wie Tu willst, mir ist's
gleich! Aber nicht wahr, Berndt, das weißt Du, wenn cs
dann heißt: heraus hier! daun kommst Du mir nicht etwa
mit Deinem Pack vor's Haus! Es nützt nichts! Die Thnreu
sind zu! Das will ich Dir nur sagen!"

Berndt gab keine Antwort, sondern ging stöhnend ans
und nieder. Da aber begann die Frau am Fenster drüben;

ihre Stimme bebte in Schmerz und Zorn, aber es war in
derselben nicht das Kreischen einer zankenden, sondern der volle
Klang eines schmerzlich bewegten Herzens, als sie anhob:

„Wir Wissens, Klaus, wir wissen cs längst, Tu brauchst
es uns nimmer zu sagen. Und wenn wir hinausgcstoßen wer-
den in den grimmig kalten Winter »nd haben kein Obdach,
Du brauchst nicht zu fürchten, daß wir auch nur einen Augen-
blick lang daran denken, an Deine Thürc zu pochen! Nein,
nein! eher wollten wir ja lieber hinaus in die Schluchten der
Berge und bei den Baren und den wilden Thieren des Waldes
betteln um Schutz und Erbarmen!"

Klaus nickte in giftig freundlichem Hohne: „Ist mir lieb,
Christine, daß Du's weißt, wie bei mir nichts ist! He, Chri-
stine," setzte er hinzu, „als Frau Erbrichterin säße sich's jetzt
auch wärmer und schöner, als hier in der Spelunke, sollt' ich
denken!" Die Glnth einer tiefen Erregung stieg in das Ange-
sicht der Frau. „Drinnen in der Stadt beim Bürgermeister mag
sich's noch wärmer und schöner sitzen," erwiderte sie, „und doch,
müßt ich's damit erkaufen, daß ich mit Dir Hausen müßte,
Klans . . . und wenn ich d'rüber zur Königin gemacht würde
i — ich würde dafür danken! Weiß man ja doch," setzte sie
leiser hinzu, „wie der Erbrichter sich sein Weib vom Halse
schafft!" Das war ein böses Wort, und cs hatte getroffen;

! eine unheilverkündende Blässe im Gesicht verrieth den Ingrimm
im Herzen des Erbrichters, aber nach kurzem Schweigen er-
widerte er mit gewaltsam erzwungener Ruhe: „He, will die
Christine vielleicht gar Bekanntschaft machen mit dem Schand-
^ pfähle wegen giftigen Maules, bösen Leumunds und schandbarer
Lästerung? Wenn ich nun hingingc und brächte eine Klage an?
Die Christine würde sich gut ausnehmen im Halscisen!"

Diese aber fuhr fort mit der vollen klagenden Stimme:
„Ja, Klans, alle Schätze der Welt möcht' ich nicht, müßt ich
sie mit Dir thcilcn! Lieber hier Jammer, Roth und Ver-
hungern! O, wie Du da stehst, Klaus, reich und geehrt, und
vollauf hast Du, aber drinnen (und sie wies mit dem ausgc-
strcckten Finger nach seiner Brust), drinnen ist doch die Hölle
und ein Abgrund voll Bosheit und Tücke! Nein, Klaus, und
wenn wir Alle draußen umkommen müßten in Hunger und Külte,
noch im letzten Augenblick wollt' ich Gott danken, daß ich Dich
damals abgewiesen, als Du schmeichelnd und freundlich um mich
herum warst. Mir hat es ein dunkel Gefühl gesagt: hüte dich
vor ihm! und jetzt — o längst schon — aber jetzt vollends,
sehe ich's mit Augen, wie richtig und wahr dies; Gefühl ge-
wesen ist! Wir haben viel Noth und Drangsal mit einander
gehabt, der Berndt und ich, aber wie es auch immer war, mit
Dir wär's eine Hölle gewesen! Als Du hier eiutrat'st, Klans,
jetzt, heut', am Tage vor dem heiligen Feste, an dem Alles

lchtsglocken.

froh sein möchte, und möcht' Jeder dem Anderen eine Güte
anthnn, um ihn froh zu machen, an dem Feste, da auch die
Verhärtetsten mitleidiger werden und freundlicher, da, wer's
nur irgend vermag, selbst den Spatzen draußen und all' den
Vöglein ein paar Körnlein oder Krumen herausstrcut, daß sie
Futter finden und sich freuen mögen an dem heiligen Festtage,
heute, da Du hier hercinkamst das erste Mal seit langen Jahren,
da ging mir's durch die Seele wie eine frohe Hoffnung. Kommt
er jetzt, so dacht' ich, da muß ihn ja doch etwas Gutes her-
führen, denn uns zu quälen und zu peinigen hätte doch selbst
der Teufel in der Hölle sich einen anderen Tag erwählt. Viel-
leicht, so dacht' ich, hat sich sein hartes Herz erweicht, vielleicht
kommt er nun, NM zu sagen: Ich will Euch fürder ein Bruder
sein, will Euch helfen in Euerer Noth! Ich kann's ja! Aber
nein! nein! nein! Was auch kein Teufel thun möchte, ihm ist's
eine Lust! In den Tagen, da selbst den armen Seelen im Feg-
fener eine Erholung gegönnt ist, und denen in der Hölle ein
freies Aufathmen, in diesen Tagen gedenkt der Mann da, wie
sein Bruder auf ein paar Stunden seiner Noth vergessen könnte,
und er macht sich stracks auf, sie ihm in seiner bösen Schaden-
freude wieder vorznhalten. Wußten wir's nicht, daß nächstens
das Ding gehegt würde, aber der Klans dachte, wir könnten's
über dem Weihnachtsfest einen Augenblick vergessen! Und deß-
halb bist Du her'kommen! Deßhalb war Dir's nicht zu weit
herüber!" Klaus nickte mit freundlichem Hohne. „Was die
Christine für eine kluge Frau ist," sagte er, „ja, so ist's!"

„Und ich weiß es," fuhr diese in steigender Erregung
fort, „wenn der hochwürdige Herr Procnrator nicht mehr Ge-
duld haben will, wenn er uns hier heraustreibt in die Kälte
und in den Tod, so bist Du es gewesen, der ihn dazu ans-
geredet hat; er hätte zugesehen, er hätte sich erbarmt und uns
Frist gegeben, wenigstens bis zum Frühjahr, denn, mag er
ein harter Mann sein — ich weiß es nicht — er ist aber doch
ein Mensch; aber Du hast's ihm eingcblafen und eingeredet!"

Und wieder nickte Klaus in hämischer Freundlichkeit und
sagte: „Freilich, Christine, hast Recht! so war's!"

Und nun brach die Stimme der tief Erregten in unsäg-
lichem Weh, und mit beiden Händen bedeckte sie schluchzend
das Angesicht. Berndt stand in stummer Qual vor sich hin-
starrend ; die Kinder hinter dem Ofen, da sie die Mutter weinen
sahen, brachen ebenfalls in Thränen aus, und Kalharine stand
das Gesicht in die Hände gedrückt und schluchzte in tiefem Weh
und Schmerz. Klaus aber, ob ihn schon die bittere Wahrheit
solcher Vorwürfe im Innern der Seele quälte, nickte äußerlich
um so vergnügter und sagte: „Gut! gut! so ist Alles in Ord- j
nung! und ich will Euch noch sagen: eher will ich selbst draußen
bei den Wölfen wohnen, eh' ich Euch den schlechtesten Winkel in
meinem Hause einräume, und wenn Ihr vor meiner Thüre er-
frieren solltet Alle miteinander, und lieber will ich selbst elendig-
lich verhungern, eh' ich Euch nur einen Bissen Brod reiche!"

„Schmach über solche-Worte! Schmach und Schande über !
solch' einen Menschen! und wenn er tausend Mal Erbrichter !
ist und Gott weiß, was sonst!" rief jetzt eine zornige Stimme
kräftig hinter Klaus, so daß dieser erschrocken einige Schritte

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